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sprintblondie28
28.02.2010, 12:06
Energize me with a simple touch
Or with an open heart
Energize me, fire up this flame
That's burning between us

It's not a fantasy
Another mistery
It's just what I can feel
And something I can see
It's like a memory
And in a melody
It's just what we all know
And we all hear

I was blind
I was closed down
Could not feel
Or set it free

Energize me with a simple touch
Or with an open heart
Energize me, fire up this flame
That's burning between us

It lies in everyone
This swalling energy
It's all around us too
Electrifying you
So can't you set it free?
This virtue is the key
Just something we all know
And we are used

I can feel
It's inside me
Open up
Enlighten me

Can you believe in the power that's burning between us?
Would you believe if you open up your mind?

Open up your mind
Energize me with a simple touch
Or with an open heart
Energize me, fire up this flame
That's burning between us
Energize me with a simple smile
Open up your mind
Energize me, fire up this flame
That's burning forever

sprintblondie28
03.03.2010, 22:00
Die Anfänge auskosten

Es ist schön,
dich ein bißchen zu kennen
und deine Telefonnummer
in meinem Kopf zu haben.
Es ist schön,
so etwas wie Liebe
zwischen uns für möglich zu halten,
auch wenn alles unverbindlich ist -
wie zwischen Fremden,
die sich auf der Straße zulächeln.
So ist es ein Abenteuer,
dein Gesicht unauffällig
mit meinem Blick zu streicheln,
wenn du zur Seite siehst -
und mich zu freuen,
wenn deine Augen manchmal
für Sekunden strahlen
und noch schöner werden,
wenn sie in meine schauen.
Ja, es ist schön,
die Anfänge auszukosten
und nicht nach ihrer
Entwicklung zu fragen.

sprintblondie28
03.03.2010, 22:16
Ideales Zusammensein

Nähe ohne Beengung
Geben ohne Erwartung
Zärtlichkeit ohne Absicht
Spiel ohne Kampf
Vertrautheit ohne Ansprüche
Liebe ohne Forderungen
Zauber ohne Ende.



Jaja, die Frühlingsgefühle... ;)

the grip
04.03.2010, 07:35
Zwei dicke Elefanten
Wollten inkognito
Heimwandern. Doch alle Passanten
Erkannten die Elefanten
Als Fluechtlinge aus dem Zoo.

Und wenn sich auch niemand getraute,
Sie anzufassen, ward ihnen doch klar,
Dass man ihre Absicht durchschaute
Und dass nun bald was im Gange war.

Verfolgt von einem grossen Heer
Von Schauvolk und Soldaten
Und Autos, Mob und Feuerwehr
Schwenkten sie links und betraten
Zwei Eingaenge einer Beduerfnisanstalt -
Fuer Herren und fuer Damen -
Und aepfelten. - Schutzleute kamen
Und haben sie niedergeknallt.

Wandergsellin
04.03.2010, 08:52
@the grip :Blumen: :bussi:

the grip
11.03.2010, 07:25
Steine am Meeresstrand

Steine schaumumtollt,
Zornig ausgerollt
Ueber Steine. -
Freiheit, die ich meine,
Gibt es keine.

Stille nun. Entbrandet
Ruht ihr, feucht umsandet,
Unzaehlbar gesellt,
Von der Zeit geschliffen
Oder kampfentstellt. -
Alle von der Welt
Lange rauh begriffen,
Schweigt ihr. - Ihr begreift die Welt.

Wie ich euch sortiere,
Spielerisch verfuehrt:
Fruechte, Goetzen, Tiere,
Wie es Phantasie so legt,
Habt ihr in mir aufgeruehrt,
Was seit Kindheit mich bewegt.

Spitze, truebe, glatte, reine,
Platte, freche, winzig kleine,
Ausgehoehlte, fette Steine,
Plumpe, schiefe, trotzig grosse -

Ja ihr predigt ernst wie froh,
Meistens simpel, oft apart,
Weit umgrenzte, willenlose
Freiheit. - Predigt ebenso
Fromm wie hart.

the grip
18.03.2010, 07:36
Wir wollen uns wieder mal zanken,
Auf etwas hacken wie Raben,
Dass unsre zufriednen Gedanken
Eine Ablenkung haben.

Wir wollen irgendein harmloses Wort
Entstellen,
Dann uns verleumden und zum Tort
Etwas tun; das schlaegt dann Wellen.

Wir wollen dritte aufzuhetzen
Versuchen,
Dann unsere Freundschaft verfluchen,
Einmal sogar ein Messer wetzen,
Dann aber uns - in Blickweite -
Auseinander zusammensetzen,
Um superior jedem weiteren Streite
Auszuweichen;
Mit dem Schwur beiseite:
Uns nimmermehr zu vergleichen.

Dann wollen wir, jeder mit Ungeduld,
Ein paar Naechte schlecht traeumen,
Dann heimlich eine gewisse Schuld
Dem anderen einraeumen,
Dann laecheln, dann seufzen, dann stoehnen,
Dann ploetzlich uns gruendlich bezechen,
Dann von dem vergaenglichen, wunderschoenen
Leben sprechen.

Und dann uns wieder einmal versoehnen.

sprintblondie28
24.03.2010, 08:35
Meine Herren...

heut' ist's mir richtig erst bewusst,
dass ihr schon an der Mutterbrust
als Bübchen hattet's schon recht schwer
als Stammeshalter musstet her.

Herangewachsen dann als Knaben
überhäuft mit Männeraufgaben
Auto waschen, reparieren
Erbnachfolge nicht verlieren.

Als junge Burschen könnt ihr dann
überall so richtig ran
gefordert ist nun euer Mut
das ihr die Richt'ge wählen tut.

Und strotzt ihr dann vor Manneskraft
Euch Kind und Kegel auch noch schafft.
Selbst wenn das Tagwerk schon vollbracht
müsst ihr noch ran so manche Nacht.

Dazu verlangt die Mannesnorm
das ihr wahrt der Würde Form
Gefühle, die Euch auch verletzen
nie Tränen Eure Wang' benetzen.

Seid ihr dann ein weiser Greis
macht euch die Alte auch noch heiß
am Herbst des Lebens noch zu nützen
müsst Enkel, Kinder unterstützen.

Heute seid ihr endlich frei
des Mannes Tugend einerlei
doch kehrt ihr morgens dennoch heim
könnt ohne uns ja nimmer sein!

:Cheese:

TriVet
24.03.2010, 10:42
@sprintblondie:
autorenangabe wäre noch schön, vielen dank.
man könnte es sicher auch googeln, aber angabe wäre imho in mehererlei hinsicht besser.:Blumen:

sprintblondie28
24.03.2010, 11:07
@sprintblondie:
autorenangabe wäre noch schön, vielen dank.
man könnte es sicher auch googeln, aber angabe wäre imho in mehererlei hinsicht besser.:Blumen:

ja, das wäre schön...leider ist der autor unbekannt

the grip
25.03.2010, 07:10
Der Wassertropfen

Ein Wassertropfen fiel vom Himmel;
Es war ein ungezog'ner Luemmel.

Im Grase schlief ein dummer Hase,
Der Tropfen fiel auf seine Nase.

Der Hase dachte sich dabei,
Dass er jetzt totgeschossen sei.

Er sprang in seinem grossen Schreck
Aus seinem sicheren Versteck.

Der Jaegersmann stand an der Strasse
Und schoss ihn wirklich in die Nase.

TriVet
25.03.2010, 11:41
Nachdem ich es ab dem 20.000sten Hit hier auslaufen lassen wollte

Schön, dass Du Dich anders entschieden hast.:Huhu:
Freu mich immer auf den Donnerstag.

sprintblondie28
30.03.2010, 10:43
Vollmond

Wieder mal ist es soweit,
der Vollmond hat heut' seine Zeit.
Groß und rund am Himmelszelt,
schaut er hinunter auf die Welt.

Manchem nimmt er seine Ruh',
deckt ihn mit viel Gedanken zu.
An Schlaf ist auch oft nicht zu denken,
durch's Haus muss man die Schritte lenken.

Ein'ge versetzt er auch in Trance,
auf Dächern halten sie Balance.
Baby's nichts im Bauch mehr hält,
sie dräng'n hinaus, auf diese Welt.

Gewisse Launen sind zu spüren,
sowohl bei Menschen, als bei Tieren.
Liebende geb'n gerne kund:
's ist so romantisch, wenn er rund.

Erstaunlich ist es ohne Frag,
was dieses volle Licht vermag.
Zieht die Geschöpfe magisch an,
treibt alle irgendwie voran.

Wir schauen gern zu ihm hinauf,
doch leider ist's nun mal sein Lauf:
Nur eine Nacht, so Schöpfers Wille,
dann geht er weg, in aller Stille.

-Luna-

the grip
01.04.2010, 07:45
Was Topf und Pfann' erzaehlen kann

Es war zum froehlichen Osterfest;
Vier Eier lagen in einem Nest,
Das eine aus Schokoladeguss
War braun, als wie eine Haselnuss.
Die andern weissen riefen: 'Wie schade!
Ach, waeren wir auch aus Schokolade!'

'Ja', prahlte das braune, 'ihr armen Schlucker,
Ihr seid ja noch nicht einmal aus Zucker!'
Da riefen die andern Eier: 'Juchhei!'
Und schlugen einander die Koepfe entzwei.

Nun kroch aus jedem der Eier ein Kueken,
Nur aus den haselnussbraunen Stuecken
Kam nichts. Die waren ganz hohl und leer;
Da weinten sie nun und schaemten sich sehr!

the grip
08.04.2010, 07:28
Ueberall ist Wunderland.
Ueberall ist Leben.
Bei meiner Tante im Strumpfenband
Wie irgendwo daneben.

the grip
15.04.2010, 07:45
Das Samenkorn

Ein Samenkorn lag auf dem Ruecken,
Die Amsel wollte es zerpicken.

Aus Mitleid hat sie es verschont
Und wurde dafuer reich belohnt.

Das Korn, das auf der Erde lag,
Das wuchs und wuchs von Tag zu Tag.

Jetzt ist es schon ein hoher Baum
Und traegt ein Nest aus weichem Flaum.

Die Amsel hat das Nest erbaut;
Dort sitzt sie nun und zwitschert laut.

the grip
22.04.2010, 09:34
Die Ameisen.

In Hamburg lebten zwei Ameisen,
Die wollten nach Australien reisen.
Bei Altona auf der Chaussee
Da taten ihnen die Beine weh
Und da verzichteten sie weise
Denn auf den letzten Teil der Reise.

So will man oft und kann doch nicht
Und leistet dann recht gern Verzicht.

TriVet
22.04.2010, 16:29
Die Ameisen.

In Hamburg lebten zwei Ameisen,
Die wollten nach Australien reisen.
Bei Altona auf der Chaussee
Da taten ihnen die Beine weh
Und da verzichteten sie weise
Denn auf den letzten Teil der Reise.

So will man oft und kann doch nicht
Und leistet dann recht gern Verzicht.

:Blumen:

the grip
29.04.2010, 08:10
Baer aus dem Kaefig entkommen

Was ist nun jetzt?
Wo sind auf einmal die Stangen,
An denen die wuenschende Nase sich wetzt?
Was soll er nun anfangen?

Er schnuppert neugierig und scheu.
Wie ist das alles vor ihm so weit
Und so wunderschoen neu!
Aber wie schrecklich die Menschheit schreit!

Und er naehert sich geduckt
Einem fremden Gegenstande. -
Ploetzlich waelzt er sich im Sande,
Weil ihn etwas juckt.

Kippt ein Tisch. Genau wie Baum.
Aber eine Peitsche knallt.
Und der Baer flieht seitwaerts, macht dann halt.
Und der Raum um ihn ist schlimmer Traum.

Laesst der Baer sich locken. Doch er bruellt.
Laesst sich treiben, laesst sich fangen.
Angsterfuellt und hasserfuellt
Wuenscht er sich nach seines Kaefigs Stangen.

the grip
06.05.2010, 07:29
Das Parlament

Im Parlament geht's zu.
Was die fuer Schnaebel haben, -
Da sind wir Waisenknaben
Dagegen, ich und du.

Mein Onkel Rolf aus Ruegen,
Der ist einmal hineingewaehlt.
Wenn er recht voll ist und erzaehlt,
Dann merkt man, wie die luegen.

Ich habe selber zugeschaut,
Wie der das Volk vertrat.
Das geht auf keine Kuhhaut.
Man meint, die spielen Skat.

Nur manchmal, wenn der Praesident
Laut laeutet, gibt es Ruhe.
Doch alles, was im Parlament
Geschieht, ist nur Getue.

Sie wollen sich in Wirklichkeit
Nur grosstun und vertagen
Und freun sich auf die Ferienzeit.
Wo wir die Steuern tragen.

Mir geht das ganz daneben.
Ich bin selbst im Gesangverein.
Die wolln halt auch beisammen sein.
Und jeder Mensch will leben.

the grip
13.05.2010, 09:28
Ein Nagel sass in einem Stueck Holz.
Der war auf seine Gattin sehr stolz.
Die trug eine goldene Haube
Und war eine Messingschraube.
Sie war etwas locker und etwas verschraubt,
Sowohl in der Liebe, als auch ueberhaupt.
Sie liebte ein Haekchen und traf sich mit ihm
In einem Astloch. Sie wurden intim.
Kurz, eines Tages entfernten sie sich
Und liessen den armen Nagel im Stich.
Der arme Nagel bog sich vor Schmerz.
Noch niemals hatte sein eisernes Herz
So bittere Leiden gekostet.
bald war er beinah verrostet.
Da aber kehrte sein frueheres Glueck,
Die alte Schraube wieder zurueck.
Sie glaenzte uebers ganze Gesicht.
Ja, alte Liebe, die rostet nicht!

the grip
20.05.2010, 07:45
Die Seifenblase.

Es schwebte eine Seifenblase
Aus einem Fenster auf die Strasse.

'Ach nimm mich mit Dir', bat die Spinne
Und sprang von einer Regenrinne.

Und weil die Spinne gar nicht schwer,
Fuhr sie im Luftschiff ueber's Meer.

Da nahte eine boese Muecke,
Sie stach ins Luftschiff voller Tuecke.

Die Spinne mit dem Luftschiff sank
Ins kalte Wasser und ertrank.

maultäschle
20.05.2010, 09:03
Die Seifenblase.

Es schwebte eine Seifenblase
Aus einem Fenster auf die Strasse.

'Ach nimm mich mit Dir', bat die Spinne
Und sprang von einer Regenrinne.

Und weil die Spinne gar nicht schwer,
Fuhr sie im Luftschiff ueber's Meer.

Da nahte eine boese Muecke,
Sie stach ins Luftschiff voller Tuecke.

Die Spinne mit dem Luftschiff sank
Ins kalte Wasser und ertrank.

Oi.
Hätte sie mal besser Kraulen gelernt :Cheese:
Traurig, aber passend zum Wetter. Danke! :Blumen:

the grip
27.05.2010, 07:48
Kuss.

Auf die Haende kuesst die Achtung,
Freundschaft auf die offne Stirne,
Auf die Wange Wohlgefallen,
Selge Liebe auf den Mund;
Aufs geschlossne Aug die Sehnsucht,
In die hohle Hand Verlangen,
Arm und Nacken die Begierde,
Ueberall sonst hin Raserei.

the grip
06.06.2010, 12:14
Was soll ich nur von eurer Liebe glauben?
Was kriecht ihr immer so in dunkle Lauben?
Wozu das ewge Fluestern und Gemunkel?
Das scheinen hoechst verdaechtige Geschichten.
Und selbst die besten ehelichen Pflichten,
Von allem Tun die schoenste Taetigkeit,
In Tempeln von des Priesters Hand geweiht,
Ihr huellt sie in ein schuldbewusstes Dunkel.

the grip
10.06.2010, 07:45
Idylle.

Im Gras zirpt eine Grille
Im Dorfe bellt ein Hund
Wie ist die Nacht so stille
Leg dich zu mir, Sybille
Und reich mir deinen Mund

Der Wind riecht nach Kamille
Nach Rosen und nach Raps
Leg dich zu mir, Sybille
Dein Mund hat mehr Promille
als scharfer Zwetschgenschnaps.

Streif ab die letzte Huelle
Die dich von mir noch trennt

Ich teil mit dir, Sybille
Des Sommers dunkle Fuelle
Was man so Liebe nennt

Leg dich zu mir, Sybille
Warum bist du so scheu?
Wozu gibt es die Pille?
Im Gras zirpt eine Grille
Leg dich zu mir ins Heu.

So ist es Gottes Wille
Er schuf ja auch das Heu
Er schuf im Gras die Grille
Und mich und dich, Sybille
Und auch die Nacht: Ahoi.

the grip
17.06.2010, 10:43
Sonntagnachmittagserklaerung

Wenn ich dann doch einmal - ich kann's mir
ja eigentlich so recht nicht vorstell'n - wenn ich
dann doch einmal gestorben bin,

dann leg ich mich als dichtes warmes Vlies
(im Sommer wahlweise als Seidentuch)
ganz fest um dich herum. Damit wir
fuer immer beieinander sind.

Ich sag das lieber heute schon, man weiss
ja nie. Jedoch in Wirklichkeit kann ich mir gar
nicht ausmal'n, dass du irgendwann ganz ohne mich
am Fenster sitzt, den Blaettern zusiehst, wie sie
von den Kastanienbaeumen fallen ... Drum

sag ich jetzt bloss: Der Kuchen, den du da gebacken,
der schmeckt wie sonst. Allein fuer dieses kleine Laecheln,
wenn du erst mir, dann dir Kaffee einschenken willst:
fuer dieses kleine Laecheln waere ich noch immer
bereit, mein Leben hinzugeben. Oder
vielleicht auch erst mal meine Tasse.

the grip
24.06.2010, 10:09
Die Jahre kommen und gehen,
Geschlechter steigen ins Grab,
Doch nimmer vergeht die Liebe,
Die ich im Herzen hab.

Nur einmal noch moecht ich dich sehen,
Und sinken vor dir aufs Knie,
Und sterbend zu dir sprechen:
Madame, ich liebe Sie!

maultäschle
24.06.2010, 10:17
:Blumen:

the grip
01.07.2010, 07:48
Der Juni

Die Zeit geht mit der Zeit: Sie fliegt.
Kaum schrieb man sechs Gedichte,
ist schon ein halbes Jahr herum
und fuehlt sich als Geschichte.

