Als es um religiöse/spirituelle o.ä. Vorstellungen ging, meine ich, hättest du härtere Maßstäbe angelegt als "Nachvollziehbarkeit", die ja nun individuell beliebig ausfallen kann.
Bei einer fiktiven Wirklichkeit, etwa einer Romanfigur, reicht es, wenn sie plausibel agiert. Bei einer faktischen Wirklichkeit reicht Plausibilität allein nicht aus. Nicht alles, was plausibel wäre, ist auch zutreffend.
Ich möchte hier keinen Streit anfangen, doch ich fürchte, die wenigsten Christen finden die christlichen Mythen plausibel. Du beispielsweise findest den Mythos unplausibel, die eigenen ungezogenen Kinder zu steinigen und für Feindesliebe zu plädieren. Falls ich Dich richtig verstanden habe.
Das habe ich nicht gesagt und nicht gemeint. Vorstellungen wie zum Beispiel die Idee von der Gleichheit aller Menschen haben keine Allgemeingültigkeit. Sie anzuerkennen ist lediglich eine Verabredung unter den Menschen: Wir tun so, als wären wir alle gleich und gewähren uns daher die gleichen Rechte. Wir können uns über diese Verabredung hinaus nicht auf Tatsachen berufen.
Gut, also quasi "erfunden" und dann "gemeinsam beschlossen".
Zitat:
Zitat von Klugschnacker
Jede Moral muss sich rechtfertigen. Ganz gleich, ob sie von den Gesetzen oder von Predigern kommt. Einfach deshalb, weil moralische Systeme gegen den Widerstand Andersdenkender durchgesetzt werden. Wer sich nicht an die Gesetze hält, bekommt eine Strafe.
Wie rechtfertigst du dann moralische Vorstellungen allgemein ?
Machtverhältnisse und Funktionalität mögen zur Fest- und Durchsetzung von Gesetzen taugen, moralische Werte/Vorstellungen scheinen mir höheren Ansprüchen genügen zu müssen, um tatsächlich als solche anerkannt zu sein.
Bei einer fiktiven Wirklichkeit, etwa einer Romanfigur, reicht es, wenn sie plausibel agiert. Bei einer faktischen Wirklichkeit reicht Plausibilität allein nicht aus. Nicht alles, was plausibel wäre, ist auch zutreffend.
Wirklichkeit und Wahrheit schien mir aus deinen früheren Beiträgen doch ein wichtiges oder zentrales Thema für dich zu sein.
Vielleicht willst du dich bei Gelegenheit nochmal etwas eingehender mit den unterschiedlichen Aspekten des Wahrheitsbegriffs auseinandersetzen.
Die wiederholt präsentierte Unterteilung in "literarische" und "physikalische" Wahrheit scheint mir doch etwas dünn ...
Zitat:
Du beispielsweise findest den Mythos unplausibel, die eigenen ungezogenen Kinder zu steinigen und für Feindesliebe zu plädieren. Falls ich Dich richtig verstanden habe.
Etwas schwierig zu verstehen, was genau du hier meinst ...
Ganz allgemein, wie schon oft gesagt, interessiere ich mich für Sichtweisen anderer Menschen und hinterfrage diese gegebenenfalls auf Konsistenz.
Wie rechtfertigst du dann moralische Vorstellungen allgemein ?
Machtverhältnisse und Funktionalität mögen zur Fest- und Durchsetzung von Gesetzen taugen, moralische Werte/Vorstellungen scheinen mir höheren Ansprüchen genügen zu müssen, um tatsächlich als solche anerkannt zu sein.
Teils, teils. Teilweise spiegeln die moralischen Normen die Macht- und Produktionsverhältnisse wider. Nimm als Beispiel die Stellung der Frau in der Gesellschaft und die moralischen Überzeugungen, die sich daran knüpfen. Das ist stark im Wandel und hat beispielsweise mit der Industrialisierung zu tun. qbz schreibt gelegentlich sehr spannend darüber.
Teilweise sind es biologische Faktoren, die auf unser System moralischer Werte Einfluss nehmen. Beispielsweise wird häufig die sexuelle Untreue von Männern anders bewertet als die von Frauen. Ein Mann kann, im Unterschied zur Frau, nicht sicher wissen, ob das Kind, das er aufzieht, von ihm selbst stammt. Entsprechend sanktionieren patriarchalische Gesellschaften die sexuelle Untreue von Frauen sehr stark, vor allem durch soziale Ächtung, aber auch durch Kontrolle wie Verschleierung und Einschränkung der Bewegungsfreiheit. Der Ehe wird eine Verlobungszeit vorgelagert und vorehelicher Sex tabuisiert. Das ist jetzt nur ein kurz skizziertes Beispiel.
Ich möchte damit ausdrücken, dass es für die Herausbildung moralischer Normen viele sachliche Ursachen gibt. Im Gegensatz zur oft behaupteten Willkür.
