Zitat:
Zitat von Flow
Das Motiv des "unschuldigen Kindes als Erlöser", ist dies ein originär christliches oder existiert es schon länger ?
|
Das Motiv ist älter als das Christentum des neuen Testaments. Im Zusammenhang mit dem Glaube an Jesus aus Nazareth als dem Messias ist vor allem der Mithras-Kult relevant. Wir hatten ihn hier gelegentlich thematisiert. Hier die wichtigsten Besonderheiten des Mithras Kultes:
• Mithras wurde am 25. Dezember geboren...
• ... als Kind einer Jungfrau
• Nach seiner Geburt wurde er von Hirten angebetet, die ihm Opfergaben darbrachten
• Später fuhr Mithras wieder zum Himmel auf, wo er Teil einer Dreifaltigkeit wurde
• Man glaubte, dass er einst wiederkehren würde, um die Toten zu erwecken und zu richten
• Mithras war Mittler zwischen Himmel und Erde, Gott und Menschen
• Mithras war eine Sonnengottheit, darum haben wir heute einen "Sonntag"
• Der Mithras-Kult kannte sieben Sakramente, z.B. eine Taufe, eine Firmung, ein gemeinsames Kultmahl, das aus Brot und Wein bestand
• Die Seelen sind unsterblich
Der Mithras-Kult kam ursprünglich aus dem indischen und persischen Raum. Über Griechenland erreichte er ca. 100 v. Chr. schließlich die Stadt des Paulus.
Das Christentum geht maßgeblich auf Paulus zurück (und nicht auf Jesus; Paulus hat Jesus nicht gekannt, sondern nur von seiner angeblichen Auferstehung gehört). Viele Motive des Mithras-Kultes wurden von Paulus in das junge Urchristentum eingearbeitet, im Widerstand der Urchristen, die Jesus teilweise noch persönlich gekannt hatten. Doch Paulus konnte sich mit seinen Darstellungen der Jesus-Geschichte durchsetzen. Auch gegen Petrus, der entschieden anderer Meinung war.
Jedoch konnte sich auch die Paulus-Version nicht auf Dauer halten. Es setzte sich im Konzil von Nicäa eine dritte Version durch, die im Widerspruch sowohl der urchristlichen Gemeinde, als auch der Lehre des Paulus stand.
Diese dritte Version bestand darauf, dass Jesus aus Nazareth dem Gott gleichgestellt sei; beide wären also gleich göttlich. Im Unterschied dazu waren sowohl Paulus als auch die Urchristen davon überzeugt, dass Jesus ein Mensch sei. Zwar ein von Gott herausgehobener Mensch, aber eben ein Mensch, und somit Gott untergeordnet (Subordinationslehre). Entsprechend sagt Jesus in der Bibel bei Johannes: "Der Vater ist größer als ich." In den ersten beiden Jahrhunderten nach Christus war das der theologische Mainstream. Erst im vierten Jahrhundert wurde Jesus zu einer vollgültigen Gottheit erklärt. – Für Jesus und seine Jünger, die allesamt Juden waren, ausschließlich zu Juden sprachen und nichts als Juden sein wollten, wäre das eine schlimme Gotteslästerung gewesen, denn der jüdische Glaube ist streng monotheistisch.
Das wäre im groben Abriss die Geschichte, wie aus Jesus aus Nazareth der Erlöser geworden ist, der bereits als Kind göttlich ist. Es ist eine allmählich gewachsene Geschichte:
In den ersten Jahrhunderten war man der Überzeugung, dass Jesus kein Gott war. Später entwickelte sich sein Gott-Sein in Stufen: Erst hieß es, göttlich wurde er erst nach seinem Tod durch die Auferstehung. Später war man davon überzeugt, er sei bereits bei seiner Taufe (durch Johannes den Täufer) göttlich geworden. Noch später hielt man ihn bereits als Kind für göttlich. Am neuesten ist die Version, er sei bereits im Alten Testament als Messias vorausgesagt worden und demnach als Gottheit bereits präexistent, was theologisch etwas anderes bedeutet als "nicht existent".