Die Kirschen werden reif und rot,
die suessen wie die sauern.
Auf zartes Laub faellt Staub, faellt Staub,
so sehr wir es bedauern.

Aus Gras wird Heu. Aus Obst Kompott.
Aus Herrlichkeit wird Nahrung.
Aus manchem, was das Herz erfuhr,
wird, bestenfalls, Erfahrung.

Es wird und war. Es war und wird.
Aus Kaelbern werden Rinder
und, weil's zur Jahreszeit gehoert,
aus Kuessen kleine Kinder.

Die Voegel fuettern ihre Brut
und singen nur noch selten.
So ist's bestellt in unsrer Welt,
der besten aller Welten.

Spaet tritt der Abend in den Park,
mit Sternen auf der Weste.
Gluehwuermchen ziehn mit Lampions
zu einem Gartenfeste.

Dort wird getrunken und gelacht.
In vorgerueckter Stunde
tanzt dann der Abend mit der Nacht
die kurze Ehrenrunde.

Am letzten Tische streiten sich
ein Heide und ein Frommer,
ob's Wunder oder keine gibt.
Und naechstens wird es Sommer.

the grip
08.07.2010, 07:41
Das letzte Kapitel

Am 12. Juli des Jahres 2003
lief folgender Funkspruch rund um die Erde:
dass ein Bombengeschwader der Luftpolizei
die gesamte Menschheit ausrotten werde.

Die Weltregierung, so wurde erklaert, stelle fest,
dass der Plan, endgueltig Frieden zu stiften,
sich gar nicht anders verwirklichen laesst,
als alle Beteiligten zu vergiften.

Zu fliehen, wurde erklaert, habe keinen Zweck.
Nicht eine Seele duerfe am Leben bleiben.
Das neue Giftgas krieche in jedes Versteck.
Man habe nicht einmal noetig, sich selbst zu entleiben.

Am 13. Juli flogen von Boston eintausend
mit Gas und Bazillen beladene Flugzeuge fort
und vollbrachten, rund um den Globus sausend,
den von der Weltregierung befohlenen Mord.

Die Menschen krochen winselnd unter die Betten.
Sie stuerzten in ihre Keller und in den Wald.
Das Gift hing gelb wie Wolken ueber den Staedten.
Millionen Leichen lagen auf dem Asphalt.

Jeder dachte, er koenne dem Tod entgehen.
Keiner entging dem Tod, und die Welt wurde leer.
Das Gift war ueberall. Es schlich wie auf Zehen.
Es lief die Wuesten entlang. Und es schwamm uebers Meer.

the grip
15.07.2010, 07:36
Der Mensch ist gut

Der Mensch ist gut! Da gibt es nichts zu lachen!
In Lesebuechern schmeckt das wie Kompott.
Der Mensch ist gut. Da kann man gar nichts machen.
Er hat das, wie man hoert, vom lieben Gott.

Einschraenkungshalber spricht man zwar von Kriegen.
Wohl weil der letzte Krieg erst neulich war ...
Doch: liess man denn die Krueppel draussen liegen?
Die Witwen kriegten sogar Honorar!

Der Mensch ist gut! Wenn er noch besser waere,
waer er zu gut fuer die bescheidne Welt.
Auch die Moral hat ihr Gesetz der Schwere:
Der schlechte Kerl kommt hoch - der Gute faellt.

Das ist so, wie es ist, geschickt gemacht.
Gott will es so. Not lehrt bekanntlich beten.
Er hat sich das nicht uebel ausgedacht
und laesst uns um des Himmels Willen treten.

Der Mensch ist gut. Und darum geht's ihm schlecht.
Denn wenn's ihm besser ginge, waer er boese.
Drum betet: 'Herr Direktor, quael uns recht!'
Gott will es so. Und sein System hat Groesse.

Der Mensch ist gut. Drum haut ihm in die Fresse!
Drum seid so gut: und seid so schlecht, wie's geht!
Drueckt Loehne! Zelebriert die Leipziger Messe!
Der Himmel hat fuer sowas immer Interesse. -
Der Mensch bleibt gut, weil ihr den Kram versteht.

the grip
18.07.2010, 14:47
KLEINE SONNTAGSPREDIGT

Jeden Sonntag hat man Kummer
und betraechtlichen Verdruss,
weil man an die Montagsnummer
seiner Zeitung denken muss.

Denn am Sonntag sind bestimmt
zwanzig Morde losgewesen!
Wer sich Zeit zum Lesen nimmt,
muss das montags alles lesen.

Eifersucht und Niedertracht
schweigen fast die ganze Woche.
Aber Sonntag frueh bis nacht
machen sie direkt Epoche.

Sonst hat niemand Zeit dazu,
sich mit sowas zu befassen.
Aber sonntags hat man Ruh,
und man kann sich gehen lassen.

Endlich hat man einmal Zeit,
geht spazieren, steht herum,
sucht mit seiner Gattin Streit
und bringt sie und alle um.

Gibt es wirklich nichts Gescheitres,
als sich, gleich gemeinen Moerdern,
mit den Seinen ohne weitres
in das Garnichts zu befoerdern?

Ach, die meisten Menschen sind
nicht geeignet, nichts zu machen!
Langeweile macht sie blind.
Dann passieren solche Sachen.

Lebten sie im Paradiese,
ohne Pflicht und Ziel und Not,
waer die erste Folge diese:
Alle schluegen alle tot.

the grip
22.07.2010, 07:38
Selbstmord im Familienbad

Hier bist du. Und dort ist die Natur.
Leider ist Verschiedenes dazwischen.
Bis zu dir herueber wagt sich nur
ein Parfuem aus Blasentang und Fischen.

Zwischen deinen Augen und dem Meer,
das sich sehnt, von dir erblickt zu werden,
laufen dauernd Menschen hin und her.
Und ihr Anblick macht dir Herzbeschwerden.

Freigelassne Baeuche und Popos
stehn und liegen kreuz und quer im Sande.
Dicke Tanten senken die Trikots
und sehn aus wie Quallen auf dem Lande.

Wo man hinschaut, wird den Augen schlecht,
und man schliesst sie fest, um nichts zu sehen.
Doch dann sieht man dies und das erst recht.
Man beschliesst, es muesse was geschehen.

Wuetend stuerzt man ueber tausend Leiber,
bis ans Meer, und dann sogar hinein ?
doch auch hier sind dicke Herrn und Weiber.
Fett schwimmt oben. Muss das denn so sein?

Traurig haengt man in den gruenen Wellen,
vor der Nase eine Frau in Blond.
Ach, das Meer hat nirgends freie Stellen,
und das Fett verhuellt den Horizont.

Hier bleibt keine Wahl, als zu ersaufen!
Und man macht sich schwer wie einen Stein.
Langsam laesst man sich voll Wasser laufen.
Auf dem Meeresgrund ist man allein.

Wandergsellin
22.07.2010, 13:41
:Blumen:

the grip
25.07.2010, 10:50
Es laeuten die Glocken

Wenn im Turm die Glocken laeuten,
kann das viererlei bedeuten.
Erstens: dass ein Festtag ist.
Dann: dass du geboren bist.
Drittens: dass dich jemand liebt.
Viertens: dass dich's nicht mehr gibt.
Kurz und gut, das Glockenlaeuten
hat nur wenig zu bedeuten.

the grip
29.07.2010, 07:38
Als Gott am ersten Wochenende
die Welt besah, und siehe, sie war gut,
da rieb er sich vergnuegt die Haende.
Ihn packte eine Art von Uebermut.
Er blickte stolz auf seine Erde
und sah Tuberkeln, Standard Oil und Waffen.
Da kam aus Deutschland die Beschwerde:
'Du hast versaeumt, uns Fuehrer zu erschaffen!'
Gott war bestuerzt. Man kann's verstehn.
'Mein liebes deutsches Vol', schrieb er zurueck,
'es muss halt ohne Fuehrer gehn.
Die Schoepfung ist vorbei. Gruess Gott. Viel Glueck.'
Nun standen wir mit Ohne da,
der Weltgeschichte freundlichst ueberlassen.
Und: Alles, was seitdem geschah,
ist ohne diesen Hinweis nicht zu fassen.

maultäschle
29.07.2010, 07:48
:Lachen2: :Blumen:

the grip
05.08.2010, 07:34
Monolog in der Badewanne

Da liegt man nun, so nackt, wie man nur kann,
hat Seife in den Augen, welche stoert,
und merkt, aufs Haar genau: Man ist ein Mann.
Mit allem, was dazugehoert.

Es scheint, die jungen Maedchen haben recht,
wenn sie - bevor sie die Gewohnheit packt -
der Meinung sind, das maennliche Geschlecht
sei kaum im Hemd ertraeglich. Und gar nackt!

Gluecklicherweise steht's in ihrer Hand,
das, was sie stoert, erfolgreich zu verstecken.
So frueh am Tag, und schon soviel Verstand!
Genug, mein Herr! Es gilt, sich auszustrecken.

Da liegt man, ohne Portemonnaie und Hemd
und hat am ganzen Leibe keine Taschen.
Ganz ohne Anzug wird der Mensch sich fremd ...
Da traeumt man nun, anstatt den Hals zu waschen.

Der nackte Mensch kennt keine Klassenfrage.
Man koennte, falls man Tinte haette, schreiben:
'Ich kuendige. Auf meine alten Tage
will ich in meiner Badewanne bleiben.'

Da klingelt es. Das ist die Morgenzeitung.
Und weil man nicht, was nach dem Tod kommt, kennt,
schreibt man am besten in sein Testament:
'Legt mir ins kuehle Grab Warmwasserleitung!'

the grip
05.08.2010, 07:36
BILDEN SIE MAL EINEN SATZ MIT PERVERS:

Ja meine Reime sind recht teuer:
per Vers bekomm ich tausend Eier.

the grip
12.08.2010, 08:08
Das Gebet keiner Jungfrau

Ich koennte gleich das Telefon ermorden!
Nun hat er, sagt er, wieder keine Zeit.
Ein ganzer Mensch bin ich nur noch zu zweit.
Ach, eine Haelfte ist aus mir geworden.

Ich glaube fast, er will mich manchmal kraenken.
Es schmeichelt ihm vielleicht, dass er es kann?
Wenn ich dann traurig bin, sieht er mich an,
als wuerde ich ihm etwas Huebsches schenken.

Dass er mich lieb hat, ist hoechst unwahrscheinlich.
Ich habe ihn einmal darnach gefragt.
Das war im Bett. Und er hat nichts gesagt.
Er gab mir Kuesse. Denn es war ihm peinlich.

Es waer schon schoener, wenn es schoener waere
und wenn er mich so liebte, wie ich ihn.
Er liebt mich nicht. Obwohl es erst so schien.
Mein Koerper geht bei seinem in die Lehre.

Mama sagt oft, ich moege mich benehmen.
Sie ahnt etwas. Und redet gern von Scham.
Ich wollte alles so, wie alles kam!
Man kann sich doch nicht nur pro forma schaemen.

Er ist schon Dreissig und kennt viele Damen.
Er trifft sie manchmal. Und erinnert sich.
Und eines Tages trifft er dann auch mich.
Und gruesst. Und weiss schon nicht mehr meinen Namen.

Zwei Dutzend Kinder moecht ich von ihm haben.
Da lacht er nur und sagt, ich kriegte keins.
Er weiss Bescheid. Und kaeme wirklich eins,
muesst ich es ja vor der Geburt begraben.

Ich hab ihn lieb und will, dass es so bliebe.
Es bleibt nicht so, und naechstens ist es aus.
Dann weine ich. Und geh nicht aus dem Haus.
Und nehme acht Pfund ab. Das ist die Liebe.

the grip
22.08.2010, 18:46
Die unzufriedene Strassenbahn
Sie hasste die gewohnte Strecke,
sprang aus dem Schienenstrang heraus
und wollte endlich einmal gradeaus,
statt um die Ecke.

Ein Unglueck gab's. Und keine Reise.
Erinnert euch, bis ihr es wisst:
Wenn man als Strassenbahn geboren ist,
dann braucht man Gleise.

the grip
26.08.2010, 07:27
Der dreizehnte Monat

Wie saeh er aus, wenn er sich wuenschen liesse?
Schaltmonat waer? Vielleicht Elfember hiesse?
Wem zwoelf genuegen, dem ist nicht zu helfen.
Wie saeh er aus, der dreizehnte von zwoelfen?

Der Fruehling muesste bluehn in holden Dolden.
Jasmin und Rosen haetten Sommerfest.
Und Aepfel hingen, muerb und rot und golden,
im Herbstgeaest.

Die Tannen traeten unter weissbeschneiten
Kroatenmuetzen aus dem Birkenhain
und kauften auf dem Markt der Jahreszeiten
Maigloeckchen ein.

Adam und Eva laegen in der Wiese.
Und liebten sich in ihrem Veilchenbett,
als ob sie niemand aus dem Paradiese
vertrieben haett.

Das Korn waer gelb. Und blau waeren die Trauben.
Wir traeumten, und die Erde waer der Traum.
Dreizehnter Monat, lass uns an dich glauben!
Die Zeit hat Raum!

Verzeih, dass wir so kuehn sind, dich zu schildern.
Der Schleier weht. Dein Antlitz bleibt verhuellt.
Man macht, wir wissen's, aus zwoelf alten Bildern
kein neues Bild.

Drum schaff dich selbst! Aus unerhoerten Toenen!
Aus Farben, die kein Regenbogen zeigt!
Pluendre den Schatz des ungeschehen Schoenen!
Du schweigst? Er schweigt.

Es tickt die Zeit. Das Jahr dreht sich im Kreise.
Und werden kann nur, was schon immer war.
Geduld, mein Herz. Im Kreise geht die Reise.
Und dem Dezember folgt der Januar.

the grip
02.09.2010, 07:24
Kennst Du das Land, wo die Kanonen bluehn?
Du kennst es nicht? Du wirst es kennenlernen!
Dort stehn die Prokuristen stolz und kuehn
in den Bueros, als waeren es Kasernen.

Dort wachsen unterm Schlips Gefreitenknoepfe.
Und unsichtbare Helme traegt man dort.
Gesichter hat man dort, doch keine Koepfe.
Und wer zu Bett geht, pflanzt sich auch schon fort!

Wenn dort ein Vorgesetzter etwas will
- und es ist sein Beruf etwas zu wollen -
steht der Verstand erst stramm und zweitens still.
Die Augen rechts! Und mit dem Rueckgrat rollen!

Die Kinder kommen dort mit kleinen Sporen
und mit gezognem Scheitel auf die Welt.
Dort wird man nicht als Zivilist geboren.
Dort wird befoerdert, wer die Schnauze haelt.

Kennst Du das Land? Es koennte gluecklich sein.
Es koennte gluecklich sein und gluecklich machen!
Dort gibt es Aecker, Kohle, Stahl und Stein
und Fleiss und Kraft und andre schoene Sachen.

Selbst Geist und Guete gibt's dort dann und wann!
Und wahres Heldentum. Doch nicht bei vielen.
Dort steckt ein Kind in jedem zweiten Mann.
Das will mit Bleisoldaten spielen.

Dort reift die Freiheit nicht. Dort bleibt sie gruen.
Was man auch baut - es werden stets Kasernen.
Kennst Du das Land, wo die Kanonen bluehn?
Du kennst es nicht? Du wirst es kennenlernen!

the grip
09.09.2010, 07:28
Elegie mit Ei

Es ist im Leben haesslich eingerichtet,
dass nach den Fragen Fragezeichen stehn.
Die Dinge fuehlen sich uns keineswegs verpflichtet;
sie laecheln nur, wenn wir voruebergehn.

Wer weiss, fragt Translateur, was Blumen traeumen?
Wer weiss, ob blonde Neger haeufig sind?
Und wozu waechst das Obst auf meterhohen Baeumen?
Und wozu weht der Wind?

Wir wolln der Zukunft nicht ins Fenster gaffen.
Sie liegt mit der Vergangenheit zu Bett.
Die ersten Menschen waren nicht die letzten Affen.
Und wo ein Kopf ist, ist auch meist ein Brett.

Wir werden spaeter jung als unsre Vaeter.
Und das was frueher war, faellt uns zur Last.
Wir sind die kleinen Erben grosser Uebeltaeter.
Sie luden uns bei ihrer Schuld zu Gast.

Sie wollten Streit. Und uns gab man die Pruegel.
Sie spielten gern mit Flinte, Stolz und Messer.
Wir saeen Gras auf Eure Feldherrnhuegel.
Wir werden langsam. Doch wir werden besser!

Wir wollen wieder mal die Tradition begraben.
Sie sass am Fenster. Sie ward uns zu dick.
Wir wollen endlich unsre eigne Aussicht haben
und Platz fuer unsern Blick.

Wir wollen endlich unsre eignen Fehler machen.
Wir sind die Jugend, die an nichts mehr glaubt
und trotzdem Mut zur Arbeit hat. Und Mut zum Lachen.
Kennt Ihr das ueberhaupt?

Beginnt ein Anfang? Stehen wir am Ende?
Wir lachen hunderttausend Raetseln ins Gesicht.
Wir spucken - pfui, Herr Kaestner - in die Haende
und gehn an unsre Pflicht.

the grip
16.09.2010, 07:41
Die Welt ist rund. Denn dazu ist sie da.
Ein Vorn und Hinten gibt es nicht.
Und wer die Welt von hinten sah,
der sah ihr ins Gesicht!

Zwar gibt es Traum und Mondenschein
und irgendwo auch eine kleine Stadt.
Das ist nicht anders. Denn das muss so sein.
Und wenn du tot bist, wirst du davon satt.

Mensch, werde rund, Direktor und borniert.
Trag sonntags Frack und Esse.
Und wenn dich wer nicht respektiert,
dann hau ihm in die Fresse.

Sei dumm. Doch sei es mit Verstand.
Je duemmer, desto klueger.
Tritt morgen in den Schutzverband.
Duz dich mit Schulz und Krueger.

Nimm ihre Frauen oft zum Uebernachten.
Das ist so ueblich. Und heisst Freiverkehr.
Es lohnt sich nicht, die Menschen zu verachten.
Und weil die Welt bewohnt wird, ist sie leer.

Es gibt im Sueden Gaerten mit Zypressen.
Wer keine Lunge hat, wird dort gesund.
Wer nichts verdient, der braucht auch nicht zu essen.
Normale Kinder wiegen neu acht Pfund.

