1000 Dank für die vielen Antworten!
Ich bin immer noch völlig geflashed von gestern und kann es eigentlich immer noch nicht fassen, dass ich das einfach so gemacht habe und dann direkt ganz vorne mit dabei.
Ich bin da ja ohne irgendwelche Ambitionen angetreten was Platzierungen betrifft.
Ich wurde natürlich während des Fahrens auch immer wieder von meinen Mitfahrern gefragt, was ich mir den so vorgenommen habe. Ich konnte da so gar nichts dazu sagen; ich hatte ja überhaupt keine Vorstellung, was da theoretisch so geht.
Ein bisschen hatte das wie bei meiner ersten Langdistanz 2017 den Charme des völlig unbekannten, bei dem es nichts zu verlieren gibt und jegliches Finish einen ganz persönlichen Sieg darstellt.
Irgendwann nach meiner 2. kurzen Pause habe ich gerafft, dass in einer Box das Leaderboard übertragen wird und ich auf Platz 1 hocke. Das war vielleicht krass.
Ich bin insgesamt 58 Runden à 10.8 km gefahren, wobei natürlich die Runden nicht zu 100 % identisch waren, weil man sicher nicht immer Ideallinie fährt.
Mal sehen, ob ich meine Einteilung noch zusammenkriege.
10 Runden, dann ganz kurze Pause 6 min ohne aus dem rechten Pedal auszuklicken, kurz ein paar Colas reinkippen und weiter.
12 Runden, mittlerweile hatte ich so 236 km runter und es war es nach Sonnenuntergang und begann, empfindlich kalt zu werden. Raus in die Box, warme Sachen an, Sonnenbrille ab und vorne anstatt des Raveman-Lämpchens einen richtigen Strahler dran.
12 Runden, dann eine etwas längere Pause, in der ich eigentlich was von meinen reichhaltig mitgebrachten Sachen essen wollte aber dann doch keine Lust hatte.
Nach 25 min wieder aufs Rad und eigentlich wollte ich im 10 Runden-Turnus weitermachen. Nach nur weiteren 5 Runden und insgesamt mittlerweile 39 Runden und 422 km auf dem Tacho habe ich gemerkt, dass ich jetzt doch eine richtige Pause brauche. Mit nur 1 Runde Vorsprung in Führung zu liegen, war mir dabei egal. Platz 3 lag 5 Runden hinter mir und ausserdem fand ich alleine diese vierhundertirgendwas auf dem Fahrradcomputer so irre, dass mir das eigentlich schon gereicht hätte.
Ich also in voller Montur in den Schlafsack, Ohrenstöpsel bis Anschlag rein und anderthalb Stunden Augen zu.
Danach wieder richtig fit; so ähnlich war das früher auch immer in der Klinik im Dienst, eine Stunde schlafen und der Laden läuft wieder.
Ich habe mir einen Nescafé, einmal Gesicht waschen und eine Zahnbürste gegönnt und bin erfrischt aufs Rad zurück. Die Sportlerin auf Platz eins hatte mittlerweile vier Runden Vorsprung, Platz drei lag weiter mit fünf oder sechs Runden zurück.
Als nächstes 11 Runden, dann kurze Pause ohne ausklicken und wieder einen kompletten Eimer Cola ausgesoffen plus eine unübersichtliche Anzahl Becher von diesem heissen Zitronentee, den es ausschließlich bei Sportveranstaltungen gibt und früher im Kindergarten. Nie schmeckte etwas köstlicher, als dieses Gesöff.
Ich hatte also mittlerweile 50 Runden auf der Uhr, so 540 km und ich habe beschlossen, es jetzt ruhig angehen zu lassen und ab jetzt im zwei-Runden-Turnus weiterzumachen, weil es langsam schon anstrengend war. Nach Runde 52 wieder auf der Piste ist irgendwas angeflutet in meinen Beinen und ich bin doch noch mal vier Runden durchgeballert. Dann wieder kurze Pause und auf zum Endspurt, die letzten zwei Runden, wobei ich mit etlichen anderen die letzten 15 Minuten vor der Zielgerade rumgelungert bin, um eben um 12:01 Uhr unterm Ziel durchzufahren und nicht schon vor 12:00 Uhr.
