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Zitat von Kurzer85
Laut dem Interview mit der DTU in der TRITIME soll es ja genau das nicht mehr geben...
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In dem Interview in der tritime stehen ein paar sehr vernünftige und nachvollziehbare Dinge drin, die aber der gelebten Praxis im Verband widersprechen.
Drei Beispiele:
1. Häusler und Bügner erwähnen, dass das von der DTU vehement propagierte
Stützpunktsystem nur einen Möglichkeit von vielen ist, im ITU-Leistungssport mitzumischen. Daneben wird das Training
heimatnah bei verbandsfernen Trainern ebenso toleriert wie das
Training in einer der internationalen Trainingsgruppen. Letzteres ist übrigens das Trainings- um nicht zu sagen Lebensmodell aus dem aktuell über 80% der Weltspitze bei Männern und Frauen kommt. Es wird von der DTU toleriert, aber trotz der nachweislich vorhandenen statistischen Erfolgschancen auch nicht besonders unterstützt. Das halte ich fachlich für einen Fehler.
Wenn man sich Athleten wie Jorgensen, Zaferes, Duffy oder die Brownlees ansieht und weiß, wie heimatverbunden und harmoniesuchend diese sind (die drei erstgenannten Damen z.B. haben quasi 24 Stunden am Tag in jedem Trainingslager, bei jedem Wettkampf, bei jeder Einheit ihre Partner bei sich), dann muss man es für sehr unwahrscheinlich halten, dass diese Weltklasseathleten sich in einem Verbandsstützpunkt weg von zuhause auch nur annähernd ähnlich sportlich entwickelt hätten.
In der Praxis bekommt man in Deutschland, wenn man sich
gegen das Leben an einem der sehr wenigen Stützpunkt entscheidet, nichtmal den Schwimmbadeintritt erstattet, geschweige denn eine Unterstützung bei den Lebenshaltungskosten, so dass gerade junge leistungswillige aber eben noch nicht etablierte Athleten, die noch nicht Preisgelder oder Sponsorengelder in nennenswerter Höhe erwirtschaften, kaum eine Wahlmöglichkeit haben, wenn nicht die Eltern bereit sind, hier finanziell in die Bresche zu springen.
2. Thema
duale Karriere. Das wird sowohl von DOSB als auch von der DTU immer als schillernder, positiver Begriff genannt. Hochleistungssport und gleichzeitig unterstützt vom Verband eine vernünftige Berufsausbildung oder akademische Ausbildung durchlaufen.
In der Realität gibt es die duale Karriere im Triathlon nur, wenn man als Sportsoldat Karriere bei der Bundeswehr machen will (also einen der Berufe ergreifen will, die die Bundeswehr anbietet; Studiengänge, die die Bundeswehr ja auch anbietet oder auch unterstützt sind nicht neben dem Leistungssport vorgesehen, da zu zeitintensiv) oder ein reines Fernstudium absolvieren will.
Ein langjähriger Konkurrent meines Sohnes ist letztes Jahr extra nach Potsdam gezogen, um dort in der sehr starken Trainingsgruppe am Bundesstützpunkt mitzutrainieren und daneben aber ein reguläres Studium dort mit entsprechenden Pflichtvorlesungen und Seminaren zu absolvieren, was automatisch bedeutet, dass das Stützpunkttraining nur teilweise mitgemacht werden kann. Ihm wurde unmissverständlich mitgeteilt, dass er entweder das Stützpunkttraining zu hundert Prozent mitgehen kann (was inkompatibel zu einem Regelstudiengang wäre) oder eben ganz aus der Trainingsgruppe draußen bleiben muss. Überflüssig zu erwähnen, dass der langjährige D-Kader-Athlet ziemlich verzweifelt ist und jetzt nach Lösungen sucht, zu studieren und trotzdem noch Leistungssport zu betreiben.
Es sind solche Situationen, in denen man sich einen Verband wünscht, der nicht nur fordert, sondern eben auch fördert und dabei eben indivduelle Lebensentwürfe respektiert.
3. Beispiel
Olympia in Rio. Laut den Aussagen im Interview kam die DTU bei der Analyse der beiden Olympischen Rennen in Rio zu dem Schluss, dass man im Vorfeld der Rioplanung das
Schwimmen unterschätzt und die Laufleistung überschätzt habe und wohl auch deshalb die aktuelle Weltcupschwimmnorm so hoch angesetzt ist.
Da habe ich mich beim Lesen gefragt, ob die DTU ein anderes Rennen in Rio gesehen und analysiert hat als ich es daheim vor dem Bildschirm erlebt und gesehen habe.
Es ist zwar richtig, dass z.B. Anne Haug das Rennen mit ihrer desaströsen Schwimmleistung in der Auftaktdisziplin verloren hat, aber die zweite DTU-Starterin Lindemann hat das Rennen doch unzweifelhaft beim Radfahren verloren (was ja, da sie noch so jung ist und ihre Zukunft vor sich hat auch nicht weiterv schlimm ist), da sie zeitgleich mit der späteren Silbermedaillengewinnerin Sprig aus dem Wasser gekommen war, aber am ersten Berg den Anschluss an die Spitze verloren hatte und in die Verfolgergruppe zurückfiel.
Noch deutlicher wurde die Gewichtung der Radleistung am nächsten Tag beim olympischen Männerrennen: dort kamen fast alle Top-Männer (30 Männer innerhalb von weniger als 20s nach dem Schwimmen) ziemlich geschlossen an den ersten steilen Berg und nach dem kraftraubenden Anstieg gab es nur noch eine ca. 8-Mann-Gruppe (mit beiden Brownlees), die ab da ihren Vorsprung im weiteren Radteil kontinuierlich ausbaute und die Medaillen schließlich untereinander beim Laufen verteilte.
Trotzdem wird in dem Interview nochmal beteuert, dass sich der reine Schwimm-Lauf-Test der DTU seit Jahrzehnten bewährt hat und im Prinzip nicht geändert werden muss.
Einen Absatz später schreibt dann Leistungssportdirektor Bügner so ungefähr das Gegenteil, von dem was der Viezepräsident Leistungssport Häußlein (den ich im übrigen menschlich sehr schätze und für den zweifellos Triathlon auch eine Herzensangelegenheit ist) zuvor geäußert hat, dass man angeblich durchaus in der DTU erkannt habe, dass Radfahren wichtiger geworden sei, nur noch keine Möglichkeit gefunden habe, wie man das künstlich in einem Test abprüfen könne...
Da bleibt man dann beim Lesen etwas verwirrt zurück und weiß nicht, wie man das Ganze einordnen soll.