Du darfst dich nicht zu oft bewegen lassen, den andern Menschen ins Gesicht zu spein.
Meist lohnt es nicht, sich damit zu befassen.
Sie sind nicht boese. Sie sind nur gemein.

Ja, wenn die Welt vielleicht quadratisch waer!
Und alle Dummen fielen ins Klosett!
Dann gaeb es keine Menschen mehr.
Dann waer das Leben nett.

Wie dann die Amseln und die Veilchen lachten!
Die Welt bleibt rund. Und du bleibst ein Idiot.
Es lohnt sich nicht, die Menschen zu verachten.
Nimm einen Strick. Und schiess dich damit tot.

the grip
23.09.2010, 07:44
Wieso warum?

Warum sind tausend Kilo eine Tonne?
Warum ist dreimal Drei nicht Sieben?
Warum dreht sich die Erde um die Sonne?
Warum heisst Erna Erna statt Yvonne?
Und warum hat das Luder nicht geschrieben?
Warum ist Professoren alles klar?
Warum ist schwarzer Schlips zum Frack verboten?
Warum erfaehrt man nie, wie alles war?
Warum bleibt Gott grundsaetzlich unsichtbar?
Und warum reissen alte Herren Zoten?
Warum darf man sein Geld nicht selber machen?
Warum bringt man sich nicht zuweilen um?
Warum traegt man im Winter Wintersachen?
Warum darf man, wenn jemand stirbt, nicht lachen?
Und warum fragt der Mensch bei jedem Quark: Warum?

the grip
30.09.2010, 07:24
Auf einer kleinen Bank vor einer grossen Bank

Worauf mag die Gabe des Fleisses,
die der Deutsche besitzt, beruhn?
Deutsch sein heisst (der Deutsche weiss es)
Dinge um ihrer selbst willen tun.

Wenn er spart, dann nicht deswegen,
dass er spaeter davon was hat.
Nein, ach nein! Geld hinterlegen
findet ohne Absicht statt.

Uns erfreut das blosse Sparen.
Geld persoenlich macht nicht froh.
Regelmaessig nach paar Jahren
klaut ihr's uns ja sowieso.

Nehmt denn hin, was wir ersparten!
Und verludert's dann und wann!
Und erfindet noch paar Arten,
wie man pleite gehen kann!

Wieder ist es euch gelungen.
Wieder sind wir auf dem Hund.
Unser Geld hat ausgerungen.
Ihr seid hoffentlich gesund.

Heiter stehn wir vor den Banken.
Armut ist der Muehe Lohn.
Bitte, bitte, nichts zu danken!
Keine Angst, wir gehen schon.

Und empfindet keine Reue!
Leider wurdet ihr ertappt.
Doch wir halten euch die Treue.
Und dann sparen wir aufs neue,
bis es wieder mal so klappt.

the grip
07.10.2010, 07:31
Der Oktober

Froestelnd geht die Zeit spazieren.
Was vorueber schien, beginnt.
Chrysanthemen bluehn und frieren.
Froestelnd geht die Zeit spazieren.
Und du folgst ihr wie ein Kind.

Geh nur weiter. Bleib nicht stehen.
Kehr nicht um, als sei's zuviel.
Bis ans Ende musst du gehen.
Hadre nicht mit den Alleen.
Ist der Weg denn schuld am Ziel?

Geh nicht wie mit fremden Fuessen,
und als haett'st du dich verirrt.
Willst du nicht die Rosen gruessen?
Lass den Herbst nicht dafuer buessen,
dass es Winter werden wird.

An den Wegen, in den Wiesen
leuchten, wie auf gruenen Fliesen,
Baeume bunt und blumenschoen.
Sind's Buketts fuer sanfte Riesen?
Geh nur weiter. Bleib nicht stehn.

Blaetter tanzen sterbensheiter
ihre letzten Menuetts.
Folge folgsam dem Begleiter.
Bleib nicht stehen. Geh nur weiter.
Denn das Jahr ist dein Gesetz.

Nebel zaubern in der Lichtung
eine Welt des Ungefaehrs.
Raum wird Traum. Und Rauch wird Dichtung.
Folg der Zeit. Sie weiss die Richtung.
'Stirb und werde!' nannte er's.

the grip
14.10.2010, 07:40
Die Zeit faehrt Auto

Die Staedte wachsen. Und die Kurse steigen.
Wenn jemand Geld hat, hat er auch Kredit.
Die Konten reden. Die Bilanzen schweigen.
Die Menschen sperren aus. Die Menschen streiken.
Der Globus dreht sich. Und wir drehn uns mit.

Die Zeit faehrt Auto. Doch kein Mensch kann lenken.
Das Leben fliegt wie ein Gehoeft vorbei.
Minister sprechen oft vom Steuersenken.
Wer weiss, ob sie im Ernste daran denken?
Der Globus dreht sich und geht nicht entzwei.

Die Kaeufer kaufen. Und die Haendler werben.
Das Geld kursiert, als sei das seine Pflicht.
Fabriken wachsen. Und Fabriken sterben.
Was gestern war, geht heute schon in Scherben.
Der Globus dreht sich. Doch man sieht es nicht.

the grip
23.10.2010, 21:01
Ein Hund haelt Reden

Ich hab im Traum mit einem Hund gesprochen.
Erst sprach er spanisch. Denn dort war er her.
Weil ich ihn nicht verstand - das merkte er -
sprach er dann deutsch, wenn auch etwas gebrochen.

Er sah mich ganz entsetzt die Haende falten
und sagte freundlich: 'Kaestner, wissen Sie,
warum die Tiere ihre Schnauze halten?'
Ich schwieg. Und war verlegen wie noch nie.

Der Hund sprach durch die Nase und fuhr fort:
'Wir koennen sprechen. Doch wir tun es nicht.
Und wer, ausser im Traum, mit Menschen spricht,
den fressen wir nach seinem ersten Wort.'

Ich fragte ihn natuerlich nach dem Grund.
(Ich glaube nichts, was man mir nicht erklaert.)
Da sagte mir denn der getraeumte Hund:

'Das ist doch klar! Der Mensch ist es nicht wert,
dass man gesellschaftlich mit ihm verkehrt.'
Er hob sein Bein, sprang flink durch krumme Gassen ...
Und so etwas muss man sich sagen lassen!

the grip
28.10.2010, 07:30
Lob der Volksvertreter

Man haelt sie, wenn sie schweigen, fuer Gelehrte.
Nur ist das Schweigen gar nicht ihre Art.
Sie haben vor der Brust Apostelbaerte
und auf den Eisenbahnen freie Fahrt.

Ihr seht sie eilends in den Reichstag schreiten.
Das Wohl des Volkes foerdert ihren Gang.
Und wuerdet Ihr sie noch ein Stueck begleiten,
dann merktet Ihr: sie gehn ins Restaurant.

Sie fuerchten Spott, sonst nichts auf dieser Welt!
Und wenn sie etwas tun, dann sind es Fehler.
Es ist, zum Glueck, nicht alles Hund, was bellt.
Sie fuerchten nur die Wahl und nicht die Waehler.

Ihr Leben waehret zirka siebzig Jahre,
und wenn es hochkommt -. Doch das tut es nie!
Das Volk steht auf vor jedem grauen Haare.
Das Volk steht immer auf! Das wissen sie.

the grip
04.11.2010, 07:32
Die Existenz im Wiederholungsfalle

Man muesste wieder sechzehn Jahre sein
und alles, was seitdem geschah, vergessen.
Man muesste wieder seltne Blumen pressen
und (weil man waechst) sich an der Tuere messen
und auf dem Schulweg in die Tore schrein.

Man muesste wieder nachts am Fenster stehn
und auf die Stimmen der Passanten hoeren,
wenn sie den leisen Schlaf der Strassen stoeren.
Man muesste sich, wenn einer luegt, empoeren
und ihm fuenf Tage aus dem Wege gehn.

Man muesste wieder durch den Stadtpark laufen.
Mit einem Maedchen, das nach Hause muss
und kuessen will und Angst hat vor dem Kuss.
Man muesste ihr und sich, vor Ladenschluss,
fuer zwei Mark fuenfzig ein Paar Ringe kaufen.

Man wuerde seiner Mutter wieder schmeicheln,
weil man zum Jahrmarkt ein paar Groschen braucht.
Man saehe dann den Mann, der lange taucht.
Und einen Affen, der Zigarren raucht.
Und liesse sich von Riesendamen streicheln.

Man liesse sich von einer Frau verfuehren
und daechte stets: Das ist Herrn Nussbaums Braut.
Man spuerte ihre Haende auf der Haut.
Das Herz im Leibe schluege hart und laut,
als schluegen nachts im Elternhaus die Tueren.

Man saehe alles, was man damals sah.
Und alles, was seit jener Zeit geschah,
das wuerde nun zum zweitenmal geschehn ...
Dieselben Bilder willst du wiedersehn? Ja!

Wandergsellin
04.11.2010, 10:18
:Danke:

the grip
07.11.2010, 11:01
Folgenschwere Verwechslung

Der Hinz und der Kunz
sind rechte Toren:
Lauschen offnen Munds,
statt mit offnen Ohren!

the grip
10.11.2010, 23:46
Ganz besonders feine Damen

Sie tragen die Buesten und Nasen
im gleichen Schritt und Tritt
und gehen so zart durch die Strassen,
als waeren sie aus Biskuit.
Mit ihnen ist nicht zu spassen.
Es ist, als truegen sie Vasen
und wuessten nur nicht, womit.

Sie scheinen sich stuendlich zu baden
und sind nicht duenn und nicht dick.
Sie haben Beton in den Waden
und Halbgefrornes im Blick.
Man haelt sie fuer Feen auf Reisen,
doch kann man es nicht beweisen.
Der Gatte hat eine Fabrik.

Sie laufen auf heimlichen Schienen.
Man weicht ihnen besser aus.
Sie stecken die steifsten Mienen
wie Fahnenstangen heraus.
Man kann es ganz einfach nicht fassen,
dass sie sich beissen lassen,
in und ausser dem Haus ...

Man koennte sich denken, sie stiegen
mit Hueten und Maenteln ins Bett.
Und stuenden im Schlaf, statt zu liegen.
Und schaemten sich auf dem Klosett.
Man koennte sich denken, sie liessen
die Maenner alle erschiessen
und kniffen sie noch ins Skelett.

So schweben sie zwischen den Leuten
wie Koeniginnen nach Mass.
Doch hat das nichts zu bedeuten.
Sie sind ja gar nicht aus Glas!
Man kann sie, wie andre Frauen,
verfuehren, verstehn und verhauen.
Denn: fein sind sie nur zum Spass.

the grip
18.11.2010, 07:27
Nasser November

Ziehen Sie die aeltesten Schuhe an,
die in Ihrem Schrank vergessen stehn!
Denn Sie sollten wirklich dann und wann
auch bei Regen durch die Strassen gehn.

Sicher werden Sie ein bisschen frieren,
und die Strassen werden trostlos sein.
Doch trotz allem: gehn Sie nur spazieren!
Und, wenn?s irgend moeglich ist, allein.

Muede faellt der Regen durch die Aeste.
Und das Pflaster glaenzt wie blauer Stahl.
Und der Regen rupft die Blaetterreste.
Und die Baeume werden alt und kahl.

Abends tropfen hunderttausend Lichter
zischend auf den glitschigen Asphalt.
Und die Pfuetzen haben fast Gesichter.
Und die Regenschirme sind ein Wald.

Ist es nicht, als stiegen Sie durch Traeume?
Und Sie gehn doch nur durch eine Stadt!
Und der Herbst rennt torkelnd gegen Baeume.
Und im Wipfel schwankt das letzte Blatt.

Geben Sie ja auf die Autos acht.
Gehn Sie, bitte, falls Sie friert, nach Haus!
Sonst wird noch ein Schnupfen heimgebracht.
Und -, ziehn Sie sofort die Schuhe aus!

TriVet
18.11.2010, 08:57
:Blumen: :Blumen:

the grip
21.11.2010, 09:41
Die Baeume

Wir sitzen nicht auf Thronen.
Uns schmeichelt nur der Wind.
Wir haben dennoch Kronen,
die schoener als eure sind.

the grip
25.11.2010, 07:39
Klassenzusammenkunft.

Sie trafen sich, wie ehemals,
im 1. Stock des Kneiplokals.
Und waren zehn Jahr aelter.
Sie tranken Bier. (Und machten Hupp!)
Und wirkten wie ein Kegelklub.
Und nannten die Gehaelter.

Sie sassen da, die Beine breit,
und sprachen von der Jugendzeit
wie Wilde vom Theater.
Sie hatten, wo man hinsah, Bauch,
und Ehefrau'n hatten sie auch,
und Fuenfe waren Vater.

Sie tranken ruestig Glas auf Glas
und hatten Koepfe bloss aus Spass
und nur zum Huetetragen.
Sie waren laut und waren wohl
aus einem Guss, doch innen hohl,
und hatten nichts zu sagen.

Sie lobten schliesslich, haargenau,
die Koerperformen ihrer Frau,
den Busen und dergleichen ...
Erst dreissig Jahr, und schon zu spaet!
Sie sassen breit und aufgeblaeht
wie nicht ganz tote Leichen.

Da, gegen Schluss, erhob sich wer
und sagte kurzerhand, dass er
genug von ihnen haette.
Er wuensche ihnen sehr viel Bart
und hundert Kinder ihrer Art
und gehe jetzt zu Bette.

Den andern war es nicht ganz klar,
warum der Kerl gegangen war.
Sie strichen seinen Namen.
Und machten einen Ausflug aus.
Fuer Sonntag frueh. Ins Jaegerhaus.
Doch dieses Mal mit Damen.

Wandergsellin
25.11.2010, 07:43
:Cheese: kommt mir bekannt vor!

the grip
02.12.2010, 08:15
Aktuelle Albumverse

Koepfe abschlagen ist nicht sehr klug.
Die Stecknadel, der man den Kopf abschlug,
fand, der Kopf sei voellig entbehrlich,
und war nun vorn und hinten gefaehrlich.

Die Huehner fuehlten sich ploetzlich verpflichtet,
statt Eiern Apfeltoertchen zu legen.
Die Sache zerschlug sich. Und zwar weswegen?
Das Huhn ist auf Eier eingerichtet.
(So wurde schon manche Idee vernichtet.)

Unerhoerte Geldbetraege
braucht man fuer die Arbeitskraefte!
Lohn ist nichts als Armenpflege
und verdirbt bloss die Geschaefte.

the grip
02.12.2010, 08:16
Ein Nagel saß in einem Stück Holz

Ein Nagel saß in einem Stück Holz.
Der war auf seine Gattin sehr stolz.
Die trug eine goldene Haube
Und war eine Messingschraube.

Sie war etwas locker und etwas verschraubt,
Sowohl in der Liebe, als auch überhaupt.
Sie liebte ein Häkchen und traf sich mit ihm
In einem Astloch. Sie wurden intim.

Kurz, eines Tages entfernten sie sich
Und ließen den armen Nagel im Stich.
Der arme Nagel bog sich vor Schmerz.
Noch niemals hatte sein eisernes Herz
So bittere Leiden gekostet.

Bald war er beinah verrostet.
Da aber kehrte sein früheres Glück,
Die alte Schraube, wieder zurück.
Sie glänzte übers ganze Gesicht.
Ja, alte Liebe, die rostet nicht!

the grip
09.12.2010, 07:44
Vorstadtstrassen

Mit solchen Strassen bin ich gut bekannt.
Sie fangen an, als waeren sie zu Ende.
Trinkt Magermilch! steht gross an einer Wand,
als ob sich das hier nicht von selbst verstaende.

Es riecht nach Fisch, Kartoffeln und Benzin.
In diesen Strassen duerfte niemand wohnen.
Ein Fenster schielt durch schraege Jalousien.
Und welke Blumen bluehn auf den Balkonen.

Die Haeuser bilden Tag und Nacht Spalier
und haben keine weitern Interessen.
Seit hundert Jahren warten sie nun hier.
Auf wen sie warten, haben sie vergessen.

Die Nacht faellt wie ein grosses altes Tuch,
von Licht durchloechert, auf die grauen Mauern.
Ein paar Laternen gehen zu Besuch,
und vor den Kellern sieht man Katzen kauern.

the grip
12.12.2010, 14:27
Wie nun mal die Dinge liegen
und auch wenn es uns missfaellt:
Menschen sind wie Eintagsfliegen
an den Fenstern dieser Welt.

Unterschiede sind fast keine,
und was waer auch schon dabei!
Nur, die Fliege hat sechs Beine,
und der Mensch hat hoechstens zwei.

the grip
12.12.2010, 14:28
Vorstadtstrassen

Mit solchen Strassen bin ich gut bekannt.
Sie fangen an, als waeren sie zu Ende.
Trinkt Magermilch! steht gross an einer Wand,
als ob sich das hier nicht von selbst verstaende.

Es riecht nach Fisch, Kartoffeln und Benzin.
In diesen Strassen duerfte niemand wohnen.
Ein Fenster schielt durch schraege Jalousien.
Und welke Blumen bluehn auf den Balkonen.

Die Haeuser bilden Tag und Nacht Spalier
und haben keine weitern Interessen.
Seit hundert Jahren warten sie nun hier.
Auf wen sie warten, haben sie vergessen.

Die Nacht faellt wie ein grosses altes Tuch,
von Licht durchloechert, auf die grauen Mauern.
Ein paar Laternen gehen zu Besuch,
und vor den Kellern sieht man Katzen kauern.

Wandergsellin
12.12.2010, 15:27
Doppeltgemoppelt! :)

Aber trotzdem vielen Dank, ich mag die Kästner-Gedichte!

the grip
16.12.2010, 07:29
Verhinderte Weihnachten

Zunaechst verteile man die schoensten Rollen:
Der Gustav eignet sich - weil er mutiert -
zum Weihnachtsmann. Valeska baeckt die Stollen,
indem sie Semmeln mit Rosinen ziert.

Als Mutter laesst sich Frieda gut gebrauchen.
Denn sie ist dick und traegt bereits Frisur.
Und Karl muss Vater sein. Denn Karl kann rauchen.
Und ausserdem besitzt er eine Uhr.

Die andern Kinder koennen Kinder bleiben.
Sie duerfen kratzen, Nasen ziehn und schrein
und duerfen gern ein bisschen uebertreiben.
Auch heulen duerfen sie. Doch nur zum Schein.

