Warum muss ich erst aktiv werden, um aus der Kirche auszutreten? Das kann doch nicht sein. Will man einem Verein beitreten, muss man doch auch immer erst selbst aktiv werden und sich kümmern. Nicht so bei der Kirche. Da muss ich aktiv werden, um da raus zu kommen.
Eine Zwangsmitgliedschaft qua Geburt ist mir nicht bekannt.
Zumindestens ist es notwendig, sich auf einen gemeinsamen (kleinen) Nenner zu einigen. Das ist deshalb notwendig, weil sonst jedes Individuum seinen eigenen Wahrheitsbegriff definiert. Das stelle ich mir in der Praxis dann ziemlich chaotisch vor.
Warum ist das notwendig?
Wir gehen gemeinsam in das Buchheim Museum in Bernried. Mir gefällt das expressionistische Bild außerordentlich. Meine Frau findet es abstoßend. Du findest es belanglos. Was ist wahr?
Neben der Ästhetik (Architektur, Kunst, ...) gibt es noch viele andere Gebiete auf denen ein gemeinsamer Wahrheitsbegriff nicht so einfach ist: Wahre Liebe? Eine gut funktionierende Gruppe? Ein profitabeles Unternehmen? ...
Warum sollte in einer religiösen Perspektive nur der naturwissenschaftliche Wahrheitsanspruch gelten dürfen?
Der „Neue Atheismus“ seit ca. 2005 weist nicht nur auf die Unsinnigkeit dieser „Argumentation“ hin, sondern nimmt sich die Freiheit, derlei Unsinn mit Spott zu belegen. Das wird von den Gläubigen häufig kritisiert, aber ich finde, dieser Spott ist angebracht.
Spott: Äußerungen und Handlungen, mit denen man sich über jmdn. lustig macht und dabei seine Gefühle verletzt (Duden).
Warum braucht es das? Warum braucht es das vorsätzliche Verletzen der Gefühle anderer? Insbesondere, wenn diese "neuen Atheisten" sich angesichts der naturwissenschaftlichen Faktenlage in einer offenbar selbstgewissen Position der Stärke befinden?
Vielleicht hilft in der Diskussion auch einmal das Einnehmen einer systemischen Perspektive und hier die funktionale Methode weiter.
Im Kern besteht die funktionale Methode darin, allem, was in einer Gesellschaft wiederholt auftritt (bestimmte Praktiken), zu unterstellen, dass es einen Beitrag zum Überleben des Systems leistet. Und Religion (oder Esoterik) taucht nun mal in vielen Gesellschaften seit Jahrtausenden auf. Ohne Wertung fragt man sich:
"Welches ist das Problem, für das Religion offenbar eine "Lösung" ist?"
Oder konkreter:
"Wofür ist es gut, dass Menschen gemeinsam an Dasselbe glauben?"
"Wofür ist es gut, dass Menschen entlang von bestimmten Regeln zusammenkommen?“
„Wofür ist es gut, dass Menschen jemanden haben, dem sie etwas beichten können?“
...
Der positive Effekt der funktionalen Methode besteht darin, dort Lösungen zu vermuten, wo andere nur Probleme (oder Widersprüche und Fehler) sehen. Grade in Zeiten in denen schnell mit eindeutigen Bewertungen hantiert wird, die der Komplexität der Wirklichkeit allerdings selten gerecht wird, zeigt sich so die Funktionalität vermeintlich veralteter Praktiken.
Das bedeutet nicht gleichzeitig, dass diese Praktiken, optimal, widerspruchsfrei oder ohne Fehler sind. Aber gerade im Falle der Religion (Esoterik) sehen wir, dass es sehr wohl produktive Funktionen geben muss, sonst wären diese Praktiken längst ausgestorben.
Das bedeutet ebenso nicht gleichzeitig, dass nur die Religion (Esoterik) die entsprechenden Funktionalitäten produziert, sondern dass es sehr wohl andere, besser geeignete Praktiken geben kann.
Wer also gegen Religion (Esoterik) spricht, sie gar abschaffen möchte, sollte immer auch die Herausforderung mit thematisieren, wie die bislang mitgelieferten positiven Funktionen der Religion (Esoterik) mit abgedeckt werden können. Der Appell auf der Suche nach einem funktionalen Äquivalent der Religion (Esoterik) lautet demnach: „Macht Euch auf die Suche nach einer Praktik, die die Funktionalitäten der Religion besser erfüllen kann!“
Warum braucht es das vorsätzliche Verletzen der Gefühle anderer?
Sofern ein 1968 erschienenes Buch Gefühle haben sollte, kann es gerne bei mir anrufen und sich beschweren.