Moralische Bewertungen sind teilweise auch angeboren, mit anderen Worten, sie haben sich in der Evolution herausgebildet. Wir haben eine angeborene Bereitschaft zur Kooperation und damit die angeborene Fähigkeit, unsere Mitmenschen zumindest rudimentär gerecht zu behandeln.
Moralische Systeme sind nicht vom Himmel gefallen, sondern haben sich über Millionen von Jahren entwickelt. Dass wir beispielsweise einerseits mit unseren Nächsten eng kooperieren, andererseits jedoch auch aggressive Verhaltensweisen haben, ist das Ergebnis einer langen biologischen und kulturellen Entwicklung.
Was sich überall auf der Welt an ethischen Normen herausgebildet hat, ist alles andere als unbegründet. Über diese Gründe (Ursachen) kann die Wissenschaft viel sagen. Es stimmt daher in meinen Augen nicht, dass Moral und ethische Normen unbegründet seien und nur von außen, etwa durch Götter, festgesetzt werden können.
Das ist ein ganz interessanter Punkt, in meinen Augen aber nicht wirklich ausgereift oder stimmig.
Aspekte der Entwicklungsgeschichte zu kennen oder zu verstehen ist doch etwas anderes als tatsächliche "Ursachen" zu kennen.
Ferner lese ich aus diesen Zeilen, "was sich über lange Zeit entwickelt und etabliert ist nicht mehr unbegründet". Naja ...
Wie siehst du dies zum Beispiel in Hinblick auf ethische Normen zur Sexualität, nimm "Homosexualität". Was sich diesbezüglich über lange Zeit als ethische Norm herausgebildet hat, gilt ja mittlerweile auch als "unbegründet" und "falsch" ...
Den interessanten Punkt in deinen Zeilen finde ich die Frage nach tatsächlichen Ursachen, die die Herausbildung bestimmter Phänomene im Laufe der Zeit quasi in einer bestimmten Art erzwingen, letztere somit in gewisser Weise schon immer vorhanden waren, wenn man will in Form ihrer Keime ...
Wirklichkeit und Wahrheit schien mir aus deinen früheren Beiträgen doch ein wichtiges oder zentrales Thema für dich zu sein. Vielleicht willst du dich bei Gelegenheit nochmal etwas eingehender mit den unterschiedlichen Aspekten des Wahrheitsbegriffs auseinandersetzen. Die wiederholt präsentierte Unterteilung in "literarische" und "physikalische" Wahrheit scheint mir doch etwas dünn ...
Ich habe mich öfters zum literarischen Wahrheitsbegriff geäußert, weil es der bei religiösen Mythen passende Wahrheitsbegriff ist. Oder denkst Du, Mohammed sei wirklich mit einem geflügelten Pferd von einer Stadt in die nächste geflogen? Er ist im genau gleichen Sinn darauf unterwegs gewesen, wie Ntschotschi die Schwester von Winnetou war.
Wenn Du den physikalischen Wahrheitsbegriff angreifen willst: nur zu! Ich werde interessiert mitlesen. Dem Wahrheitsgehalt religiöser Mythen kommst Du damit jedoch nicht näher.
Mit anderen Worten: Selbst wenn Dir der Nachweis gelänge, dass alle Naturwissenschaft falsch ist, bist Du damit dem eigentlich zu führenden Beweis, dass es den christlichen Gott gibt, kein Stück näher gekommen.
Wie hältst du es mit der Wissenschaft Philosophie ?
In deren Teilgebiet der Ethik, in dem wir uns gerade hier bewegen, scheint man sich beliebig Grundsätz zueigen und auch allgemein machen zu dürfen, wohingegen seinerzeit in einem anderen ihrer Teilbereiche, der Ontologie, hier gleich die Disziplin als solche infrage gestellt wurde, wenn sie nicht durch die Physik ersetzt werden konnte ...
Die Philosophien bestehen halt aus sehr abstrakten Denksystemen über den Sinn des Lebens, (und sind keine empirische Wissenschaft wie die Naturwissenschaften oder Psychologie) innerhalb derer jeweils die Erkenntnisse gelten. Sie sind Ausdruck der jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnisse und sozialen Klassen.
Wer die Philosophie vom Kopf auf die Füsse stellte, war K. Marx. „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kömmt drauf an, sie zu verändern."
Ich möchte damit ausdrücken, dass es für die Herausbildung moralischer Normen viele sachliche Ursachen gibt. Im Gegensatz zur oft behaupteten Willkür.
Gut, "alles kommt von irgendwas" ...
Ich zielte ursprünglich vielleicht etwas höher ... mir geht es sozusagen um eine fundierte Begründung von Aussagen wie "Handlung A ist gut"/"Handlung B ist schlecht".
Du erklärst mir eher, wie solche Aussagen zustande kommen. Wobei deine diesbezüglichen Ausführungen natürlich erstmal plausibel erscheinen ...