Dann werden die Rouleaus herabgelassen,
damit es dunkel wird und draussen schneit.
Der Karl muss oefters an den Ofen fassen
und murmeln: 'O du liebe Weihnachtszeit!'

Und dann darf Gustav in das Zimmer treten.
Als Weihnachtsmann. Mit einem weissen Bart.
Und brummen muss er: 'Koennt ihr denn auch beten?
Damit ich sehe, ob ihr artig wart!'

Da muessen alle Kinder schrecklich lachen
und rufen: Gustav sei kein Weihnachtsmann!
Mit ihnen waere so was nicht zu machen!
Da geht dann Gustav wieder nebenan.

Jetzt muessen beide Eltern furchtbar zanken:
Pfui! Das erlebten sie zum erstenmal!
Und solche Eltern koennten sich bedanken!
Und solche Kinder waeren ein Skandal!

Zum Schluss muss Karl sich moeglichst ernst gebaerden,
und man muss spueren, dass er es beklagt:
'Da unsre Kinder taeglich klueger werden'
- erklaert er - 'wird die Feier abgesagt.'

the grip
16.12.2010, 07:30
Doppeltgemoppelt! :)

Aber trotzdem vielen Dank, ich mag die Kästner-Gedichte!

War doch ne Zugabe für den 3. Advent !

the grip
19.12.2010, 11:25
Es laeuten die Glocken

Wenn im Turm die Glocken laeuten,
kann das viererlei bedeuten.
Erstens: dass ein Festtag ist.
Dann: dass du geboren bist.
Drittens: dass dich jemand liebt.
Viertens: dass dich's nicht mehr gibt.
Kurz und gut, das Glockenlaeuten
hat nur wenig zu bedeuten.

the grip
23.12.2010, 07:48
Modernes Maerchen

Sie waren so sehr ineinander verliebt,
wie es das nur noch in Buechern gibt.
Sie hatte kein Geld. Und er hatte keins.
Da machten sie Hochzeit und lachten sich eins.

Er war ohne Amt. So blieben sie arm.
Und speisten zweimal in der Woche warm.
Er nannte sie trotzdem: 'Mein Schmetterling.'
Sie schenkte ihm Kinder, so oft es nur ging.

Sie wohnten moebliert und waren nie krank.
Die Kinder schliefen im Kleiderschrank.
Zu Weihnachten malten sie kurzerhand
Geschenke mit Buntstiften an die Wand.

Und assen Brot, als waer's Konfekt,
und spielten: Wie Gaensebraten schmeckt.
Dergleichen staerkt wohl die Phantasie.
Drum wurde der Mann, blitzblatz! ein Genie.

Schrieb schoene Romane. Verdiente viel Geld
und wurde der reichste Mann auf der Welt.
Erst waren sie stolz. Doch dann tat's ihnen leid,
denn der Reichtum schadet der Heiterkeit.

Sie schenkten das Geld einem Waisenkind.
Und wenn sie nicht gestorben sind ...

psyXL
23.12.2010, 10:35
Sehr schön.

Rälph
23.12.2010, 22:03
Kennt ihr das? Schön zum Vorlesen an Heiligabend...:)


Christmas is im Eimer

When the snow falls wunderbar
and the children happy are,
when the Glatteis on the street
and we all a Glühwein need,
then you know, es ist soweit:
She is here, the Weihnachtszeit.

Every Parkhaus ist besetzt,
weil die people fahren jetzt,
all to Kaufhof, Mediamarkt,
kriegen nearly Herzinfarkt,
shopping hirnverbrannte things
and the Christmasglocke rings.

Merry Christmas, merry Christmas,
hear the music, see the lights,
frohe Weihnacht, frohe Weihnacht,
Merry Christmas allerseits...

Mother in the kitchen bakes
Schoko-, Nuss- and Mandelkeks,
Daddy in the Nebenraum
schmücks a Riesen-Weihnachtsbaum.
He is hanging auf the balls,
then he from the Leiter falls...

Finally the Kinderlein,
to the Zimmer kommen rein
and es sings the family
schauerlich: "Oh, Christmastree!"
And the jeder in the house
is packing die Geschenke aus.

Merry Christmas, merry Christmas,
hear the music, see the lights,
frohe Weihnacht, frohe Weihnacht,
Merry Christmas allerseits...

Mama finds unter the Tanne
eine brandnew Teflon-Pfanne,
Papa gets a Schlips and Socken,
everybody does frohlocken.
President speaks in TV,
all around is Harmonie,
Bis mother in the kitchen runs,
im Ofen burns the Weihnachtsgans.

And so comes die Feuerwehr
with Tatü, tata daher
and they bring a long, long Schlauch,
and a long, long Leiter auch
and they schrei - "Wasser marsch!",
Christmas is - now im - ... Eimer.

Merry Christmas, merry Christmas,
hear the music, see the lights,
frohe Weihnacht, frohe Weihnacht,
Merry Christmas allerseits...

TriVet
31.12.2010, 10:58
Ey, heute ist schon Freitag!:cool:

Hat The Grip Urlaub?

Dann ein Ersatz von mir:


Der Kochfisch, von Arezu Weitholz

"Ein kleiner Kochfisch ging zur See,
traf einen Wal und sagte: He,
du bist ja ein fettes Tier,
und gar kein Fisch, was willstn hier?

Dann muffelt er die Quallen an,
was Quallen nicht gefallen kann.
Er schnauzt und stänkert laut und fies,
er pöbelt und macht Muscheln mies:
Ihr seid ja stumm und häßlich obendrein,
und überhaupt auch viel zu klein:
Und du Butt! Aal! Und ihr, Makrelen!
Euch allen Gräten, Hirn und Seelen fehlen!

So schreit der Kochfisch Tag und Nacht,
man sich im Meer schon Sorgen macht:
Ist der denn irr oder bloß blau?
Hat er Tourette oder nen Hau?

Doch keins von diesen Dingen war,
was dem Kochfisch so geschadet.
Es ist ganz einfach - also klar:
Der Kleine hat zu heiß gebadet".

:Huhu:

TriVet
06.01.2011, 21:40
Hat The Grip Urlaub?:confused:



Dann eben noch eines von Arezu Weitholz, ist immerhin wieder ontopic,
denn dieses Gedicht ist Robert Gernhardt gewidmet:

Die Kärpfin aus dem Wörtersee

Der Karpfenkiller hockt am Teich
die Kärpfin ist vor Angst ganz bleich
das, was ihr droht, weiß sie genau
ein roher Tod als Kärpfin blau
doch jetzt, da fährtse aus der Haut
sie wird zur Killerkarpfenbraut –
der Karpfenkiller sitzt und schaut
die Killerkärpfin um sich haut
der Karpfenkiller ist bald nass
Die Killerkärpfin lacht sich was

TriSt
06.01.2011, 22:03
:confused:


Vielleicht hat er ja 'ne Schreibblockade :-)

TriSt

the grip
09.01.2011, 15:33
Der Januar

Das Jahr ist klein und liegt noch in der Wiege.
Der Weihnachtsmann ging heim in seinen Wald.
Doch riecht es noch nach Krapfen auf der Stiege.
Das Jahr ist klein und liegt noch in der Wiege.
Man steht am Fenster und wird langsam alt.

Die Amseln frieren. Und die Kraehen darben.
Und auch der Mensch hat seine liebe Not.
Die leeren Felder sehnen sich nach Garben.
Die Welt ist schwarz und weiss und ohne Farben.
Und waer so gerne gelb und blau und rot.

Umringt von Kindern wie der Rattenfaenger,
tanzt auf dem Eise stolz der Januar.
Der Bussard zieht die Kreise eng und enger.
Es heisst, die Tage wuerden wieder laenger.
Man merkt es nicht. Und es ist trotzdem wahr.

Die Wolken bringen Schnee aus fremden Laendern-
Und niemand haelt sie auf und fordert Zoll.
Silvester hoerte man?s auf allen Sendern,
dass sich auch unterm Himmel manches aendern
und, ausser uns, viel besser werden soll.

Das Jahr ist klein und liegt noch in der Wiege.
Und ist doch hunderttausend Jahre alt.
Es traeumt von Frieden. Oder traeumt's vom Kriege?
Das Jahr ist klein und liegt noch in der Wiege.
Und stirbt in einem Jahr. Und das ist bald.

Hatte mir erlaubt, mal ein paar Tage frei zu nehmen. Dass da jetzt so'n Stress aufgebaut wird wenn mal kein Gedicht kommt ... :Cheese:

the grip
13.01.2011, 09:11
Das Fraeulein stand am Meere
Und seufzte lang und bang.
Es ruehrte sie so sehre
Der Sonnenuntergang

'Mein Fraeulein! sei'n Sie munter,
Das ist ein altes Stueck;
Hier vorne geht sie unter
und kehrt von hinten zurueck.

the grip
20.01.2011, 13:50
O des liebenswuerdigen Dichters,
Dessen Lieder uns entzuecken!
Haetten wir ihn in der Naehe,
Seine Lippen zu begluecken!

Waehrend liebenswuerdige Damen
Also liebenswuerdig dachten,
Musst ich, hundert Meil entfernt,
In der oeden Fremde schmachten

Und es hilft uns nichts im Norden,
Wenn im Sueden schoenes Wetter,
Und von zugedachten Kuessen
Wird das magre Herz nicht fetter.

the grip
23.01.2011, 13:12
Zwei Augen, Dich zu sehen,
Zwei Ohren, Dich zu hoeren,
Zwei Arme, Dich zu fassen,
Und, ach, um Dich zu kuessen,
Nur einen Mund, o Holde!
Das will mir gar nicht passen!

TriVet
04.02.2011, 11:39
Bin ich der einzige, der die Gedichte vermisst?:Huhu:

the grip
17.02.2011, 18:28
Ich weiß nicht, was soll es bedeuten,
Dass ich so traurig bin;
Ein Märchen aus alten Zeiten,
Das kommt mir nicht aus dem Sinn.

Die Luft ist kühl und es dunkelt,
Und ruhig fließt der Rhein;
Der Gipfel des Berges funkelt
Im Abendsonnenschein.

Die schönste Jungfrau sitzet
Dort oben wunderbar,
Ihr goldnes Geschmeide blitzet,
Sie kämmt ihr goldenes Haar.

Sie kämmt es mit goldenem Kamme,
Und singt ein Lied dabei;
Das hat eine wundersame,
Gewaltige Melodei.

Den Schiffer im kleinen Schiffe
Ergreift es mit wildem Weh;
Er schaut nicht die Felsenriffe,
Er schaut nur hinauf in die Höh.

Ich glaube, die Wellen verschlingen
Am Ende Schiffer und Kahn;
Und das hat mit ihrem Singen
Die Lore-Lei getan.

the grip
24.02.2011, 09:14
Narretei

Ich habe verlacht, bei Tag und bei Nacht,
So Männer wie Frauenzimmer,
Ich habe große Dummheiten gemacht -
Die Klugheit bekam mir noch schlimmer.

Die Magd ward schwanger und gebar -
Wozu das viele Gewimmer?
Wer nie im Leben törigt war,
Ein Weiser war er nimmer.

the grip
27.02.2011, 12:56
Einsam irr' ich durch die Gassen,
durch den Regen, durch die Nacht.
Warum hast du mich verlassen,
warum hast du das gemacht?
Nichts bleibt mir, als mich zu grämen!
Gestern sprang ich in den Bach,
um das Leben mir zu nehmen,
doch der Bach war viel zu flach.

Einsam irr' ich durch den Regen,
und ganz feucht ist mein Gesicht,
nicht allein des Regens wegen,
nein, davon alleine nicht.
Wo bleibt Tod in schwarzem Kleide?
Wo bleibt Tod und tötet mich?
Oder besser noch: uns beide?
Oder besser: erst mal dich?

the grip
04.03.2011, 07:42
Ich glaub nicht an den Himmel,
Wovon das Pfäfflein spricht;
Ich glaub nur an dein Auge,
Das ist mein Himmelslicht.

Ich glaub nicht an den Herrgott,
Wovon das Pfäfflein spricht;
Ich glaub nur an dein Herze,
’nen andern Gott hab ich nicht.

Ich glaub nicht an den Bösen,
An Höll und Höllenschmerz;
Ich glaub nur an dein Auge,
Und an dein böses Herz.

the grip
07.03.2011, 07:29
Serpentinen-Terzinen

Wir sind die kurvenreichen, weichen Weiber,
und deshalb geht es bei uns immer rund
ums Lieben, Laben, Loben unsrer Leiber.

Zwölf Lippen haben wir, nicht nur im Mund,
zwei Busen, macht vier Brüste, Backen acht.
Die Symmetrie steigt uns zu Kopfe und

aus Haaren regnen Nadeln in die Nacht.
Wenn wir so rundungsreich beinander liegen,
nehmen wir scharfe Kurven nicht zu sacht.

Kann sich die eine um die andre biegen,
was soll uns da der Ruf nach scharfen Kanten
und Ecken. Aus den Kurven wolln wir fliegen!

the grip
10.03.2011, 11:55
Ich glaub nicht an den Himmel,
Wovon das Pfäfflein spricht;
Ich glaub nur an dein Auge,
Das ist mein Himmelslicht.

Ich glaub nicht an den Herrgott,
Wovon das Pfäfflein spricht;
Ich glaub nur an dein Herze,
’nen andern Gott hab ich nicht.

Ich glaub nicht an den Bösen,
An Höll und Höllenschmerz;
Ich glaub nur an dein Auge,
Und an dein böses Herz.

the grip
13.03.2011, 15:42
Der Kuss

Wie unvergleichlich ist
Die Schöne, die recht küsst!
In ihren Küssen steckt
Was Tausend Lust erweckt.

Den Mund gab die Natur
Uns nicht zur Sprache nur:
Das, was ihn süßer macht,
Ist, dass er küsst und lacht.

Ach, überzeuge dich
Davon, mein Kind! durch mich
Und nimm und gib im Kuss
Der Freuden Überfluss.

neonhelm
13.03.2011, 17:32
Der Kuss

:Liebe:

the grip
17.03.2011, 09:37
Ganz entsetzlich ungesund
Ist die Erde, und zu Grund,
Ja, zu Grund muss alles gehn,
Was hienieden groß und schön.

Sind es alten Wahns Phantasmen,
Die dem Boden als Miasmen
Stumm entsteigen und die Lüfte
Schwängern mit dem argen Gifte?

Holde Frauenblumen, welche
Kaum erschlossen ihre Kelche
Den geliebten Sonnenküssen,
Hat der Tod schon fortgerissen.

Helden, trabend hoch zu Ross,
Trifft unsichtbar das Geschoss;
Und die Kröten sich beeifern,
Ihren Lorbeer zu begeifern.

Was noch gestern stolz gelodert,
Das ist heute schon vermodert;
Seine Leier mit Verdruss
Bricht entzwei der Genius.

O wie klug sind doch die Sterne!
Halten sich in sichrer Ferne
Von dem bösen Erdenrund,
Das so tödlich ungesund.

Kluge Sterne wollen nicht
Leben, Ruhe, Himmelslicht
Hier einbüßen, hier auf Erden,
Und mit uns elendig werden -

Wollen nicht mit uns versinken
In den Twieten, welche stinken,
In dem Mist, wo Würmer kriechen,
Welche auch nicht lieblich riechen -

Wollen immer ferne bleiben
Vom fatalen Erdentreiben,
Von dem Klüngel und Geruddel,
Von dem Erdenkuddelmuddel.

Mitleidsvoll aus ihrer Höhe
Schaun sie oft auf unser Wehe;
Eine goldne Träne fällt
Dann herab auf diese Welt.

the grip
21.03.2011, 08:22
Purrno, ömma wüdar Purrno,
mall vann hüntn, mall van vurrno, -
eunzigöss Prubleim darpui:
Getschlachtzorrgune geibptz norr zwui.
Bastnpfullz nuch Monndt ont Baussen,
duch dar kimmt nücht pvill pei raußßn.
Hött' monn pfömpf Getschlachtsorrgunen,
künnt' monn züch pvill mööhr varwuhnen,
ont die Purrnogarrapfhü
wärr's su lostigck, vi nuch nüü.

the grip
24.03.2011, 09:13
Mit dummen Mädchen, hab ich gedacht,
Nichts ist mit dummen anzufangen;
Doch als ich mich an die klugen gemacht,
Da ist es mir noch schlimmer ergangen.

Die klugen waren mir viel zu klug,
Ihr Fragen machte mich ungeduldig,
Und wenn ich selber das Wichtigste frug,
Da blieben sie lachend die Antwort schuldig.

the grip
27.03.2011, 11:16
Eines Morgens
Ich wollte gerade duschen
kam ein Telegramm.
Handtuch um die Lenden
las ich wie im Fieber.

"Komm bitte heute um drei
ins Buschwindrosenwäldchen.
Wir passen zueinander.
Herzlichst, die Liebe."

Ich hatte mich gesehnt
und wirklich sehr
und dachte nichts wie hin.

Im Wäldchen aber war
von Buschwindrosen keine Spur.
Es lagen nur Kondome im Laub
und benutztes Toilettenpapier.

Die Liebe war auch nicht zur Stelle
und auf der benachbarten Mülldeponie
buhte ein bissiger Wind.

Ungeduscht, geduzt und ausgebuht
fuhr ich in einer überfüllten U-Bahn
weh nach Hause.

the grip
31.03.2011, 15:30
Wahrhaftig

Wenn der Frühling kommt mit dem Sonnenschein,
Dann knospen und blühen die Blümlein auf;
Wenn der Mond beginnt seinen Strahlenlauf,
Dann schwimmen die Sternlein hintendrein;
Wenn der Sänger zwei süße Äuglein sieht,
Dann quellen ihm Lieder aus tiefem Gemüt; -
Doch Lieder und Sterne und Blümelein,
Und Äuglein und Mondglanz und Sonnenschein,
Wie sehr das Zeug auch gefällt,
So machts doch noch lang keine Welt.

the grip
07.04.2011, 10:20
Der Schmetterling ist in die Rose verliebt,
Umflattert sie tausendmal,
Ihn selber aber, goldig zart,
Umflattert der liebende Sonnenstrahl.

Jedoch, in wen ist die Rose verliebt?
Das wüßt ich gar zu gern.
Ist es die singende Nachtigall?
Ist es der schweigende Abendstern?

