Vollständige Version anzeigen : Gernhardt-Sportgedicht der Woche ...
the grip
29.08.2013, 09:10
Ohrwurm und Taube
Der Ohrwurm mochte die Taube nicht leiden.
Sie haßte den Ohrwurm ebenso.
Da trafen sich eines Tages die beiden
in einer Straßenbahn irgendwo.
Sie schüttelten sich erfreut die Hände
und lächelten liebenswürdig dabei
und sagten einander ganze Bände
von übertriebener Schmeichelei.
Doch beide wünschten sie sich im stillen,
der andre möge zum Teufel gehn,
und da es geschah nach ihrem Willen,
so gab es beim Teufel ein Wiedersehn.
the grip
03.09.2013, 09:15
Auf Posten
Es prangen in den Straßen
Die Reichen auf und ab,
Das muß mich denken lassen,
Daß ich kein Geld nicht hab'.
Die Mädchen promenieren
Sich stolz an mir vorbei,
Da muß ich es verspüren,
Wie ich alleine sei.
Ich möchte, Mond und Sterne
Wär lauter bares Geld,
Das hätt' ich wohl so gerne
Und wär ein feiner Held.
Das Glück muß andern winken,
Kommt aber nicht zu mir,
Kein Geld nicht zum Vertrinken,
Kein Mädchen zum Pläsier.
the grip
05.09.2013, 09:10
Der scheidende Sommer
Das gelbe Laub erzittert,
Es fallen die Blätter herab;
Ach, alles was hold und lieblich
Verwelkt und sinkt ins Grab.
Die Gipfel des Waldes umflimmert
Ein schmerzlicher Sonnenschein;
Das mögen die letzten Küsse
Des scheidenden Sommers sein.
Mir ist, als müßt ich weinen
Aus tiefstem Herzensgrund;
Dies Bild erinnert mich wieder
An unsre Abschiedsstund.
Ich mußte von dir scheiden,
Und wußte, du stürbest bald;
Ich war der scheidende Sommer,
Du warst der kranke Wald.
the grip
10.09.2013, 09:15
Der Philosoph ohne Regenschirm
Es ist nicht alles schön auf dieser wunderschönen Welt.
Novemberstürme gibt es auch im Monat Mai.
Beschimpfe nicht den Regen, der auf dich niederfällt,
bedenke: Der meiste Regen fällt an dir vorbei.
the grip
12.09.2013, 09:22
Kleine Rechenaufgabe
Allein ging jedem Alles schief.
Da packte sie die Wut.
Sie bildeten ein Kollektiv
und glaubten, nun sei´s gut.
Sie blinzelten mit viel Geduld
der Zukunft ins Gesicht.
Es blieb, wie‘s war. Was war dran schuld?
Die Rechnung stimmte nicht.
the grip
15.09.2013, 14:11
Mägde am Sonnabend
Sie hängen sie an die Leiste,
die Teppiche klein und groß,
sie hauen, sie hauen im Geiste
auf ihre Herrschaft los.
Mit einem wilden Behagen,
mit wahrer Berserkerwut,
für eine Woche voll Plagen
kühlen sie sich den Mut.
Sie hauen mit splitternden Rohren
im infernalischen Takt.
Die vorderhäuslichen Ohren
nehmen davon nicht Akt.
Doch hinten jammern, zerrissen
im Tiefsten, von Hieb und Stoß,
die Läufer, die Perserkissen
und die dicken deutschen Plumeaux.
the grip
17.09.2013, 09:34
Hört das nie auf
Ich ging raus, und als ich
das Auto aufschloß, sah ich einen
Zettel unterm Scheibenwischer:
„He, Alter, ruf mich mal an.
Du weißt ja, ich stehe im Telefonbuch.“
Unterzeichnet mit:
„Die mit den hellbraunen
Augen.“
Ich hätte auch so gewußt
wer es war. Die große Schrift
verriet sie. Sie hatte mich
ein Jahr am Kreuz gehabt.
Als Nachfolgerin von einer
die mich fünf Jahre am
Kreuz gehabt hatte.
Ich riß den Zettel in
kleine Fetzen.
Meine Neue kam heraus.
„Bist du soweit, Popsie?“
fragte sie
„Bin soweit“, sagte ich.
Wir stiegen ein und fuhren los.
Wir brauchten Zitronen, Brot,
Fisch, Gemüse, Olivenöl
Wein und Klopapier.