Auf eine Ehrenrunde hatten wir offensichtlich alle keine Lust mehr (ich habe zum Glück noch rechtzeitig gesteckt bekommen, dass man, wenn man vor Zielschluss über die Linie fährt, noch ne Runde fahren muss oder fahren darf, je nach Perspektive.
Meine Bilanz: es war mega. Grenzen austesten und - verschieben. Ob das für mich als offensichtlichem Sportjunkie nun eine Dosissteigerung ist oder eine Erweiterung des Drug-Spectrums- I don’t know. Auf jeden Fall ist es ein thrill, den ich nach 10 Langdistanzen dort so nicht mehr habe.
Was ist härter, Ironman oder 24 Stunden-Radrennen? Keine Ahnung, beides ist unterschiedlich hart. Ironman ist nach spätestens nach elfeinhalb Stunden vorbei. Trotzdem ist so ein Marathon hintenraus ja schon auch eine Challenge. Selbst als erfahrene und starke Läuferin finde ich den Marathon hintenraus immer durchaus fordernd. Aber gut, ich habe auf der Laufstrecke auch immer einiges wieder gutzumachen, was ich im Wasser so verkackt habe.
Mental gut durchzuhalten, dabei halfen mir auf jeden Fall die unzähligen grauenhaften Dienste damals noch in der Klinik als Gynäkologin. Wenn man morgens um halb drei schon 14 Stunden härtester Arbeit auf der Uhr hatte und noch 10 Stunden vor sich; gleichzeitig mehrere Brände im Kreißsaal zu löschen waren und man eigentlich kurz auf dem Klo ein Nickerchen machen wollte und dabei vor Erschöpfung heulen. Mit dieser Erfahrung im Gepäck waren die 24 Stunden zu keinem Zeitpunkt eine mentale Grenzerfahrung.
Facts and stats:
24 Stunden Gesamtdauer, logisch bei einem 24 Std. Rennen
Zeit in Bewegung: 21 Std und 29 Minuten. Pausenzeit demnach zweieinhalb Stunden.
58 Runden oder 626 km
Durchschnittstempo 29.1 km/h
Durchschnittliche Wattzahl 101 Watt, das ist bei mir 2 Watt pro Kilo, NP 114.
Temperaturen: Tagsüber bis 36 Grad in der Sonne, nachts 11 Grad.
Garminstatus: Erholung, niedrige Belastung. Die ham echt den Arsch offen.
Gegessen habe ich ausschließlich Maurten-Riegel und Ministry of Nutrition-Riegel sowie trocken Brot. Und ein paar Bananen. Auf die von mir mitgebrachten Aufgieß-Süppchen oder Porridge-Zeugs hatte ich einfach keine Lust.
Insgesamt waren es über die Gesamtzeit eineinhalb Maurten Riegel und einen so nen komischen salzigen Haferriegel aus der Biocompany mit italienischen Kräutern und Oliven (hatte ich mal gekauft und nie probiert; schmeckt total strange, ging aber am Ende gut runter). Dann jeweils ein MoN Protein Bar, Intensity Bar und Porridge Bar (ersterer schmeckte super zum Kaffee), einer von den Riegeln, die da so gereicht wurden und etliche Brotscheiben und Banane.
Auch wenn es immer heisst, man soll mindestens einmal „richtig“ essen: ich habe das alles wieder mit nach Hause gebracht und auch zig Riegel und Gels sind wieder mit mir nach Hause gefahren.
Wahrscheinlich habe ich den Grossteil der Energie aus 100 Litern Vita Cola gezogen; natürlich wird am Lausitzring eine Thüringer Marke gereicht und die Mädels in der Fahrerlounge haben mir nach meinem ersten Besuch am Stand immer direkt eine Flasche gereicht und gar nicht erst mit Pappbechern angefangen. Immer wieder auch Iso zwischendurch aus Vernunft und am Ende ist mein Nicht-Konzept wieder mal wie so oft sehr gut aufgegangen.
Support in der Box - ja, wäre bestimmt auch nice gewesen und mein Mann hatte mir das auch förmlich aufgedrängt. Ich glaube aber, dass es für ihn ziemlich öde 24 Stunden gewesen wären und das ganze ging auch so super gut.
Rad am Ring ist auf jeden Fall auf der Liste. Mein Mann hat gerade zwei Feldbetten bestellt