Ich weiß nicht, in wen die Rose verliebt;
Ich aber lieb euch all:
Rose, Schmetterling, Sonnenstrahl,
Abendstern und Nachtigall.

the grip
14.04.2011, 13:57
Wahrhaftig

Wenn der Frühling kommt mit dem Sonnenschein,
Dann knospen und blühen die Blümlein auf;
Wenn der Mond beginnt seinen Strahlenlauf,
Dann schwimmen die Sternlein hintendrein;
Wenn der Sänger zwei süße Äuglein sieht,
Dann quellen ihm Lieder aus tiefem Gemüt; -
Doch Lieder und Sterne und Blümelein,
Und Äuglein und Mondglanz und Sonnenschein,
Wie sehr das Zeug auch gefällt,
So machts doch noch lang keine Welt.

TriVet
14.04.2011, 20:02
Absicht, dass 31.3. und 14.4. identisch?

Willst Du uns testen?:Huhu:

the grip
14.04.2011, 20:49
Absicht, dass 31.3. und 14.4. identisch?

Willst Du uns testen?:Huhu:

Klar, ab und an muss ein kleiner Test sein, um zu sehen, ob noch jemand mitliest ...

bellamartha
15.04.2011, 09:02
Hi!
Ich lese hier mit der allergrößten Freude mit! Bitte mach auf jeden Fall weiter mit den Gedichten!
Vielen Dank für deine Mühe und Ausdauer.:Blumen:
J.

the grip
17.04.2011, 17:15
Hermine

Hermine liebt Aprikosentörtchen,
Limonade findet sie süßer als Bier.
Hermine liebt die geflüsterten Wörtchen.
Anständige Menschen gefallen ihr.

Sie liebt es, auf dem Diwan zu liegen,
Ein Stückchen Schokolade im Mund.
Sie spricht nicht gerne vom Kinderkriegen.
Sie findet es eigentlich ungesund.

Aber deshalb ist man nicht prüde.
Es gibt nichts Schöneres als die Natur.
Nur macht die Liebe einen so müde
Und ruiniert die ganze Frisur.

Hermine ist für das Ideale,
Das Ideale findet sie fein.
Die Liebe - findet sie - ist das Brutale;
Besonders die Männer sind so gemein.

bellamartha
17.04.2011, 17:36
Lieber Frank,
wenn DAS nicht für mich ist, dann weiß ich es auch nicht!
Es machte mir gerade Gänsehaut.
Schon wieder: Dankeschön!
J.

the grip
21.04.2011, 10:26
Herz, mein Herz, sei nicht beklommen,
Und ertrage dein Geschick,
Neuer Frühling gibt zurück,
Was der Winter dir genommen.

Und wie viel ist dir geblieben!
Und wie schön ist noch die Welt!
Und, mein Herz, was dir gefällt,
Alles, alles darfst du lieben!

TriVet
21.04.2011, 11:01
Klar, ab und an muss ein kleiner Test sein, um zu sehen, ob noch jemand mitliest ...

olle kamellen, wa?:)
http://www.triathlon-szene.de/forum/showpost.php?p=36019&postcount=39

maultäschle
21.04.2011, 11:06
Herz, mein Herz, sei nicht beklommen,
Und ertrage dein Geschick,
Neuer Frühling gibt zurück,
Was der Winter dir genommen.

Und wie viel ist dir geblieben!
Und wie schön ist noch die Welt!
Und, mein Herz, was dir gefällt,
Alles, alles darfst du lieben!

Danke:Blumen:
Und Dir ein schönes Osterfest :Huhu:

the grip
24.04.2011, 17:09
Eine Mutter zieht Bilanz

Mein Sohn schreibt mir so gut wie gar nicht mehr.
Das heißt, zu Ostern hat er mir geschrieben.
Er denke gern an mich zurück, schrieb er,
und würde mich, wie stets, von Herzen lieben.

Das letztemal, als wir uns beide sahn,
das war genau vor zweidreiviertel Jahren.
Ich stehe manchmal an der Eisenbahn,
wenn Züge nach Berlin - dort wohnt er - fahren.

Und einmal kaufte ich mir ein Billett
und wäre beinah nach Berlin gekommen!
Doch dann begab ich mich zum Schalterbrett.
Dort hat man das Billett zurückgenommen.

Seit einem Jahr, da hat er eine Braut.
Das Bild von ihr will er schon lange schicken.
Ob er mich kommen lässt, wenn man sie traut?
Ich würde ihnen gern ein Kissen sticken.

Man weiß nur nicht, ob ihr sowas gefällt ...
Ob sie ihn wohl, wie er's verdiente, liebt?
Mir ist manchmal so einzeln auf der Welt.
Ob es auch zärtlichere Söhne gibt?

Wie war das schön, als wir zusammen waren!
Im gleichen Haus ... Und in der gleichen Stadt…
Nachts lieg ich wach und hör die Züge fahren.
Ob er noch immer seinen Husten hat?

Ich hab von ihm noch ein Paar Kinderschuhe.
Nun ist er groß und lässt mich so allein.
Ich sitze still und habe keine Ruhe.
Am besten wär's, die Kinder blieben klein.

the grip
29.04.2011, 07:37
Auf den Wolken ruht der Mond,
Eine Riesenpomeranze,
Überstrahlt das graue Meer,
Breiten Streifs, mit goldnem Glanze.

Einsam wandl ich an dem Strand,
Wo die weißen Wellen brechen,
Und ich hör viel süßes Wort,
Süßes Wort im Wasser sprechen.

Ach, die Nacht ist gar zu lang,
Und mein Herz kann nicht mehr schweigen –
Schöne Nixen, kommt hervor,
Tanzt und singt den Zauberreigen!

Nehmt mein Haupt in euren Schoß,
Leib und Seel sei hingegeben!
Singt mich tot und herzt mich tot,
Küßt mir aus der Brust das Leben!

the grip
01.05.2011, 17:51
Die Liebe hemmet nichts; sie kennt nicht Tür noch Riegel,
Und dringt durch alles sich;
Sie ist ohn Anbeginn, schlug ewig ihre Flügel,
Und schlägt sie ewiglich.

the grip
05.05.2011, 11:13
O welche Wonne, ein Esel zu sein!
Ein Enkel von solchen Langohren!
Ich möcht es von allen Dächern schrein:
Ich bin als ein Esel geboren.

Der große Esel, der mich erzeugt,
Er war von deutschem Stamme;
Mit deutscher Eselsmilch gesäugt
Hat mich die Mutter, die Mamme.

Ich bin ein Esel, und will getreu,
Wie meine Väter, die Alten,
An der alten, lieben Eselei,
Am Eseltume halten.

Und weil ich ein Esel, so rat ich euch,
Den Esel zum König zu wählen;
Wir stiften das große Eselreich,
Wo nur die Esel befehlen.

the grip
08.05.2011, 11:18
Gestern schrieb ich
ein Gedicht
das eine junge Frau
schilderte und
korrekturlesend
verliebte ich mich
in das Bild
und fragte sie
ob sie die Nacht
mit mir verbringen wolle.

Die junge Frau
im Gedicht lachte
und sagte
zu meiner Überraschung:
Ja. So kam's.

the grip
12.05.2011, 07:30
Im Beginn schuf Gott die Sonne,
Dann die nächtlichen Gestirne;
Hierauf schuf er auch die Ochsen,
Aus dem Schweiße seiner Stirne.

Später schuf er wilde Bestien,
Löwen mit den grimmen Tatzen;
Nach des Löwen Ebenbilde
Schuf er hübsche kleine Katzen.

Zur Bevölkerung der Wildnis
Ward hernach der Mensch erschaffen;
Nach des Menschen holdem Bildnis
Schuf er intressante Affen.

Satan sah dem zu und lachte:
Ei, der Herr kopiert sich selber!
Nach dem Bilde seiner Ochsen
Macht er noch am Ende Kälber!

the grip
15.05.2011, 15:46
Betrogene Liebe

Es flog ein schöner Schmetterling
Auf eine schöne Rose,
Und flüsterte manch' schelmisch Wort
Mit schmeichelndem Gekose.

Die Rose atmet Frühlingsduft
Im warmen Strahl der Sonne,
Sie herzt und küsst den Schmetterling,
Und duftet Lieb' und Wonne.

Der Schmetterling flog weiter fort
Auf Tulpen und auf Nelken;
Die Rose sah ihm zitternd nach
Und ließ die Blätter welken.

the grip
19.05.2011, 13:33
Du schönes Fischermädchen,
Treibe den Kahn ans Land;
Komm zu mir und setze dich nieder,
Wir kosen Hand in Hand.

Leg an mein Herz dein Köpfchen,
Und fürchte dich nicht zu sehr,
Vertraust du dich doch sorglos
Täglich dem wilden Meer.

Mein Herz gleicht ganz dem Meere,
Hat Sturm und Ebb und Flut,
Und manche schöne Perle
In seiner Tiefe ruht.

the grip
22.05.2011, 16:12
Die Badewanne prahlte sehr.
Sie hielt sich für das Mittelmeer.

TriVet
28.05.2011, 21:10
Jetzt immer sonntags statt donnerstags?:Huhu:

the grip
30.05.2011, 15:21
Ich bin der Hirsch und du das Reh,
Der Vogel du und ich der Baum,
Die Sonne du und ich der Schnee,
Du bist der Tag und ich der Traum.

Nachts aus meinem schlafenden Mund
Fliegt ein Goldvogel zu dir.
Hell ist seine Stimme, sein Flügel bunt,
Der singt dir das Lied von der Liebe,
Der singt dir das Lied von mir.

the grip
30.05.2011, 15:24
Und als ich euch meine Schmerzen geklagt,
Da habt ihr gegähnt und nichts gesagt;
Doch als ich sie zierlich in Verse gebracht,
Da habt ihr mir große Elogen gemacht.

the grip
02.06.2011, 09:28
Die Nacht war kalt und sternenklar,
Da trieb im Meer bei Norderney
Ein Suahelischnurrbarthaar. –
Die nächste Schiffsuhr wies auf drei.

Mir scheint da mancherlei nicht klar,
Man fragt doch, wenn man Logik hat,
Was sucht ein Suahelihaar
Denn nachts um drei am Kattegatt?

the grip
05.06.2011, 17:45
Ich habe dich so lieb

Ich habe dich so lieb!
Ich würde dir ohne Bedenken
Eine Kachel aus meinem Ofen
Schenken.

bellamartha
05.06.2011, 18:17
'n Abend!
Weiterhin vielen Dank für die stetige Gedichte-Flut!
Judith, die vertrauensvoll darauf hofft, dass auch mal wieder eines dabei ist, das ihr auch gefällt.

the grip
05.06.2011, 19:23
'n Abend!
Weiterhin vielen Dank für die stetige Gedichte-Flut!
Judith, die vertrauensvoll darauf hofft, dass auch mal wieder eines dabei ist, das ihr auch gefällt.

Ich werde mich anstrengen, was zu finden :bussi:

the grip
10.06.2011, 07:22
Es waren zwei Moleküle.
Die saßen auf einer Mühle
Und sahen zu, wie das Mühlrad trieb,
Und waren zufrieden und hatten sich lieb.
Und keiner, keiner wusste warum,
Als nur ein Mann der Adressen schrieb.

the grip
18.06.2011, 18:29
Man stirbt hier vor Langeweile,
Dachte die Nagelfeile
Beim Mittagessen!
Und machte sich, wie von ungefähr,
Über den Fingernagel her,
Beim Mittagessen!
Da begann eine silberne Gabel zu schrei'n:
"Meine Dame – Sie sind hier nicht allein!"

the grip
18.06.2011, 18:30
Ein schwarzer Pudel, dessen Haar
Des Abends noch wie Kohle war,
betrübte sich so höllenheiß,
weil seine Dame Flügel spielte,
trotzdem er heulte: dass (o Preis
dem Schmerz, der solchen Sieg erzielte!)
er beim Gekräh der Morgenhähne
aufstand als wie ein hoher Greis -
mit einer silberweißen Mähne.

the grip
18.06.2011, 18:32
'n Abend!
Weiterhin vielen Dank für die stetige Gedichte-Flut!
Judith, die vertrauensvoll darauf hofft, dass auch mal wieder eines dabei ist, das ihr auch gefällt.

Fällt mir grade ein - ob Dir das von den Fab4 gefallen wird ?

Martha my dear though I spend my days in conversation
Please
Remember me Martha my love
Don't forget me Martha my dear

Hold your head up you silly girl look what you've done
When you find yourself in the thick of it
Help yourself to a bit of what is all around you
Silly Girl.

Take a good look around you
Take a good look you're bound to see
That you and me were meant to be for each other
Silly girl.

Hold your hand out you silly girl see what you've done
When you find yourself in the thick of it
Help yourself to a bit of what is all around you
Silly girl.

Martha my dear you have always been my inspiration
Please
Be good to me Martha my love
Don't forget me Martha my dear.

bellamartha
18.06.2011, 19:14
Ja, gefällt mir. Aber Gedichte in der Muttersprache gefallen mir noch besser. Leider teile ich deine Leidenschaft für Morgenstern, Ringelnatz & Co nicht so sehr.
Schöne Grüße und Danke! J.

the grip
19.06.2011, 11:12
Bei Ankunft nachts
Bitte nicht bellen
Sondern, kurz,
1 x schellen.

the grip
23.06.2011, 11:00
Prächtig ist heute die weite -
Stränge und sporen beiseite -
Reiten wir auf dem wein
In den feenhimmel hinein!

Engel für ewige dauer
Leidend im fieberschauer -
Durch des morgens blauen kristall
Fort in das leuchtende all!

Wir lehnen uns weich auf den flügel
Des windes der eilt ohne zügel.
Beide voll gleicher lust

Lass schwester uns brust an brust
Fliehn ohne rast und stand
In meiner träume land!

bellamartha
24.06.2011, 08:09
Ja! Jaa!
Schön!
Danke.
J.

the grip
27.06.2011, 14:23
Man mische 7 Pfund Palmin
Mit gleichviel Milch und Terpentin.
Dann füge man ein Hühnerei
Und etwas Öl nebst Essig bei.
Dies nun zu festem Brei gerührt,
Wird dann in einen Strumpf geschürt.
Das ganze lässt man 13 Wochen
In lauem Seifenwasser kochen.
Dann wird es mit Gelee garniert
Und im verdeckten Topf serviert.
(Doch halte man zu rechter Zeit
Ein offenes Töpfchen sich bereit.)

the grip
30.06.2011, 09:23
Helle Länder sind deine Augen.
Vögelchen sind deine Blicke,
Zierliche Winke aus Tüchern beim Abschied.

In deinem Lächeln ruh ich wie in spielenden Booten.
Deine kleinen Geschichten sind aus Seide.

Ich muss dich immer ansehen.

TriVet
30.06.2011, 10:48
Eine echte Trouvaille, danke.:Blumen:

Wem es wie mir geht und den Autor nicht kennt:
http://de.wikipedia.org/wiki/Alfred_Lichtenstein.

Mit 25 Jahren gestorben, ein Jammer...

the grip
03.07.2011, 19:21
Es war ein fauler Schäfer,
Ein rechter Siebenschläfer,
Ihn kümmerte kein Schaf.

Ein Mädchen konnt' ihn fassen,
Da war der Tropf verlassen,
fort Appetit und Schlaf!

Es trieb ihn in die Ferne,
Des Nachts zählt' er die Sterne,
Er klagt' und härmt' sich brav.

Nun, da sie ihn genommen,
Ist alles wieder kommen,
Durst Appetit und Schlaf.

the grip
07.07.2011, 14:14
Alle Hunde lieben Prosa, ganz besonders dieser diese:
Ich starb in jenem heißen Sommer 1965 nach einer
kleinen Affäre mit einem ungebackenen Brot – ich fraß
eine Schüssel Hefeteig, und dann döste ich in der Sonne.

Großer Fehler!

Lyrisch belegt: Hunde sind a) die besseren Menschen und b) die besseren Dichter.

the grip
09.07.2011, 20:07
Das Leben hat doch
keinen geraden Gang,
nie gehabt,
die Schöpfung auch nicht,
Sie brechen Ihr Leben in Stücken ab
wie man Schokolade bricht,
plötzlich ist sie alle.

the grip
14.07.2011, 09:16
Es hat ein hübsches Maidel
Nur allzuviel zu tun,
Der Bursche trinkt manch Seidel
Und kann hernach nicht ruhn.
Und wenn sie dann sich trafen,
Wer kann dann was dafür?
Er hat den Rausch verschlafen,
Der Rausch er schläft mit ihr.

bellamartha
14.07.2011, 09:40
Moin grip!
Als ich eben laufen war und mich auf dein heutiges Gedicht freute, fiel mir ein kleines Dankeschön-Präsent für dich ein. Wenn du mir per PN deine Adresse schickst, schicke ich es dir.
Schöne Grüße & schönen Tag, Judith.

the grip
17.07.2011, 12:01
Knuddeln! Knuddeln! Immer dieses blöde Knuddeln!
Das ist der Preis dafür, dass sie mich liebt.
Selbst wenn ich gierig Futter schlinge und meine Lefzen tropfen,
Kriecht sie auf allen vieren zu mir ran –
Und alles, was sie will, ist

Knuddeln! Knuddeln! Belästigt und verfolgt,
Das ist der Preis für dreimal täglich Gassi gehen.
Selbst wenn ich Fliegen schnappe oder Sonnenstrahlen,
Kriecht sie wie eine große Schlange an mich ran –
Und dieser fellbesessne Blick in ihren Augen…

the grip
21.07.2011, 10:22
Die Luft ist voll von deinem Duft,
O süßer Leib du von Jasmin!
Die Uhr schlägt drei. Am Horizont
Die ersten rosa Wolken ziehn.

Die ersten rosa Wolken ziehn
Am Horizont. Die Uhr schlägt drei.
O süßer Leib du von Jasmin,
Die Luft ist voll von deinem Duft!