Und Katzenfutter und vielleicht
noch ein paar Zwiebeln.
the grip
19.09.2013, 09:24
Breit wie lang
Wer bescheiden ist, muß dulden,
Und wer frech ist, der muß leiden;
Also wirst du gleich verschulden,
Ob du frech seist, ob bescheiden.
the grip
21.09.2013, 19:00
Der Amboß sprach zum Hammer:
„Es ist ein großer Jammer,
Dass du so sehr versagst,
Zu hämmern nicht vermagst.
Du, du bringst es nicht.“
Da sprach der Hammer zum Amboß:
„Früher, da war der Mann der Boss!
Doch heute im Geschlechterkrieg
Ist dein Sieg ein schlechter Sieg.
Aus dem Mangel meiner körperlichen Regung
Geh ich in die erotische Friedensbewegung.“
Oliver99
21.09.2013, 21:29
Roth aber Eugen
Bekanntlich kommt das Kind im Weib
Durch das Gebären aus dem Leib.
Da aber sich das Kind im Mann
Nicht solcherart entfernen kann,
Ist es begreiflich, daß es bleibt
Und ewig in ihm lebt und leibt.
PS: es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit
the grip
29.09.2013, 10:26
Mythos
Ich musste kotzen, also
lief ich in die nächste
öffentliche Toilette, doch
als ich sah, was für
Ideologien sich an den Wänden
trafen, ist mir das Kotzen
vergangen. Ich
tat es draußen, an einen
Baum gelehnt. Du Schwein,
sagte eine ganz ganz feine
Dame, wir haben ja
öffentliche Toiletten, weißt du
das nicht?
the grip
29.09.2013, 20:20
Der sächsische Dialekt
Wenn man den sächsischen Dialekt
Ein bisschen dehnt und ein bisschen streckt
Und spricht ihn noch ein bisschen tran’ger;
Dann hält ein jeder für einen Spanier!
the grip
01.10.2013, 10:18
Wenn alles sitzen bliebe,
Was wir in Haß und Liebe
So voneinander schwatzen;
Wenn Lügen Haare wären,
Wir wären rauh wie Bären
Und hätten keine Glatzen.
the grip
03.10.2013, 09:44
Zwischenspiel
Und wenn mein Zeigefinger
schon nass ist von dir
mir noch Zeit nehmen
und mit seiner Kuppe
auf deinen Bauch
ein Herz malen
so dass dein Nabel
mitten im Herzen die Stelle ist
wo angeblich Amors Pfeil
das Herz durchbohrt hat
und dann erst
wenn du erraten hast
dass es ein Herz war
was ich auf dich gezeichnet habe.
the grip
06.10.2013, 09:18
Lehrhaftes Gedicht
Adolf war der Sprosse guter Leute,
Ehelichen Ursprungs, legitim;
Anders Jakob, denn sein Vater scheute
Sich und sagt', er wäre nicht von ihm.
»Süßes Wunder« hieß der Eltern Liebe
Unsern Adolf, der »von Gott gesandt«;
»Die unsel'ge Frucht verbotner Triebe«
Wurde Jakob meistenteils genannt.
Adolf konnte man den Freunden zeigen;
Man entdeckt' an ihm des Vaters Art.
Über Jakob herrschte tiefes Schweigen,
Von ihm sprechen galt als wenig zart.
Dieser Unterschied verblieb im Leben;
Adolfs Laufbahn war solid und leicht.
Zwar Talent war ihm nicht viel gegeben,
Für den Staatsdienst hat es doch gereicht.
Jakob war, so wie er einst geboren,
Stets der Tante Minna ihr Malör.
Feine Kreise gaben ihn verloren,
Und er wurde später Redakteur.
the grip
08.10.2013, 09:44
Ich glaub nicht an den Himmel,
Wovon das Pfäfflein spricht;
Ich glaub nur an dein Auge,
Das ist mein Himmelslicht.
Ich glaub nicht an den Herrgott,
Wovon das Pfäfflein spricht;
Ich glaub nur an dein Herze,
’nen andern Gott hab ich nicht.
Ich glaub nicht an den Bösen,
An Höll und Höllenschmerz;
Ich glaub nur an dein Auge,
Und an dein böses Herz.
the grip
10.10.2013, 09:18
Reue
Die Tugend will nicht immer passen,
Im ganzen läßt sie etwas kalt,
Und daß man eine unterlassen,
Vergißt man bald.
Doch schmerzlich denkt manch alter Knaster,
Der von vergangnen Zeiten träumt,
An die Gelegenheit zum Laster,
Die er versäumt.
the grip
15.10.2013, 07:36
Bumerang
War einmal ein Bumerang;
War ein weniges zu lang.