Es liegt mir fern, die Gefühle einzelner Privatpersonen zu verletzten. Papst Ratzinger ist keine Privatperson, sondern einer der mächtigsten und einflussreichsten Personen der Welt. Er kann meinen Spott ertragen, und er kann sich angemessen zur Wehr setzen. Ich muss ihn nicht schonen, und er braucht auch keine Schonung.
Wer behauptet, Jungfräulichkeit wäre dadurch bewiesen, dass darüber geredet würde, verdient Spott.
Im Kern besteht die funktionale Methode darin, allem, was in einer Gesellschaft wiederholt auftritt (bestimmte Praktiken), zu unterstellen, dass es einen Beitrag zum Überleben des Systems leistet. Und Religion (oder Esoterik) taucht nun mal in vielen Gesellschaften seit Jahrtausenden auf. Ohne Wertung fragt man sich:
Kriege ziehen sich durch die komplette Menschheitsgeschichte.
Die Idee Kriege zumindest sehr stark einzuengen, ist also nach dieser Methode sinnlos. Denn Kriege haben ja einen offensichtlich postive Wirkung auf das Überleben der Gesellschaft, sonst gäbe es sie nicht. QED.
Können wir lassen, wir stecken lieber 10% des Bip in die Rüstung.
Aber gerade im Falle der Religion (Esoterik) sehen wir, dass es sehr wohl produktive Funktionen geben muss, sonst wären diese Praktiken längst ausgestorben.
Hallo beef, Deine Idee und Dein Posting fand ich sehr interessant. Dein Gedanke besteht in Kern darin, dass Religion für die Menschen eine nützliche/produktive Funktion gehabt haben muss, sonst wäre die Religion längst verschwunden.
Ich möchte das nicht rundweg abstreiten, aber dennoch die Möglichkeit skizzieren, dass es auch andere Erklärungen geben könnte.
In jeder Gesellschaft gab es zu jeder Zeit auch Diebstahl. Ist der Diebstahl daher nützlich für die Gesellschaft? Oder nur für den Dieb? Und hat sich diese Tätigkeit allein deswegen erhalten?
Was ist mit folgendem Schema: „Wo es ein paar Dumme gibt, die man ausnutzen kann, wird sich immer jemand finden, der es tut“. Das ist provokant formuliert. Aber ist es falsch? Wäre das nicht eine überzeugende Erklärung dafür, dass die Religiosität der Menschen offenbar in jenen Ländern am höchsten ist, in denen der Bildungsgrad am geringsten ist? Es könnte ja auch genau andersherum sein. Ist es aber nicht.
Warum ist jede Religion gleichzeitig auch wirtschaftlich immens vorteilhaft für den, der sie verkündet? Warum erkennt man selbst per Satellitenfoto in jeder Stadt die religiösen Zentren daran, dass es die größten und prächtigsten Paläste sind? Ist das wirklich ein Zeichen dafür, dass es für den einzelnen Untertan nützlich ist? Müssten dann nicht vielmehr die Häuser der einzelnen Bürger besonders prächtig sein? Oder haben wir hier ein typisches Anzeichen für ein ausbeuterisches und auf den eigenen Vorteil ausgerichtetes System?
Man hört oft, dass die Religion Ängste nimmt. Aber hat sie diese Ängste nicht zuvor selbst geschürt? Gerade im Falle des Christentums mit seinem Glauben an Hölle und Gericht? Diese Idee ist erst ca. 4000 Jahre alt und hat ihre ersten Ursprünge in Ägypten. Was war in der Zeit davor? Wenn es davor die Idee einer Hölle nicht gab, hatten die Menschen wohl auch keine Angst davor.
Ich stimme Dir völlig zu, dass man sich die Bedürfnisse der Menschen anschauen muss, und dass man Wege finden müsste, diese Bedürfnisse auf einer bessere Weise als durch Religion zu befriedigen. Aber in weiten Teilen löst die Religion lediglich Scheinprobleme, also Probleme, die sie selbst erst geschaffen hat. Ich würde also vorschlagen, diese Scheinprobleme nicht zu säkularisieren (d.h. nicht in die Falle zu laufen, einen nicht-religiösen Ersatz dafür zu suchen).
Das bedeutet ebenso nicht gleichzeitig, dass nur die Religion (Esoterik) die entsprechenden Funktionalitäten produziert, sondern dass es sehr wohl andere, besser geeignete Praktiken geben kann.
Genau darum geht es doch hier.
Dass die Religion wirklich was beiträgt, dazu wird ja immer wieder um konkrete Beispiele gefragt, gekommen ist nichts,
Die Naturwissenschaften dagegen haben seit ca.1800 sehr umfassend zu Wohle der Menschen beigetragen, Wohlstand und Gesundheit ernorm gesteigert.
Wo kann die Religion konkret sowas vorweisen.
Was hat Gott konkret zur Überwindung vieler Krankheiten beigetragen und was die Naturwissenschaften?