Tina30
21.07.2011, 14:23
Ohh sehr poetisch. Ich hoffe ich darf hier mal ein Kompliment zum Ausdruck bringen, ich finde die Gedichte (http://www.briefgold.at/wohnungsaufloesung) sehr schön. Demnächst werde ich mich wohl auch an eines heranwagen!!

the grip
24.07.2011, 11:04
Ich wollte, ich wär' eine Fledermaus,
Eine ganz verluschte, verlauste,
Dann hing ich mich früh in ein Warenhaus
Und flederte nachts und mauste,
Daß es Herrn Silberstein grauste.
Denn Meterflaus, Fliedermus, Fledermaus –
(Es geht nicht mehr, mein Verstand läuft aus.)

the grip
28.07.2011, 12:37
Er war ein leichter Gegner, fett
wie eine Hummel, ich brachte ihn
außer Atem, die Linke ein paarmal vor,
die Rechte unter seiner Deckung durch,
ich ließ mir Zeit; alle tranken Bier
und warteten auf den Hauptkampf
und ich dachte dran, wie wir uns
das Haus einrichten würden, ich
würde eine Werkbank brauchen,
diverses Handwerkszeug, und da
kam er mit einer Rechten
bei mir durch –
ich hatte zu den Deckenlampen hoch-
gesehen, und im nächsten Augenblick
war die Meute am Schreien und ich
lag auf den Knien, wie zum Gebet,
und als ich hochkam, war er stark
und ich schwach; naja, sagte ich mir,
geh ich halt wieder zurück auf die Farm,
ich war schon immer ein
schlechter Sieger.

the grip
31.07.2011, 19:45
In einem Lokal
Bat ich einmal
Die Kellnerin
Weil ich oft durstig bin
Um einen Kirsch

Unwirsch
Kam sie zurück
Brachte ein Stück
Kirschtorte
Mir fehlten die Worte

the grip
04.08.2011, 09:31
Herr Steuermann, ach Steuermann.
Mein Herz ist gar so schwer.
"So bind ein gut Stück Eisen dran
Und wirf es über Bord ins Meer."

Ob meine schwangere Liebste weint?
Eine Trän? Zwei Trän? Drei Trän?
Ho! Meine krumme Mutter meint,
Ich sei ein reicher Kapitän.

Ist Mutters Haus mit Stroh bedeckt,
Wie sie sich freuen kann.
Doch wie ein Sturm mit Branntwein schmeckt,
Das geht sie einen Hundsdreck an.

the grip
07.08.2011, 10:44
Was dem Auge dar sich stellet,
Sicher glauben wirs zu schaun;
Was dem Ohr sich zugesellet,
Gibt uns nicht ein gleich Vertraun.
Darum deine lieben Worte
Haben oft mir wohlgetan;
Doch ein Blick am rechten Orte,
Übrig läßt er keinen Wahn

the grip
11.08.2011, 09:46
Es setzten sich sechs Schwalben
Auf sechs Dückdalben
Und haben 3 Minuten vereint
Um den Herzog von Alba geweint
Und flogen weiter und hatten zu sechst
Doch richtig die ganzen Dückdalben beklext.

the grip
14.08.2011, 10:13
Neues vom Tage

Da hilft kein Zorn. Da hilft kein Spott.
Da hilft kein Weinen, hilft kein Beten.
Die Nachricht stimmt! Der Liebe Gott
ist aus der Kirche ausgetreten.

the grip
18.08.2011, 11:26
Musik am Morgen

Es ist besser als Liebe, denn
es hinterlässt keine Wunden: am Morgen
stellt sie das Radio an, Brahms oder Ives
oder Strawinski oder Mozart. Sie kocht
die Eier und zählt laut die Sekunden:
56, 57, 58 … Sie pellt die Eier,
bringt sie mir ans Bett. Nach dem
Frühstück sitze ich in meinem alten
Sessel und höre mir die Musik an. Sie
trinkt ihr erstes Glas Scotch und
raucht ihre dritte Zigarette. Ich sage
ihr, dass ich mal wieder auf ein paar
Pferde wetten muss. Sie ist seit zwei
Tagen und Nächten da. "Wann sehe ich
dich wieder?" frage ich. "Wann du
willst", meint sie. Ich nicke, und
das Radio spielt Mozart dazu.

bellamartha
18.08.2011, 14:30
Hi Grip!
Da du mein überaus liebenswertes Angebot zur Übersendung eines kleinen Dankeschöns für die stete Pflege dieses Ortes der Poesie ja ohne Worte ausgeschlagen, also nicht angenommen hast, bedanke ich mich jetzt hier mit einem Gedicht, das mir gefällt und das zum Thema hier passt:

Viel Spaß mit Johann Wolfgang Goethe::Blumen:

Geständnis

Was ist schwer zu verbergen? Das Feuer!
Denn bei Tage verrät's der Rauch,
Bei Nacht die Flamme, das Ungeheuer.
Ferner ist schwer zu verbergen auch
Die Liebe; noch so stille gehegt,
Sie doch gar leicht aus den Augen schlägt.

Am schwersten zu bergen ist ein Gedicht;
Man stellt es untern Scheffel nicht.
Hat es der Dichter frisch gesungen,
So ist er ganz davon durchdrungen.
Hat er es zierlich nett geschrieben,
Will er, die ganze Welt soll's lieben.
Er liest es jedem froh und laut,
Ob es uns quält, ob es erbaut

Pantone
18.08.2011, 16:56
Wieso ist mir dieser Thread bisher durchgegangen? Ich bin ganz begeistert von ihm, dankeschön :Blumen: !

the grip
21.08.2011, 16:26
Die Katzen

Verliebte glühend und gelehrte brütend
Verehren wenn des alters reife naht
Die katzen sanft und stark - des hauses saat -
Gleich ihnen fröstelnd und das zimmer hütend.

Des wissens freunde und der sinnesglut -
Der stillen schauerlichen nacht genossen -
Der Orkus nähme sie zu toten rossen:
Bezwänge sich zum dienst ihr hoher mut.

Sie gleichen wenn sie sinnen edlen büsten:
Den großen sfinxen hingestreckt in wüsten
Die ewig schläfert eine traumes-hand.

Aus ihren hüften funken sich entfernen
Und goldne teilchen wie ein feiner sand
Ihr rätselvolles augenrund besternen.

the grip
25.08.2011, 09:54
Die Geburtenzahl
Ging herunter,
Traf der Pfarrer im Tal
Nachts noch munter.

Heidel da diedel dumm
Wie war es schön im Tal!
Aufwärts steigt wiederum
Bald die Geburtenzahl.

Und dann lächelt alles froh
Im statistischen Büro.

the grip
29.08.2011, 08:22
Eine einzige Nacht an deinem Herzen! – Das andre
Gibt sich. Es trennet uns noch Amor in Nebel und Nacht.
Ja, ich erlebe den Morgen, an dem Aurora die Freunde
Busen an Busen belauscht, Phöbus, der frühe, sie weckt.

the grip
01.09.2011, 09:25
"Sie faule, verbummelte Schlampe,"
Sagte der Spiegel zur Lampe.
"Sie altes, schmieriges Scherbenstück,"
Gab die Lampe dem Spiegel zurück.
Der Spiegel in seiner Erbitterung
Bekam einen ganz gewaltigen Sprung.
Der zornigen Lampe verging die Puste.
Sie fauchte, rauchte, schwelte und rußte.
Das Stubenmädchen ließ beide in Ruhe,
Und doch: Ihr schob man die Schuld in die Schuhe.

Wandergsellin
01.09.2011, 10:43
Ein Gedicht mit einer Lampe passt ja heute perfekt :Lachen2:

the grip
11.09.2011, 18:18
Hab ich tausendmal geschworen,
Dieser Flasche nicht zu trauen,
Bin ich doch wie neugeboren,
Läßt mein Schenke fern sie schauen.
Alles ist an ihr zu loben,
Glaskristall und Purpurwein.
Wird der Pfropf herausgehoben –
Sie ist leer, und ich nicht mein.

Hab ich tausendmal geschworen,
Dieser Falschen nicht zu trauen,
Und doch bin ich neugeboren,
Läßt sie sich ins Auge schauen.

Mag sie doch mit mir verfahren,
Wie’s dem stärksten Mann geschah;
Deine Scher in meinen Haaren,
Allerliebste Dalila!

the grip
11.09.2011, 18:19
Was weiß ich

Lieb ich Dich?
Ich weiß es nicht.
Gestern Abend um halb acht
hab ich es mal kurz gedacht
aber schon um Viertel vor
kam's mir unwahrscheinlich vor.
Dann eine halbe Stunde lang –
anhaltender Liebesdrang,
der drauf der Überzeugung wich:
Ich lieb dich nicht. Ach, was weiß ich…

the grip
11.09.2011, 21:46
Ich wohnte früher weit von hier,
Zwei Häuser trennen mich jetzt von Dir:
Es kam mir oft schon in den Sinn
Ach! wärst Du meine Nachbarin.

bellamartha
11.09.2011, 21:52
Heute so großzügig, grip?
Vielen Dank?
J., die noch nicht zum Präsentversand gekommen ist.

the grip
15.09.2011, 11:16
Damentoast im Obstgarten

Casanova sprach lächelnd zu seinen Gästen:
„Mit den Frauen ist es,
ich hoffe, ihr wisst es,
wie mit den Äpfeln rings an den Ästen.
Die schönsten schmecken nicht immer am besten.“

the grip
18.09.2011, 10:35
Nein, nein, ich widerspreche!
Sie widersprechen mir, mein Herr?
Nein, Gott bewahre, Ihrem Nachbarn!
Dem hier zur Rechten wohl gar?
O nein, wie käm ich denn dazu, niemals!
So dem zur Linken, sagen Sie schon!
Iwo, iwo, dem linken nicht und nicht dem rechten.
Da kenn sich einer aus, sagten Sie nicht
soeben, dass Sie widersprächen?
Wie? Sagte ich, ich widerspräche? Das
muss ich aber glatt verneinen.

pumuggel
18.09.2011, 11:20
Habe mich gerade durch alle Seiten "durchgearbeitet" - schön :Blumen: .


Ein Sportgedicht (http://www.kim-bostroem.de/Library/Misc/Sportgedicht.pdf)

Alfalfa
18.09.2011, 12:24
Marquardt ist genial. Danke, grip.
Das "Was weiß ich" auf der letzten Seite ist eins meiner Lieblingsgedichte.

the grip
18.09.2011, 14:50
Marquardt ist genial. Danke, grip.
Das "Was weiß ich" auf der letzten Seite ist eins meiner Lieblingsgedichte.

Axel Marquardt ist übrigens Ende August verstorben.

the grip
22.09.2011, 09:33
Was für ein Neuling ist doch Der, welcher wähnt, Geist und Verstand zu zeigen wäre ein Mittel, sich in Gesellschaft beliebt zu machen!

Arthur Schopenhauer: Aphorismen zur Lebensweisheit.

the grip
22.09.2011, 09:34
Wilhelm Müller:

Herbst

In den Reben lieg ich hier,
Grün und gelb umrankt,
Wo die schwere Traube mir
Um die Lippen wankt.

Netze sie mit frischer Kost,
Herbst, ich wittre was –
Hast du denn noch keinen Most,
Alter Herr, im Faß?

Ist es noch nicht Kelterzeit
In dem Garten hier?
Mach dich, Winzerin, bereit
Und komm her zu mir.

Traub an Traube dränget sich
Deinen Händchen zu,
Bittend: Ach, zerdrück mich,
schönes Mädchen du!

the grip
25.09.2011, 12:55
Der Affe

Zausen einer Vogelscheuche,
angedrohte Maulschellen…
Des Affen Sitten und Gebräuche
sind die durchaus konventionellen.

Haarig ist er. (Weil entbehrlich,
afterwärts jedoch bloß spärlich.)

Der Affe gafft gern, feixt – und saust
den Affenweibchen hinterher,
nachdem er sie galant gelaust.
Die Folge meist: Geschlechtsverkehr.

the grip
29.09.2011, 10:13
Der Globus

„Wo sitzt“, frug der Globus leise
Und naseweis die weise, weiße,
Unübersehbar weite Wand,
„Wo sitzt bei uns wohl der Verstand?“

Die Wand besann sich eine Weile,
Sprach dann: „Bei dir – im Hinterteile!“

Nun dreht seitdem der Globus leise
Sich um und um herum im Kreise –
Als wie am Bratenspieß ein Huhn,
Und wie auch wir das schließlich tun –
Dreht stetig sich und sucht derweil
Sein Hinterteil, sein Hinterteil.

the grip
02.10.2011, 11:09
Stimme von der Galerie

Die Welt ist ein Theaterstück.
Spielt eure Rollen gut! Ihr spielt ums Leben.
Seid Freund! Seid Feind! Habt Macht! Habt Glück!
Ich spiel nicht mit. In jedem Stück
muß es auch Menschen, die bloß zuschaun, geben.

Und wenn das Stück mißfällt, so laßt mich schließen,
ist das noch längst kein Grund, aufs Publikum zu schießen.

Alfalfa
02.10.2011, 14:00
Wie ist das bei dir:

Fällt dir bei deinem aufmerksamen Gang durchs Leben in bestimmten Situationen tatsächlich ein bestimmtes Gedicht ein, das du dir mal gemerkt hast und das zu passen scheint, und du stellst es dann hier rein?

Oder liest du regelmäßig Gedichte, zum Beispiel Kästner, und eines davon hat einfach Glück und landet hier?

Würde mich interessieren. Vielleicht hätten wir uns in Sölden nicht nur kurz die Hand geben sollen. Aber es war halt auch wenig Zeit.

the grip
02.10.2011, 14:34
Wie ist das bei dir:

Fällt dir bei deinem aufmerksamen Gang durchs Leben in bestimmten Situationen tatsächlich ein bestimmtes Gedicht ein, das du dir mal gemerkt hast und das zu passen scheint, und du stellst es dann hier rein?

Oder liest du regelmäßig Gedichte, zum Beispiel Kästner, und eines davon hat einfach Glück und landet hier?

Würde mich interessieren. Vielleicht hätten wir uns in Sölden nicht nur kurz die Hand geben sollen. Aber es war halt auch wenig Zeit.

Die Realität sieht viel banaler aus. Wird aber hier nicht verraten.
Vielleicht kreuzen sich unsere Wege 2011/2012 bald wieder.
Nein - aufm Oktoberfest bestimmt nicht.

the grip
06.10.2011, 09:49
Nachgefühl

Wenn die Reben wieder blühen,
Rühret sich der Wein im Fasse;
Wenn die Rosen wieder glühen,
Weiß ich nicht, wie mir geschieht.

Thränen rinnen von den Wangen,
Was ich thue, was ich lasse;
Nur ein unbestimmt Verlangen
Fühl‘ ich, das die Brust durchglüht.

Und zuletzt muß ich mir sagen,
Wenn ich mich bedenk‘ und fasse,
Daß in solchen schönen Tagen
Doris einst für mich geglüht.

the grip
08.10.2011, 19:13
Flie und Ele

Fliegend entfernten sich die Fliegen.
Doch ließen sie auf Ei und Kaviar
Zwei, drei, vier Fliegenexkremente liegen.
Die aß der Mensch und ward es nicht gewahr.
Ein Elefant bemerkte diesen Fall
Und rollte einen schweren, goldnen Ball
Nicht ohne leises Lächeln durch den Stall.

the grip
13.10.2011, 17:35
Unterwelt/I

Blieb ich doch ein Junggeselle! –
Seufzet Pluto tausendmal –
Jetzt, in meiner Ehstandsqual,
Merk ich, früher ohne Weib
War die Hölle keine Hölle.

Blieb ich doch ein Junggeselle!
Seit ich Proserpine hab,
Wünsch ich täglich mich ins Grab!
Wenn sie keift, so hör ich kaum
Meines Cerberus Gebelle.

Stets vergeblich, stets nach Frieden
Ring ich. Hier im Schattenreich
Kein Verdammter ist mir gleich!
Ich beneide Sisyphus
Und die edlen Danaiden.

the grip
17.10.2011, 07:30
Der Briefmark

Ein männlicher Briefmark erlebte
Was Schönes, bevor er klebte.
Er war von einer Prinzessin beleckt.
Da war die Liebe in ihm erweckt.
Er wollte sie wiederküssen,
Da hat er verreisen müssen.
So liebte er sie vergebens.
Das ist die Tragik des Lebens …

the grip
20.10.2011, 09:37
Unterwelt/II

Auf goldenem Stuhl, im Reiche der Schatten,
Zur Seite des königlichen Gatten,
Sitzt Proserpine
Mit finstrer Miene,
Und im Herzen seufzte sie traurig:

Ich lechze nach Rosen, nach Sangesergüssen
Der Nachtigall, nach Sonnenküssen –
Und hier unter bleichen
Lemuren und Leichen
Mein junges Leben vertraur ich!

Bin festgeschmiedet am Ehejoche,
In diesem verwünschten Rattenloche!
Und des Nachts die Gespenster,
Sie schaun mir ins Fenster,
Und der Styx, er murmelt so schaurig!

Heut hab ich den Charon zu Tische geladen –
Glatzköpfig ist er und ohne Waden –
Auch die Totenrichter,
Langweilge Gesichter –
In solcher Gesellschaft versaur ich.

pumuggel
22.10.2011, 21:48
Beim Lesen des Paleo Freds kamen mir irgendwie diese in den Sinn:

Laß ihn
Er ist verliebt, laß ihn gewähren,
Bekümmre dich um dein Pläsier,
Und kommst du gar, ihn zu bekehren,
Wirft er dich sicher vor die Tür.
Mit Gründen ist da nichts zu machen.
Was einer mag, ist seine Sach,
Denn kurz gesagt: In Herzenssachen
Geht jeder seiner Nase nach.

Rechthaber
Seine Meinung ist die rechte,
Wenn er spricht, müßt ihr verstummen,
Sonst erklärt er euch für Schlechte
Oder nennt euch gar die Dummen.
Leider sind dergleichen Strolche
Keine seltene Erscheinung.
Wer nicht taub, der meidet solche
Ritter von der eignen Meinung.

Wandergsellin
22.10.2011, 22:26
:Blumen:

the grip
23.10.2011, 11:21
Avant-propos

Ich kann ein Buch doch nennen wie ich will
Und orthographisch nach Belieben schreiben!
Wer mich nicht lesen mag, der laß es bleiben.
Ich darf den Sau, das Klops, das Krokodil
Und jeden andern Gegenstand bedichten,
Darf ich doch ungestört daheim
Auch mein Bedürfnis, wie mir’s paßt, verrichten.
Was könnte mich zu Geist und reinem Reim,
Was zu Geschmack und zu Humor verpflichten? –
Bescheidenheit? – captatio – oho!
Und wer mich haßt, –– sie mögen mich nur hassen!
Ich darf mich gründlich an den Hintern fassen
Sowie an den avant-propos.

bellamartha
23.10.2011, 12:19
@ pumuggel:
Danke! :Blumen:
J.

pumuggel
23.10.2011, 20:42
:Blumen:

@ pumuggel:
Danke! :Blumen:
J.