Bumerang flog ein Stück,
Aber kam nicht mehr zurück.
Publikum – noch stundenlang –
Wartete auf Bumerang.
Ringelnatz bringt mit seinem wundervollen Sprachwitz und dem unnachahmlichen Sinn für Un- und Tiefsinn den Deutschen einen neuen Humor bei. Sehnsüchtig wünscht sich Die Zeit: „Ach, triebe er doch noch seinen
the grip
15.10.2013, 09:21
Ohne Titel
Alle Theorien
wie Klischees
verpufft; all die
kleinen Gesichter
wie sie aufschauen
so gläubig und schön;
mir ist nach Heulen
aber Kummer ist
blöd. Ich möchte
glauben können
doch glauben ist
ein Friedhof.
Wir haben es auf
dem Punkt:
Schlachtermesser und Spottdrossel.
Wünsch uns
Glück
the grip
17.10.2013, 09:18
Warnung
Die Welt will euch so schön bedünken
Weil euch die junge Freiheit lacht;
Ihr wollt in ihrem Schoß versinken.
So hab‘ ich auch einmal gedacht.
Den Weg, den ihr im Jugendprangen
Mit freudevollem Herzen zieht;
Auch ich bin ihn einmal gegangen,
Obschon ich besser ihn vermied.
Die Blumen, die am Rande blühten,
Ich hab‘ nach ihnen mich gebückt,
Und – davor möcht‘ ich euch behüten –
Ich habe manche mir gepflückt.
Ich könnt‘ euch gute Warnung geben,
Jedoch ich weiß, ihr hört mich nicht,
Man kennt die Rosen, wie das Leben,
Nur, wenn man ich an ihnen sticht.
the grip
20.10.2013, 11:10
Der Sperling und das Känguru
In seinem Zaun das Känguru –
es hockt und guckt dem Sperling zu.
Der Sperling sitzt auf dem Gebäude –
doch ohne sonderliche Freude.
Vielmehr, er fühlt, den Kopf geduckt,
wie ihn das Känguru beguckt.
Der Sperling sträubt den Federflaus –
die Sache ist auch gar zu kraus.
Ihm ist, als ob er kaum noch säße …
Wenn nun das Känguru ihn fräße?!
Doch dieses dreht nach einer Stunde
den Kopf, aus irgend einem Grunde,
vielleicht auch ohne tiefern Sinn,
nach einer andern Richtung hin.
the grip
22.10.2013, 10:21
Die Ameisen
In Hamburg lebten zwei Ameisen,
Die wollten nach Australien reisen.
Bei Altona auf der Chaussee
Da taten ihnen die Beine weh,
Und da verzichteten sie weise
Dann auf den letzten Teil der Reise.
the grip
24.10.2013, 09:13
Cupido ward die Fackel hin, und schlief;
Ein Mädchen der Diana stahl den Fang,
Und taucht der Liebe Feuerzunder tief
In einen kalten Quell, der dort entsprang.
Alsbald durchdrang vom heil’gen Brand die Wellen
Für alle Zeit lebendig rege Glut,
Und ward ein siedend Bad, in schlimmen Fällen
Der Menschen letzte Hülf’ und höchstes Gut.
Doch – die an Liebchens Blick frisch angefachte Kerze
Hielt mir aufs Herz der Knabe zum Versuch;
Daß ich, erkrankend von dem heißen Schmerze,
Ein trüber Gast, mich nach dem Bade trug.
Doch half mir’s nicht: Die Bäder, die mir taugen,
sind Amors Feuerquellen, Liebchens Augen.
the grip
27.10.2013, 10:15
Dorlamm meint
Dichter Dorlamm lässt nur äußerst selten
andre Meinungen als seine gelten.
Meinung, sagt er, kommt nun mal von mein,
deine Meinung kann nicht meine sein.
Meine Meinung - ja, das lässt sich hören!
Deine Meinung könnte da nur stören.
Und ihr andern schweigt! Du meine Güte!
Eure Eurung steckt euch an die Hüte!
Lasst uns schweigen, Freunde! Senkt das Banner!
Dorlamm irrt. Doch formulieren kann er.
the grip
29.10.2013, 10:18
Der Komiker
Ein Komiker von erstem Rang
Ging eine Straße links entlang.
Die Leute sagten rings umher
Hindeutend: Das ist der und der!
Der Komiker fuhr aus der Haut
Nach Haus und würgte seine Braut.
Nicht etwa wie von ungefähr,
Nein ernst, als ob das komisch wär.
the grip
31.10.2013, 09:19
Videonette
Hier mit dieser Löwenkralle,
mach ich meine Feinde alle,
und mit dem beschuhten Fuß
trett ich Gegner gern zu Mus.
Selbst mein Hang zur Liebe
Spielt mit dem Todestriebe.
Denn der Aggressionsverzicht
Führt zu Rheuma, Krebs und Gicht.
the grip
03.11.2013, 11:00
Dämmerung
Traurig ist's und jämmerlicht,
Wenn der Mensch im Dämmerlicht
Früh den Weg nach Hause sucht
Und dabei die Welt verflucht.
Aus dem grauen Pflasterstein
Grinst Verzweiflung, Laster, Pein,
Und vom schwanken Lampenpfahl
Flackert Aberwitz und Qual.
In des Menschen bangem Leid
Stöbert die Vergangenheit –
Und er steigt voll Scham und Schmach
Einer späten Hure nach.
the grip
05.11.2013, 09:42
Überall
Überall ist Wunderland
Überall ist Leben
Bei meiner Tante im Strumpfenband
wie irgendwo daneben.
Überall ist Dunkelheit
Kinder werden Väter.
Fünf Minuten später
stirbt sich was für einige Zeit.
Überall ist Ewigkeit.
Wenn Du einen Schneck behauchst
Schrumpft er ins Gehäuse,
Wenn Du ihn in Kognak tauchst,
Sieht er weiße Mäuse.
the grip
07.11.2013, 10:39
Kompromissler
Das Prinzip in seiner Brust,
Tritt der liberale Streiter
Vor den Kanzler froh und heiter
Und auch stolz und selbstbewußt.
Wie er steht im hohen Saal,
Schaut er in die Gnadensonne,
Und er fühlt mit stiller Wonne
Ihren holden Wärmestrahl.
Bei der seltnen Götterkost,
Die ihm Adelige bieten,
Lockern sich des Herzens Nieten,
Taut der liberale Frost.
Selig lächelnd fällt er um.
Und in seiner Busentasche
Schmilzt zur pulverigen Asche
Müller’n sein Prinzipium.
the grip
10.11.2013, 12:14
Moralische Anatomie
Da hat mir plötzlich und mitten im Bett
Eine Studentin der Jurisprudenz erklärt:
Jungfernschaft sei, möglicherweise, ganz nett,
besäße aber kaum noch Sammlerwert.
Ich weiß natürlich, daß sie nicht log.
Weder als sie das sagte,
noch als sie sich kenntnisreich rückwärts bog
und nach meinem Befinden fragte.
Sie hatte nur Angst vor dem Kind.
Manchmal besucht sie mich noch.
An der Stelle, wo andre moralisch sind,
da ist bei ihr ein Loch ...
the grip
12.11.2013, 08:58
Lampe und Spiegel
„Sie faule, verbummelte Schlampe!“
sagte der Spiegel zur Lampe.
„Sie altes, schmieriges Scherbenstück!“
gab die Lampe dem Spiegel zurück.
Der Spiegel in seiner Erbitterung
bekam einen ganz gewaltigen Sprung.
Der zornigen Lampe verging die Puste:
Sie fauchte, rauchte, schwelte und ruste.
Das Stubenmädchen ließ beide in Ruhe
und doch – man schob ihr die Schuld in die Schuhe.
the grip
14.11.2013, 10:03
Vergleichende Erotik
So wird das Wunderbild der Venus fertig:
Ich nehm hier ein Aug, dort einen Mund,
hier eine Nase, dort der Brauen Rund.
Es wird Vergangenes mir gegenwärtig.
Hier weht ein Duft, der längst verweht und weit,
hier klingt ein Ton, der längst im Grab verklungen.
Und leben wird durch meine Lebenszeit
Das Venusbild, das meinem Kopf entsprungen.
the grip
17.11.2013, 09:59
Vom Leben
Dein Leben ist dir nur geliehn –
du sollst nicht daraus Vorteil ziehn.
Du sollst es ganz dem andern weihn –
und der kannst nicht du selber sein.
Der andere, das bin ich mein Lieber –
nu komm schon mit den Kohlen rüber.
the grip
19.11.2013, 09:11
Die Schnecken
Rötlich schimmert es im Westen
Und der laute Tag verklingt,
Nur das auf den höchsten Ästen
Lieblich noch die Drossel singt.
Jetzt in dicht belaubten Hecken,
Wo es still verborgen blieb,
Rüstet sich das Volk der Schnecken
Für den nächtlichen Betrieb.
the grip
21.11.2013, 09:10
Widmung
Deine Geige, lieber Meister,
Bin ich, spiele mich getreu!