Danke :) .

Geschmacksache
Dies für den und das für jenen.
Viele Tische sind gedeckt.
Keine Zunge soll verhöhnen,
Was der andern Zunge schmeckt.
Lasse jedem seine Freuden,
Gönn ihm, daß er sich erquickt,
Wenn er sittsam und bescheiden
Auf den eignen Teller blickt.

Wenn jedoch bei deinem Tisch er
Unverschämt dich neckt und stört,
Dann so gib ihm einen Wischer,
Daß er merkt, was sich gehört.


Ich hoffe the grip stört es nicht, wenn ich hier auch ab und an mal...

Alfalfa
23.10.2011, 21:57
The grip:

Ich fürchte ja, dass auch die anderen Teile von Heines Unterwelt noch folgen...
Ich weiß es sehr zu schätzen, dass du sie mit Ringelnatz umgibst.

the grip
27.10.2011, 10:30
Solidität

Liebe sprach zum Gott der Lieder,
Sie verlange Sicherheiten,
Ehe sie sich ganz ergebe,
Denn es wären schlechte Zeiten.

Lachend gab der Gott zur Antwort:
Ja, die Zeiten sich verändern,
Und du sprichst jetzt wie ein alter
Wuchrer, welcher leiht auf Pfändern.

Ach, ich hab nur eine Leier,
Doch sie ist von gutem Golde.
Wieviel Küsse willst du borgen
Mir darauf, o meine Holde?

the grip
30.10.2011, 09:48
The grip:

Ich fürchte ja, dass auch die anderen Teile von Heines Unterwelt noch folgen...
Ich weiß es sehr zu schätzen, dass du sie mit Ringelnatz umgibst.

Auf Heine folgt wunschgemäß Ringelnatz :Blumen: :

Die Schnupftabaksdose

Es war eine Schnupftabaksdose,
Die hatte Friedrich der Große
Sich selbst geschnitzelt aus Nußbaumholz.
Und darauf war sie natürlich stolz.

Da kam ein Holzwurm gekrochen,
Der hatte Nußbaum gerochen.
Die Dose erzählte ihm lang und breit
Von Friedrich dem Großen und seiner Zeit.

Sie nannte den alten Fritz generös.
Da aber wurde der Holzwurm nervös
Und sagte, indem er zu bohren begann:
"Was geht mich Friedrich der Große an!"

Alfalfa
30.10.2011, 10:58
Auf Heine folgt wunschgemäß Ringelnatz :Blumen: :


Das ist sehr aufmerksam, Danke.
Es war ja eher ein versteckter Wunsch.

the grip
03.11.2011, 09:58
Die Made

Hinter eines Baumes Rinde
wohnt die Made mit dem Kinde.

Sie ist Witwe, denn der Gatte,
den sie hatte, fiel vom Blatte.
Diente so auf diese Weise
einer Ameise als Speise.

Eines Morgens sprach die Made:
„Liebes Kind, ich sehe grade,
drüben gibt es frischen Kohl,
den ich hol. So leb denn wohl!
Halt, noch eins! Denk, was geschah,
geh nicht aus, denk an Papa!“

Also sprach sie und entwich. -
Made junior aber schlich
hinterdrein; und das war schlecht!
Denn schon kam ein bunter Specht
und verschlang die kleine fade
Made ohne Gnade. Schade!

Hinter eines Baumes Rinde
ruft die Made nach dem Kinde ...

the grip
10.11.2011, 10:39
K.-Jammer

Diese graue Wolkenschar
Stieg aus einem Meer von Freuden;
Heute muß ich dafür leiden,
Daß ich gestern glücklich war.

Ach, in Wermut hat verkehrt
Sich der Nektar! Ach, wie quälend
Katzenjammer, Hundeelend
Herz und Magen mir beschwert.

the grip
13.11.2011, 09:55
Der November

Ach, dieser Monat trägt den Trauerflor …
Der Sturm ritt johlend durch das Land der Farben.
Die Wälder weinten. Und die Farben starben.
Nun sind die Tage grau wie nie zuvor.
Und der November trägt den Trauerflor.

Der Friedhof öffnete sein dunkles Tor.
Die letzten Kränze werden feilgeboten.
Die Lebenden besuchen ihre Toten.
In der Kapelle klagt ein Männerchor.
Und der November trägt den Trauerflor.

Was man besaß, weiß man, wenn man’s verlor.
Der Winter sitzt schon auf den kahlen Zweigen.
Es regnet, Freunde, und der Rest ist Schweigen.
Wer noch nicht starb, dem steht es noch bevor.
Und der November trägt den Trauerflor …

the grip
17.11.2011, 19:22
Antwort eines trunknen Dichters

Ein trunkner Dichter leerte
Sein Glas auf einen Zug;
Ihn warnte sein Gefährte:
Hör' auf! du hast genug.

Bereit vom Stuhl zu sinken,
Sprach der: Du bist nicht klug;
Zu viel kann man wohl trinken,
Doch nie trinkt man genug.

the grip
20.11.2011, 14:58
Das Glück ist eine leichte Dirne,
Und weilt nicht gern am selben Ort;
Sie streicht das Haar dir von der Stirne
Und küßt dich rasch und flattert fort.

Frau Unglück hat im Gegenteile
Dich liebefest ans Herz gedrückt;
Sie sagt, sie habe keine Eile,
Setzt sich zu dir ans Bett und strickt.

bellamartha
20.11.2011, 16:49
Sehr schön! :)

the grip
22.11.2011, 14:34
http://www.swr3.de/Novembagedicht-Positiv-Negativ/-/id=47308/did=1267892/1s9x7vc/index.html

the grip
23.11.2011, 15:15
Familien, wenn ihnen ein Kind geboren ist
Wünschen es sich intelligent.
Ich, der ich durch Intelligenz
Mein ganzes Leben ruiniert habe
Kann nur hoffen, mein Sohn
Möge sich erweisen als
unwissend und denkfaul.
Dann wird er ein ruhiges Leben haben
Als Minister im Kabinett.

Warum mir dabei spontan Rösler und Westerwelle einfallen, keine Ahnung ... hatte gerade das Apotheker-Rundschau-Foto der beiden aus der TITANIC versucht zu googeln, aber nicht gefunden

Wandergsellin
23.11.2011, 16:44
:Lachen2: :Blumen:

the grip
24.11.2011, 09:15
Dinkel

Einst, da war’n die Menschen frei,
lebten froh und ohne Dinkel.
aßen Kohl zu fettem Pinkel
und zum Frühstück Speck und Ei.

Heute sind die Menschen froh
wenn sie aus dem Augenwinkel
schauen einen Bau von Schinkel
(Sellerie zerkauend, roh.)

the grip
27.11.2011, 12:47
Es läuten die Glocken

Wenn im Turm die Glocken läuten,
kann das viererlei bedeuten.
Erstens: daß ein Festtag ist.
Dann: daß du geboren bist.
Drittens: daß dich jemand liebt.
Viertens: daß dich’s nicht mehr gibt.
Kurz und gut, das Glockenläuten
hat nur wenig zu bedeuten.

the grip
01.12.2011, 09:23
Sie saßen und tranken am Teetisch,
Und sprachen von der Liebe viel.
Die Herren, die waren ästhetisch,
Die Damen von zartem Gefühl.

Die Liebe muß sein platonisch,
Der dürre Hofrat sprach.
Die Hofrätin lächelt ironisch,
Und dennoch seufzte sie: Ach!

Der Domherr öffnet den Mund weit:
Die Liebe sei nicht zu roh,
Sie schadet sonst der Gesundheit.
Das Fräulein lispelt: Wie so?

Die Gräfin spricht wehmütig:
Die Liebe ist eine Passion!
Und präsentieret gütig
Die Tasse dem Herren Baron.

Am Tische war noch ein Plätzchen;
Mein Liebchen, da hast du gefehlt.
Du hättest so hübsch, mein Schätzchen,
Von deiner Liebe erzählt.

Alfalfa
01.12.2011, 09:32
Was du nur immer mit Heine hast...

the grip
04.12.2011, 13:13
Was du nur immer mit Heine hast...
o.k., dann nur für Dich Heinz Erhardt:

Überlistet

Wenn Blätter von den Bäumen stürzten,
die Tage täglich sich verkürzten,
nicht nur die schönsten, auch die meisten
der Vögel nach dem Süden reisten,
und all die Maden, Motten, Mücken,
die wir versäumten zu zerdrücken,
von selber sterben – so glaubt mir:
es steht der Winter vor der Tür!

Ich laß ihn stehn!
Ich spiel ihm einen Possen!
Ich hab die Tür verriegelt
und gut abgeschlossen!
Er kann nicht rein!
Ich hab ihn angeschmiert!
Nun steht der Winter vor der Tür ---
und friert!

Alfalfa
04.12.2011, 13:23
Volltreffer :)

Wandergsellin
04.12.2011, 13:38
:Blumen:

pumuggel
04.12.2011, 16:55
Schön :Blumen:

Das Mädchen
04.12.2011, 18:58
Heinz Erhardt ist einfach großartig!
Und wenn er dann dieses Gedicht mit seinem ihm typisch schelmischen Unterton zum besten gibt...
Danke dafür :Blumen:

the grip
08.12.2011, 11:01
Der Humor ist der Regenschirm der Weisen
Und insofern unsoldatisch.
Daß wir ihn trotzdem öffentlich preisen,
scheint problematisch.
In praxi ist’s gleichgültig, was wir meinen.

Denn wir haben ja keinen.

fitschigogeler
08.12.2011, 11:35
Mehr Kästner und Heinz Erhardt :Blumen:

Gibts auch Sportliches von Tucholsky?????

the grip
11.12.2011, 18:53
event advent

die in nebelfeuchten städten wohnen
hören heilsarmeegesänge
in den alpen schleudern die kanonen
kunstschnee auf noch grüne hänge

kläuse gibts und engel zur genüge
bettler leiden unterm wetter
wers vermag bucht jetzt karibikflüge
junge kaufen snowboardbretter

jahr um jahr adventets kühner greller
ein event in dunklen tagen
alle waren zirkulieren schneller –
wär’ da sonst noch was zu sagen?

the grip
14.12.2011, 14:10
Daß oft die allerbesten Gaben
Die wenigsten Bewund'rer haben,
Und daß der größte Teil der Welt
Das Schlechte für das Gute hält;
Dies Übel sieht man alle Tage.
Jedoch, wie wehrt man dieser Pest?
Ich zweifle, daß sich diese Plage
Aus unsrer Welt verdrängen läßt.
Ein einzig Mittel ist auf Erden,
Allein es ist unendlich schwer:
Die Narren müssen weise werden;
Und seht! sie werden's nimmermehr.
Nie kennen sie den Werth der Dinge.
Ihr Auge schließt, nicht ihr Verstand:
Sie loben ewig das Geringe,
Weil sie das Gute nie gekannt.

the grip
15.12.2011, 20:28
Noch einmal ein Weihnachtsfest,
Immer kleiner wird der Rest,
Aber nehm ich so die Summe,
Alles Grade, alles Krumme,
Alles Falsche, alles Rechte,
Alles Gute, alles Schlechte –
Rechnet sich aus all dem Braus
Doch ein richtig Leben heraus.
Und dies können ist das Beste
Wohl bei diesem Weihnachtsfeste.

the grip
16.12.2011, 10:01
Heute früh, nach gut durchschlafener Nacht,
Bin ich wieder aufgewacht.
Ich setzte mich an den Frühstückstisch,
Der Kaffee war warm, die Semmel frisch,
Ich habe die Morgenzeitung gelesen
(Es sind wieder Avancements gewesen).
Ich trat ans Fenster, ich sah hinunter,
Es trabte wieder, es klingelte munter,
Eine Schürze (beim Schlächter) hing über dem Stuhle,
Kleine Mädchen gingen nach der Schule, –
Alles war freundlich, alles war nett,
Aber wenn ich weiter geschlafen hätt'
Und tät' von alledem nichts wissen,
Würd' es mir fehlen, würd' ich's vermissen?

the grip
18.12.2011, 12:14
Nachtgesang des Kammervirtuosen

Du meine Neunte Sinfonie!
Wenn du das Hemd* anhast mit rosa Streifen …
Komm wie ein Cello zwischen meine Knie,
und laß mich zart in deine Seiten greifen!

Laß mich in deinen Partituren blättern.
(Sie sind voll Händel, Graun und Tremolo.)
Ich möchte dich in alle Winde schmettern,
du meiner Sehnsucht dreigestrichnes Oh!

Komm, laß uns durch Oktavengänge schreiten!
(Das Furioso, bitte, noch einmal!)
Darf ich dich mit der linken Hand begleiten?
Doch bei Crescendo etwas mehr Pedal!

Oh deine Klangfigur! Oh die Akkorde!
Und der Synkopen rhythmischer Kontrast!
Nun senkst du deine Lider ohne Worte …
Sag einen Ton, falls du noch Töne hast!

(*Anmerkung: In besonders vornehmer Gesellschaft ersetze man das Wort 'Hemd' durch das Wort 'Kleid)

the grip
20.12.2011, 07:20
Den Sinn des Ganzen mit der Lupe suchend

Ja, sicher, Huxley tourte per Auto
durch ganz Südeuropa und schrieb ein
fabelhaftes Buch darüber, und Lawrence
malte dieses tolle Bild von einem
pissenden Mann, und Huxley schluckte
Peyote und Frieda gab Lawrence ein
richtiges Zuhause, und Huxley faßte sich
an den Kopf und sagte "Es ist hier oben"
und Lawrence griff sich an den Bauch
und sagte "Nein, da unten."
Huxley erblindete, wie man weiß, und
Lawrence hatte einen sechsten Sinn
wenn es um Tiere ging und manchmal
denke ich an ihn, manchmal an Huxley
und manchmal auch an Charo mit ihrer
Löwenmähne, so chi-chi sexy, aber
Manchmal denke ich an zwei junge Mexikaner
die im Olympic Auditorium aufeinander
eindreschen. Ja, sicher, unsere Welt
ist voll von Träumen, und manchmal
wenn ich nachts nicht schlafen kann
und mein Kopf an nichts mehr
denken will, starre ich nur
noch an die dunkle Decke

the grip
22.12.2011, 09:33
Auf dem Tisch die neue Decke
und das Porzellanservice
und die süßesten Gebäcke,
was gäbs Schöneres als dies?
Silbern klappern die Tabletts,
hin und her geht das Geschwätz:
Bitte sehr,
danke schön,
bitte sehr,
danke schön.

Aufgetan ist für die Kleinchen
köstlich und verschwenderisch.
Und die rotbehosten Beinchen
schaukeln unterm Kaffeetisch.
Höflich wie Erwachsene
reicht man sich die Schlagsahne:
Bitte sehr,
danke schön,
bitte sehr, danke schön.

Alfalfa
22.12.2011, 10:33
Den Sinn des Ganzen mit der Lupe suchend

Ja, sicher, Huxley...

Ein ganz wunderbarer Text, von Bukowski.
Gerade nochmal gelesen: Immer noch.

Schöne Weihnachten, grip.

pumuggel
22.12.2011, 19:31
Schenken

Schenke groß oder klein,
Aber immer gediegen.
Wenn die Bedachten
Die Gaben wiegen,
Sei Dein Gewissen rein.

Schenke herzlich und frei.
Schenke dabei,
Was in Dir wohnt
An Meinung, Geschmack und Humor,
So daß die eigene Freude zuvor
Dich reichlich belohnt.

Schenke mit Geist ohne List.
Sei eingedenk,
Daß Dein Geschenk
Du selber bist.

fitschigogeler
22.12.2011, 20:12
Ein ganz wunderbarer Text, von Bukowski.
Gerade nochmal gelesen: Immer noch.



Der Held meiner verflossenen Jugend.

Danke für die vielen schönen und überraschenden Texte, Grip!

the grip
26.12.2011, 14:08
Der Mund, den Liebe bildete,
Er sprach zu mir das Wort: "Ich hasse",
Der ich um sie verschmachtete.
Doch als sie sieht wie ich erblasse,
Kommt Mitleid in ihr Herz zurück,
Sie schilt die Zunge, die mit süßem
Gewähren sonst mir gab das Glück,
Und lehrt sie so von neuem grüßen:
Zum Hasse wird ein Wort getan,
Das folget ihm wie Tageshelle
Der Nacht, die von des Himmels Bahn
Dämonen gleich, entfloh zur Hölle:
Dem Haß entriß sie Hasses Sieg,
Gab Leben neu und sprach "Nicht dich".

Wünsche Euch noch schöne Rest-Weihnachten !

the grip
29.12.2011, 09:43
Haltloser Gesang für zwei

Ach Gott, ein neues Jahresende,
die Tage kurz und nebelschwer –
so hasten sie durch das Gelände,
und halten kann sie keiner mehr.

Das Leben war mal ein Versprechen
auf vieles, das erreichbar wär.
Nun sehen wir Versprechen brechen,
und halten kann sie keiner mehr.

Im nächsten Jahr wird alles besser,
die Meute schreit: Viel Feind, viel Ehr.
Dann läuft sie geradewegs ins Messer,
und halten kann sie keiner mehr.

Wir aber finden zueinander
und fliehen über Land und Meer.
Nur flüchtig sind wir beieinander,
sind wir für immer beieinander –

und halten kann uns keiner mehr.

Guten Rutsch und fangt das Neue Jahr gut an !

bellamartha
29.12.2011, 18:52
Lieber grip,

schon lange habe ich überlegt, ob ich mein absolutes Lieblings-Gedichte-Highlight mal hier posten soll. Dachte dann oft, nein lieber nicht, ich mag es nicht teilen, es ist so kostbar. Aber erstens kennst du (und die anderen) es vermutlich, weil es so schön und auch nicht soo unbekannt ist und zweitens soll man nicht mit Schönem Geizen. Also will ich es heute, gleichsam als nachträgliches Weihnachtsgeschenk und als Präsent für ein gutes neues Jahr, mit euch teilen und hoffe, dass es euch auch so gut gefällt. Es handelt, wie sollte es bei mir auch anders sein, vom Schwimmen im weitesten Sinne. Oder vom Sommer. Nein, von beidem:

Vom Schwimmen in Seen und Flüssen - Bertolt Brecht

Im bleichen Sommer, wenn die Winde oben
Nur in dem Laub der großen Bäume sausen
Muss man in Flüssen liegen oder Teichen,
Wie die Gewächse, worin Hechte hausen.
Der Leib wird leicht im Wasser. Wenn der Arm
Leicht aus dem Wasser in den Himmel fällt
Wiegt in der kleine Wind vergessen
Weil er ihn wohl für braunes Astwerk hält.