Stumm kam ich zu dir und scheu,
Voller klang ich stehts und dreister.
Laß sie tönend, liebend fliehen,
Und die Zeit bringt Kraftgewinn
Dir und deiner Harmonien
Schwärmenden Verkünderin!
the grip
24.11.2013, 10:20
Ein Kind etwas frühreif
Ich hab mich zu einem Kinde gebückt.
(Denn ich bin in solchen Dingen nicht stolz.)
Und ich hab ihm sein Spielzeug zurechtgerückt.
Es war ein Schimmel aus Holz.
Das Kind ging mit einer schönen Frau.
Die dachte, ich dächte, sie wäre so frei...
Und sie zog ihr Kind wie ein Wauwau
an Laternen und Läden vorbei.
Sie fühlte sich schon zur Hälfte verführt
und schwenkte vergnügt ihr Gewölbe.
Das hätte mich nun nicht weiter gerührt.
Doch das Kind – ich hab es ganz deutlich gespürt –
das dachte bereits dasselbe ...
the grip
26.11.2013, 09:28
Erinnerung
Willst du immer weiter schweifen?
Sieh, das Gute liegt so nah.
Lerne nur das Glück ergreifen,
Denn das Glück ist immer da.
the grip
28.11.2013, 11:55
SEELENWANDERUNG
Wohl tausendmal schon ist er hier
Gestorben und wiedergeboren,
Sowohl als Mensch wie auch als Tier,
Mit kurzen und langen Ohren.
Jetzt ist er ein armer blinder Mann,
Es zittern ihm alle Glieder,
Und dennoch, wenn er nur irgend kann,
Kommt er noch tausendmal wieder.
the grip
29.11.2013, 09:25
Herbstbild
Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah!
Die Luft ist still, als atmete man kaum,
Und dennoch fallen raschelnd, fern und nah,
Die schönsten Früchte ab von jedem Baum.
O stört sie nicht, die Feier der Natur!
Dies ist die Lese, die sie selbst hält,
Denn heute löst sich von den Zweigen nur,
Was vor dem milden Strahl der Sonne fällt.
the grip
30.11.2013, 10:28
Winter
Leise,
wie wider meinen Willen
fallen Flocken
Schnee zu Boden.
Leise
wie wider meinen Willen
falle ich
zu Boden.
the grip
01.12.2013, 11:11
Mopsenleben
Es sitzen Möpse gern auf Mauerecken,
die sich ins Straßenbild hinauserstrecken,
um von sotanen vorteilhaften Posten
die bunte Welt gemächlich auszukosten.
O Mensch, lieg vor dir selber auf der Lauer,
sonst bist du auch ein Mops nur auf der Mauer.
the grip
02.12.2013, 09:23
So oder so
Schön
geduldig
miteinander
langsam alt
und verrückt werden
andrerseits
allein
geht es natürlich
viel schneller
the grip
03.12.2013, 17:08
Überlistet
Wenn Blätter von den Bäumen stürzen,
die Tage täglich sich verkürzen,
nicht nur die schönsten, auch die meisten
der Vögel nach dem Süden reisten,
und all die Maden, Motten, Mücken,
die wir versäumten zu zerdrücken,
von selber sterben – so glaubt mir:
es steht der Winter vor der Tür!
Ich laß ihn stehn!
Ich spiel ihm einen Possen!
Ich hab die Tür verriegelt
und gut abgeschlossen!
Er kann nicht rein!
Ich hab ihn angeschmiert!
Nun der steht der Winter vor der Tür – – –
und friert!
the grip
04.12.2013, 09:38
DIE ZWEI WURZELN
Zwei Tannenwurzeln groß und alt
unterhalten sich im Wald.
Was droben in den Wipfeln rauscht,
das wird hier unten ausgetauscht.
Ein altes Eichhorn sitzt dabei
und strickt wohl Strümpfe für die zwei.
Die eine sagt: knig. Die andere sagt: knag.
Das ist genug für einen Tag.
the grip
05.12.2013, 09:24
Nicht Beeidigt
Willst du gelobt sein, so verzichte
Auf kindlich blödes Wesen.
Entschließ dich, deine himmlischen Gedichte
Den Leuten vorzulesen.
Die Welt ist höflich und gesellig,
Und eh man dich beleidigt,
Sagt wohl ein jeder leicht, was die gefällig,
Denn keiner ist beeidigt.
the grip
06.12.2013, 09:08
Nikolaus
Am 6.12. pinkelt dreist
Der Nikolaus dir in den Schuh
Drum schnür‘ ihn lieber feste zu
Bevor er dir zudem reinscheißt
the grip
07.12.2013, 10:23
Unverbesserlich
Wer Bildung hat, der ist empört,
Wenn er so schrecklich fluchen hört.
Dies „Nasowolltich“, dies „Parblö“,
Dies ewige „Ojemine“,
Dies Eipotztausendnocheinmal“,
Ist das nicht eine Ohrenqual?
Und gar „Dasdichdasmäusleinbeiß“,
Da wird mir´s immer kalt und heiß.
Wie oft wohl sag ich: Es ist häßlich,
Ist unanständig, roh und gräßlich.
Ich bitt und flehe: Laßt es sein,
Denn es ist sündlich. Aber nein,
Vergebens ring ich meine Hände,
Die Flucherei nimmt doch kein Ende.
the grip
08.12.2013, 10:01
Individualität
Es ist mal so, daß ich so bin.
Weiß selber nicht warum.
Hier ist die Schenke. Ich bin drin
Und denke mir: Dideldum!
Daß das so ist, das tut mir leid.
Mein Individuum
Hat aber mal die Eigenheit,
Drum denk ich mir: Dideldum!
Und schaut die Jungfer Kellnerin
Sich auch nach mir nicht um;
Ich weiß ja doch, wie schön ich bin,
Und denke mir: Dideldum!
Und säße einer da abseit
Mit Knurren und Gebrumm
Und meint, ich wäre nicht gescheit,
So denk ich mir: Dideldum!
Doch kommt mir wer daher und spricht,
Ich wäre gar nicht frumm
Und hätte keine Tugend nicht,
Das nehm ich krumm. – Dideldum!
the grip
09.12.2013, 09:21
Die Beichte des Wurms
Es lebt in einer Muschel
ein Wurm gar seltner Art;
der hat mir mit Getuschel
sein Herze offenbart.
Sein armes, kleines Herze,
hei, wie das flog und schlug!
Ihr denket wohl, ich scherze?
Ach, denket nicht so klug.
Es lebt in einer Muschel
ein Wurm gar seltner Art;
der hat mir mit Getuschel
sein Herze offenbart.
the grip
10.12.2013, 09:34
Stille Winterstraße
Es heben sich vernebelt braun
Die Berge aus dem klaren Weiß,
Und aus dem Weiß ragt braun ein Zaun,
Steh eine Stange wie ein Steiß.
Ein Rabe fliegt, so schwarz und scharf,
Wie ihn kein Maler malen darf,
Wenn er´s nicht etwa kann.
Ich stapfe einsam durch den Schnee.
Vielleicht steht links im Busch ein Reh
Und denkt: Dort geht ein Mann.
the grip
11.12.2013, 09:12
Es duftet nach Akazien und
dein Lächeln duftet auch.
Die Winde meinen´s gut mit uns,
die Welt nimmt uns in Kauf.
Wir reden nicht, wir schweigen nicht,
wir sind ganz einfach da.
Wir spiegeln uns im Sommerlicht
und sind uns nah.
Als hätt´ ich dich noch nie gesehn,
verwirrt mich dein Gesicht.
Die Zeit mag ruhig zugrunde gehn.
Wir tun es sicher nicht.
Wir geben uns ganz absichtslos
und ohne tief ´ren Sinn
wie Wolken unterm Himmel ziehn
der Liebe hin.
Was immer mir der Wind erzählt,
der Mond und mein Klavier:
Sie singen nur das eine Lied,
sie singen nur von dir.
Sie kannten dich schon vor der Zeit,
bevor die Welt entstand.
Dein Name ist in jeden Baum,
in jeden Fels gebrannt.
Es gibt so viele Lieder über
diesen Augenblick,
voll Schwülstigkeit und Flieder und
mit wehem Blick zurück.
Doch all die schweren Worte,
sie sind nichts als gut gemeint.
Sie können nicht beschreiben,
was uns beide eint.
Das Laute schweigt, die Stille tönt.
Ich weiß nicht wer ich bin.
Und alles ist so unbestimmt
und sinnvoll ohne Sinn.
Die Welt ist wohl aus Nichts gemacht,
ganz leicht, wie nebenbei.
Und ohne dich bricht diese Welt
ganz sicherlich entzwei.
Was immer mir der Wind erzählt, ...
the grip
12.12.2013, 09:29
Der Korbstuhl
Was ich am Tage stumm gedacht,
vertraut er eifrig in der Nacht.