Der Himmel bietet mittags große Stille.
Man macht die Augen zu, wenn Schwalben kommen.
Der Schlamm ist warm. Wenn kühle Blasen quellen
Weiß man: Ein Fisch ist jetzt durch uns geschwommen.
Mein Leib, die Schenkel und der stille Arm
Wir liegen still im Wasser, ganz geeint.
Nur wenn die kühlen Fische durch uns schwimmen
Fühl ich, dass Sonne überm Tümpel scheint.

Wenn man am Abend von dem langen Liegen
Sehr faul wird, so, dass alle Glieder beißen
Muss man das alles, ohne Rücksicht, klatschend
In blaue Flüsse schmeißen, die sehr reißen.
Am besten ist's, man hält's bis Abend aus
Weil dann der bleiche Haifischhimmel kommt
Bös und gefräßig über Fluss und Sträuchern
Und alle Dinge sind, wie's ihnen frommt.

Natürlich muss man auf dem Rücken liegen
So wie gewöhnlich. Und sich treiben lassen.
Man muss nicht schwimmen, nein, nur so tun, als
Gehöre man einfach zu den Schottermassen.
Man soll den Himmel anschaun und so tun
Als ob einen ein Weib trägt, und es stimmt.
Ganz ohne großen Umtrieb, wie der liebe Gott tut
Wenn er am Abend noch in seinen Flüssen schwimmt.



Ich freue mich schon jetzt auf's Schwimmen in freien Gewässern!
Lieber grip, komm gut ins Neue Jahr! Ihr anderen natürlich auch.
Schöne Grüße
J.

the grip
01.01.2012, 11:28
Zum Neuen Jahr

"Wird’s besser? Wird’s schlimmer?"
fragt man alljährlich.
Seien wir ehrlich:
Leben ist immer
lebensgefährlich

the grip
05.01.2012, 09:55
Stoßgebet eines Rentners. Mit patzigen Antworten vom Lieben Gott.

Ruhestand, du lieber Gott!
Jeden Tag der gleiche Trott!
Nichts zu tun und nichts zu machen …
Lieber Gott: … und nichts zu lachen.

Lieber Gott, was soll denn das!
So ein Leben ist kein Spaß!
Nichts zu zaudern, nichts zu zanken …
Lieber Gott: … tja, nichts zu danken.

Lieber Gott, so hilf mir doch!
Aus dem langweiligen Joch!
Nichts zu werkeln, nichts zu stricken …
Lieber Gott: … und nicht zu saufen.

Teufel auch! Jetzt hab ich’s satt!
Ich häng mich auf! Da bist du platt!
Ich hab genug von deinen Zoten!
Lieber Gott knüpft ihm den Knoten.

the grip
08.01.2012, 11:43
Sexuelle Aufklärung

Der alte Storch wird nun begraben.
Ihr Kinder lernt im Unterricht,
Warum wir dies und jenes haben,
Und es verbreitet sich das Licht.

Zu meiner Zeit, du große Güte!
Da herrschte tiefe Geistesnacht
Man ahnt manches im Gemüte
Und hat sich selber was gedacht.

Mich lehrte dieses kein Professer;
Nur eine gute, dicke Magd
Nahm meine Unschuld unters Messer
Und machte auf dieselbe Jagd.

Ihr Unterricht war nicht ästhetisch,
Im Gegenteil, sehr weit entfernt.
Und doch, wenn auch nicht theoretisch,
Ich hab es ziemlich gut gelernt.

the grip
12.01.2012, 10:40
Telefonischer Ferngruß

Ich grüße dich durchs Telefon,
Guten Morgen, du Gutes!
Ich sauge deiner Stimme Ton
In die Wurzeln meines Mutes.

Ich küsse dich durch den langen Draht,
Du Meinziges, du Liebes!
Was ich dir – nahe – je Böses tat,
Aus der Ferne bitt ich: Vergib es!

Bist du gesund? – Gut! – Was? – Wieviel? –
Nimm’s leicht! – Vertraue! – Und bleibe
Mir mein. – – Wir müssen dies Wellenspiel
Abbrechen – – Nein "dir" Dank! – – Ich schreibe! – –

the grip
15.01.2012, 09:30
O mein gnädiges Fräulein, erlaubt
Mir kranken Sohn der Musen
Daß schlummernd ruhe mein Sängerhaupt
Auf eurem Schwanenbusen!

"Mein Herr! wie können Sie es wagen,
Mir so was in Gesellschaft zu sagen?"

the grip
19.01.2012, 09:34
Kleiner Rat für Damokles

Schau prüfend deckenwärts!
Die Nähe des möglichen Schadens
liegt nicht in der Schärfe des Schwertes,
vielmehr in der Dünne des Fadens.

Triathletin
19.01.2012, 12:22
Coole Gedichte :cool:

The Grip wo liegt eigentlich "Passivhaus " ?

the grip
19.01.2012, 12:26
Coole Gedichte :cool:

The Grip wo liegt eigentlich " Passivhaus (http://www.wir-leben-haus.de/) " ?

Nicht in Schond(r)a.

the grip
22.01.2012, 09:26
Selbstbetrug

Der Vorhang schwebet hin und her
Bei meiner Nachbarin:
Gewiß, sie lauschet überquer,
Ob ich zu Hause bin,

Und ob der eifersüchtge Groll,
Den ich am Tag geheget,
Sich, wie er nun auf immer soll,
Im tiefen Herzen regt.

Doch leider hat das schöne Kind
Dergleichen nicht gefühlt.
Ich seh, es ist der Abendwind,
Der mit dem Vorhang spielt.

the grip
29.01.2012, 10:56
Kleine Stadt am Sonntagmorgen

Das Wetter ist recht gut geraten.
Der Kirchturm träumt vom lieben Gott.
Die Stadt riecht ganz und gar nach Braten
und auch ein bißchen nach Kompott.

Am Sonntag darf man lange schlafen.
Die Gassen sind so gut wie leer.
Zwei alte Tanten, die sich trafen,
bestreiten rüstig den Verkehr.

Sie führen wieder mal die alten
Gespräche, denn das hält gesund.
Die Fenster gähnen sanft und halten
sich die Gardinen vor den Mund.

Der neue Herr Provisor lauert
auf sein gestärktes Oberhemd.
Er flucht, weil es so lange dauert.
Man merkt daran: Er ist hier fremd.

Er will den Gottesdienst besuchen,
denn das erheischt die Tradition.
Die Stadt ist klein. Man soll nicht fluchen.
Pauline bringt das Hemd ja schon!

Die Stunden machen kleine Schritte
und heben ihre Füße kaum.
Die Langeweile macht Visite.
Die Tanten flüstern über Dritte.
Da drüben, auf des Marktes Mitte,
schnarcht leise der Kastanienbaum.

the grip
31.01.2012, 09:20
Winterschlaf

Indem man sich nunmehr zum Winter wendet,
Hat es der Dichter schwer,
Der Sommer ist geendet,
Und eine Blume wächst nicht mehr.

Was soll man da besingen?
Die meisten Requisiten sind vereist.
Man muß schon in die eigene Seele dringen
–* Jedoch, da haperts meist.

Man sitzt besorgt auf seinem Hintern,
Man sinnt und sitzt sich seine Hose durch,
– Da hilft das eben nichts, da muß man eben überwintern
Wie Frosch und Lurch.

the grip
02.02.2012, 09:31
An?

Stehst du in vertrautem Umgang mit Damen,
Schweig, Freundchen! still, und nenne nie Namen:
Um ihretwillen, wenn sie fein sind,
Um deinetwillen, wenn sie gemein sind.

the grip
05.02.2012, 09:15
Wenn alles stimmt, was ich mir denk‘,
Greift aus fünf Gründen man zum Getränk.
Der Wein ist gut – ein Freund ist da
Man ist zu nüchtern,
Oder es ist halt schon lang her –
Und selbst aus andern Gründen fällt’s nicht schwer.

the grip
07.02.2012, 09:53
Schläft ein Lied in allen Dingen,
Die da träumen fort und fort,
Und die Welt hebt an zu singen,
Triffst du nur das Zauberwort.

TriVet
07.02.2012, 09:54
Schön.:Blumen:

the grip
09.02.2012, 09:58
Die Zeit fährt Auto

Die Städte wachsen. Und die Kurse steigen.
Wenn jemand Geld hat, hat er auch Kredit.
Die Konten reden. Die Bilanzen schweigen.
Die Menschen sperren aus. Die Menschen streiken.
Der Globus dreht sich. Und wir drehn uns mit.

Die Zeit fährt Auto. Doch kein Mensch kann lenken.
Das Leben fliegt wie ein Gehöft vorbei.
Minister sprechen oft vom Steuersenken.
Wer weiß, ob sie im Ernste daran denken?
Der Globus dreht sich und geht nicht entzwei.

Die Käufer kaufen. Und die Händler werben.
Das Geld kursiert, als sei das seine Pflicht.
Fabriken wachsen. Und Fabriken sterben.
Was gestern war, geht heute schon in Scherben.
Der Globus dreht sich. Doch man sieht es nicht.

the grip
12.02.2012, 09:29
Der Sanftmütige

Ich mag nicht länger drüber schweigen,
weil ihr es immer noch nicht wißt:
Es hat keinen Sinn mir die Zähne zu zeigen.
Ich bin gar kein Dentist!

the grip
14.02.2012, 09:50
gans wi du wilsd

ales is abgenuttsd!
du gugs gegwält.
Hass mir den gobf gbudsd
Und mir des maul geschdudsd,
damit ichs halden sol, des da erdsäld:

grise der sahgbarkaid!
Huhre des bildz!
Scheise im wörterglaid!
Schvaveln auss eidelkaid! –
Sack, was du dengsd, aber one gesilz!

ales is abgenuttsd!
Du hass brovil.
Hass mir den gobf gbudsd
Und mir des maul geschdudsd,
damit ichs halden sol. Jeds bin ich stil.

the grip
16.02.2012, 09:25
Wieso warum?

Warum sind tausend Kilo eine Tonne?
Warum ist dreimal drei nicht sieben?
Warum dreht sich die Erde um die Sonne?
Warum heißt Erna Erna statt Yvonne?
Und warum hat das Luder nicht geschrieben?

Warum ist Professoren alles klar?
Warum ist schwarzer Schlips zum Frack verboten?
Warum erfährt man nie, wie alles war?
Warum bleibt Gott grundsätzlich unsichtbar?
Und warum reißen alte Herren Zoten?

Warum darf man sein Geld nicht selber machen?
Warum bringt man sich nicht zuweilen um?
Warum trägt man im Winter Wintersachen?
Warum darf man, wenn jemand stirbt, nicht lachen?
Und warum fragt der Mensch bei jedem Quark: Warum?

the grip
19.02.2012, 09:58
Die Sonntagmorgenmeise

Die Meise hat aufs Dach gepickt.
So?
Die Meise hat mich wachgepickt.
Und dann?
Dann habe ich mich wachgeblickt.
Und nun?
Nun bin ich hier.
Was wirst du tun?
Darf ich ins Bett zu dir?

the grip
21.02.2012, 09:23
Die Selbstkritik hat viel für sich.
Gesetzt den Fall, ich tadle mich,
So hab' ich erstens den Gewinn,
Daß ich so hübsch bescheiden bin;
Zum zweiten denken sich die Leut,
Der Mann ist lauter Redlichkeit;
Auch schnapp' ich drittens diesen Bissen
Vorweg den andern Kritiküssen;
Und viertens hoff' ich außerdem
Auf Widerspruch, der mir genehm.
So kommt es denn zuletzt heraus,
Daß ich ein ganz famoses Haus.

TriVet
21.02.2012, 11:09
Die Selbstkritik hat viel für sich.
....
Daß ich ein ganz famoses Haus.


Jaaa!
Eines meiner ersten Lieblingsgedichte, auch gut vor Publikum zu zitieren.

Gleiches mit dem hier von Altmeister und legitimen Buschnachfolger R. Gernhardt :

Das Gleichnis

Wie, wenn da einer, und er hielte
ein frühgereiftes Kind, das schielte,
hoch in den Himmel und er bäte:
„Du hörst jetzt auf den Namen Käthe!“ –
Wär’ dieser nicht dem Elch vergleichbar,
der tief im Sumpf und unerreichbar
nach Wurzeln, Halmen, Stauden sucht
und dabei stumm den Tag verflucht,
an dem er dieser Erde Licht.....
Nein? Nicht vergleichbar? Na dann nicht!

the grip
23.02.2012, 09:26
Wenn der Hufschmied den Gaul beschlägt,
wenn sich der Truthahn im Traum bewegt,
wenn die Mutter das Essen aufträgt,
wenn der Großvater Brennholz sägt,
wenn der Wind um die Ecke fegt,
wenn sich im Schober das Liebespaar regt,
wenn das Fräulein die Wäsche legt -
stets meint die Katze, man wollt' mit ihr spielen!

Wie der Katze geht's vielen.

the grip
26.02.2012, 12:50
Ein Korrekter

Das ist ein Kerl nach der Zeiten Gebot!
Und bät ihn Gott selbst um ein Stücklein Brot,
Er fragte zunächst, was, wenn er's verschenke,
Die vorgesetzte Behörde denke.

the grip
28.02.2012, 09:17
Die Grenzen der Aufklärung

Ob Sonnenschein, ob Sterngefunkel:
Im Tunnel bleibt es immer dunkel.

the grip
01.03.2012, 09:33
Guter Tag

Die Welt durchaus ist lieblich anzuschauen,
Vorzüglich aber schön die Welt der Dichter;
Auf bunten, hellen oder silbergrauen
Gefilden, Tag und Nacht, erglänzen Lichter.
Heut ist mir alles herrlich; wenns nur bliebe!
Ich sehe heut durchs Augenglas der Liebe.

the grip
03.03.2012, 19:13
Frühlingsahnen

Wohlig merken unsre Sinne
Nun den Frühling allgemach,
Denn es trauft aus jeder Rinne,
und es tropft von jedem Dach.

Leise regt sich im Theater
Dieser Welt ein Liebeston;
Nächtens schreien viele Kater,
Und der Hase rammelt schon.

So auch uns ergreift die Glieder
Wundersame Lebenskraft;
Selbst solide Seifensieder
Fühlen ihren Knospensaft.

Treiben das Geschäft der Paarung!
Lasset der Natur den Lauf!
Denn ihr wisset aus Erfahrung,
Einmal hört es leider auf.

the grip
06.03.2012, 09:21
Fragment

Die Eule studierte Pandekten,
Kanonisches Recht und die Glossa,
Und als sie kam nach Welschland,
Sie frug: "Wo liegt Canossa?"

Die alten matten Raben,
Sie ließen die Flügel hangen,
Sie sprachen: "Das alte Canossa
Ist längstens untergegangen.

Wir möchten ein neues bauen,
Doch fehlt dazu das Beste:
Die Mamorblöcke, die Quadern,
Und die gekrönten Gäste."

the grip
08.03.2012, 09:16
Der Otter

Von einem echten Seekalb hab ich die Augen
Setze mich wie Frau Ypsilon in Positur
Bei jeder Versammlung könnt ihr mich bestaunen
Ich mache Literatur
Meines Zeichens bin ich ein Otter
Und da es schließlich nicht ohne Ehefrau geht
Heirat‘ ich eines schönen Tages die Lotte
Dann Lotterei von früh bis spät

the grip
11.03.2012, 12:55
Dass oft die allerbesten Gaben

Dass oft die allerbesten Gaben
Die wenigsten Bewund'rer haben,
Und daß der größte Teil der Welt
Das Schlechte für das Gute hält;
Dies Übel sieht man alle Tage.
Jedoch, wie wehrt man dieser Pest?
Ich zweifle, daß sich diese Plage
Aus unsrer Welt verdrängen läßt.

Ein einzig Mittel ist auf Erden,
Allein es ist unendlich schwer:
Die Narren müssen weise werden;
Und seht! sie werden's nimmermehr.
Nie kennen sie den Werth der Dinge.
Ihr Auge schließt, nicht ihr Verstand:
Sie loben ewig das Geringe,
Weil sie das Gute nie gekannt.

the grip
13.03.2012, 10:14
Verschiedene Drohung

Einst ging ich meinem Mädchen nach
Tief in den Wald hinein,
Und fiel ihr um den Hals, und "Ach!"
Droht' sie, "ich werde schrei'n."
*
Da rief ich trotzig: "Ha! ich will
Den töten, der uns stört!"
"Still!" lispelt sie, "Geliebter, still!
Daß ja dich niemand hört."

the grip
15.03.2012, 21:20
Die Philister, die Beschränkten,
Diese geistig Eingeengten,
Darf man nie und nimmer necken.
Aber weite, kluge Herzen
Wissen stets in unsren Scherzen
Lieb und Freundschaft zu entdecken.

the grip
18.03.2012, 20:11
Jungweibersommer

Der März ist frühreif wie ein aufgewecktes Kind
und hat Allüren oder pubertäre Launen,
die dem April gewöhnlich vorbehalten sind
und über deren Heftigkeit wir baß erstaunen.

Wir sitzen, eher zweiflerisch als lustbetont,
auf den bereits im Freien installierten Bänken.
Die laue Luft ist uns noch allzu ungewohnt,
als daß wir ohne Argwohn ihr Vertrauen schenken.

Jedoch der Frühling, der im wahren Sinn ?oriert,
damit die Gärten ihrer Blöße sich nicht schämen
und der gehemmte Mensch die Schüchternheit verliert,
ist ein ermutigendes Wohlfahrtsunternehmen.

Selbst wenn er auch nicht hält, was er bis jetzt versprach,
bin ich ihm dennoch dankbar über alle Maßen
und trage weder ihm noch ihr den Schnupfen nach,
den ich bekam, weil wir zu lange draußen saßen.