Mit Knisterwort und Flüsterwort
Erzählt er mein Geheimnis fort.
Dann schweigt er wieder lang und lauscht –
indes die Nacht gespenstisch rauscht.
Bis ihn der Bock von neuem stößt
Und sich sein Krampf in Krachen löst.
the grip
13.12.2013, 09:11
Gleichnisse
Meine Liebe ist ein stilles Boot,
Das mit träumerischen Ruderschlägen
Einer dunklen Brandung treibt entgegen.
Meine Liebe ist ein jähes Licht,
Das durch schwarze, schwüle Nächte bricht
Und unselig wie ein Blitz verloht.
Meine Liebe ist ein krankes Kind,
Das bei Nacht in seinem Bette sinnt;
Und am Rand des Bettes steht der Tod.
the grip
14.12.2013, 10:12
Schnee
Schnee war gestern plötzlich da – auf allen
Trüben Straßen, hell wie Unschuld, weiß,
Weich und wärmend, aus der Luft gefallen.
Und wir gingen – enger ward der Kreis,
Der uns heimlich aneinanderhält –
Mit gedämpftem Schritt, gedämpfter Seele,
Unverhofftes Lachen in der Kehle,
Durch des Schneefalls kindlich neue Welt.
Wir, die jetzt so ernste Frage quält,
Wurden schmiegsam, atemleicht, gelinder,
Lachten furchtlos, schneefroh, beinah Kinder –
O wie hat die kleine Freude uns gefehlt!
the grip
15.12.2013, 09:46
Mein kleinster Fehler ist der Neid. –
Aufrichtigkeit, Bescheidenheit,
Dienstfertigkeit und Frömmigkeit,
Obschon es herrlich schöne Gaben,
Die gönn' ich allen, die sie haben.
Nur wenn ich sehe, daß der Schlechte
Das kriegt, was ich gern selber möchte;
Nur wenn ich leider in der Nähe
So viele böse Menschen sehe,
Und wenn ich dann so oft bemerke,
Wie sie durch sittenlose Werke
Den lasterhaften Leib ergötzen,
Das freilich tut mich tief verletzen.
Sonst, wie gesagt, bin ich hienieden
Gottlobunddank so recht zufrieden.
the grip
17.12.2013, 09:16
Kritik des Herzens
Es saß in meiner Knabenzeit
Ein Fräulein jung und frisch
Im ausgeschnittnen grünen Kleid
Mir vis-á-vis bei Tisch.
Und wie´s denn so mit Kindern geht,
Sehr frömmig sind sie nie,
Ach, dacht ich oft beim Tischgebet,
Wie schön ist doch Marie!
the grip
18.12.2013, 09:12
Verschiedene Drohungen
Einst ging ich meinem Mädchen nach
Tief in den Wald hinein
Und fiel ihr um den Hals, und „ach!“
Droht sie, „ich werde schrei´n“
Da rief ich trotzig: Ha! Ich will
Den töten, der uns stört! –
„Still!“ lispelt sie, „Geliebter, still!
Daß ja dich niemand hört.“
the grip
19.12.2013, 09:22
Weihnachten
Markt und Straßen steh´n verlassen,
Still erleuchtet jedes Haus,
Sinnend geh´ ich durch die Gassen,
Alles sieht so festlich aus.
An den Fenstern haben Frauen
Buntes Spielzeug fromm geschmückt,
Tausend Kindlein steh´n und schauen,
Sind so wunderstill beglückt.
Und ich wandre aus den Mauern
Bis hinaus ins freie Feld,
Hehres Glänzen, heil´ges Schauern!
Wie so still und weit die Welt.
Sterne hoch die Kreise schlingen,
Aus des Schnees Einsamkeit
Steigt´s wie wunderbares Singen –
O du gnadenreiche Zeit.
the grip
20.12.2013, 09:15
Der Knoten
Als ich in Jugendtagen
Noch ohne Grübelei,
Da meint ich mit Behagen,
Mein Denken wäre frei.
Seitdem hab ich die Stirne
oft auf die Hand gestützt
Und fand, daß im Gehirne
Ein harter Knoten sitzt.
Mein Stolz der wurde kleiner.
Ich merkte mit Verdruß:
Es kann doch unsereiner
Nur denken, wie er muß.
the grip
21.12.2013, 09:19
Erster Verlust
Ach, wer bringt die schönen Tage,
Jene Tage der ersten Liebe,
Ach, wer bringt nur eine Stunde
Jener holden Zeit zurück!
Einsam nähr‘ ich meine Wunde,
Und mit stets erneuter Klage
Traur‘ ich um‘s verlorne Glück.
Ach, wer bringt die schönen Tage,
Jene holde Zeit zurück!
the grip
22.12.2013, 10:18
Ich hab in einem alten Buch gelesen
Von einem Jüngling, welcher schlimm gewesen.
Er streut sein Hab und Gut in alle Winde.
Von Lust zu Lüsten und von Sünd zu Sünde,
In tollem Drang, in schrankenlosem Streben
Spornt er sein Roß hinein ins wilde Leben,
Bis ihn ein jäher Sturz vom Felsenrand
Dahingestreckt in Sand und Sonnenbrand,
Daß Ströme Bluts aus seinem Munde dringen
Und jede Hoffnung fast erloschen ist.
Ich aber hoffe – sagt hier der Chronist –
Die Gnade leiht dem Jüngling ihre Schwingen.
Im selben Buche hab ich auch gelesen
Von einem Manne, der honett gewesen.
Es war ein Mann, den die Gemeinde ehrte,
Der so von sechs bis acht sein Schöppchen leerte,
Der aus Prinzip nie einem etwas borgte,
Der emsig nur für Frau und Kinder sorgte;
Dazu ein proprer Mann der nie geflucht.
Der seine Kirche musterhaft besucht.
Kurzum, er hielt sein Rößlein stramm im Zügel,
Und war, wie man so sagt, ein guter Christ.
Ich fürchte nur – bemerkt hier der Chronist –
Dem Biedermanne wachsen keine Flügel.
the grip
23.12.2013, 14:22
Denkt euch
Denkt euch, ich habe das Christkind gesehen!
Es kam aus dem Walde, das Mützchen voll Schnee,
mit rotgefrorenem Näschen.
die kleinen Hände taten ihm weh;
denn es trug einen Sack, der war gar schwer,
schleppte und polterte hinter ihm her.
Was drin war, möchtet ihr wissen?
Ihr Naseweis, ihr Schelmenpack.
Meint ihr, er wäre offen, der Sack?
Zugebunden bis oben hin!
Doch war gewiß etwas Schönes drin.
Es roch so nach Äpfeln und Nüssen.
the grip
25.12.2013, 09:11
Früher
Früher war der Winter strenger,
knirschend kalt und klirrend klar,
wiesenweiter, stubenenger,
flockenweiß und wunderbar…
Schneebedeckte Steinfiguren,
Pferdewiehern, Peitschenknall,
Schellenklingklang, Schlittenspuren
Und gedämpfter Widerhall…
Damals trug man Pelarinen,
Breeches und Manchestersamt,
und man sah durch die Gardinen
Glaslaternen, gelb entflammt…
Alle Freuden des Entdeckers
Kannten Nase, Aug und Ohr,
und der Duft des Zuckerbäckers
stieg das Treppenhaus empor…
Und er trug uns in die Ferne,
mandelsüß und honigweich,
bis ins Land der Zimmetsterne,
Traumgefild und Himmelreich.
Früher war der Winter strenger,
biswindscharf und bitterkalt;
doch wir lieben ihn je länger,
desto mehr – uns werden alt.
Bei den Gedichten vom 20./21. fiel mir der alte Walter Serner wieder ein:
Lockerlied
Einst als ich im Jugendzwinger
manches faule Rätsel biss,
hatt ich vorm Tyrannenfinger
einen ganz gewaltgen Schiss.
Jetzt da ich im Evening-Dresse
nur noch allerlockerst sprühe,
ist mir keine Miez zu kesse,
keine Tour macht mir noch Mühe.
Fest im Kopfe die Parole:
"Mia kann keener, nee, mia nich!"
fällt die Geste nach der Sohle:
"Alle könn mia inniglich!"
Walter Serner, 1918
the grip
26.12.2013, 09:38
Erster Schnee
Wie nun alles stirbt und endet
Und das letzte Lindenblatt
Müd sich an die Erde wendet
In die warme Ruhestatt,
So auch unser Tun und Lassen,
Was uns zügellos erregt,
Unser Lieben, unser Hassen
Sei zum welken Lauf gelegt.
Reiner weißer Schnee, o schneie,
Decke beide Gräber zu,
Daß die Seele uns gedeihe
Still und kühl in Wintersruh!
Bald kommt jene Frühlingswende,
Die allein die Liebe weckt,
Wo der Haß umsonst die Hände
Dräuend aus dem Grabe streckt.
the grip
27.12.2013, 11:15
Wetterverhältnisse
es schneit, dann fällt der regen nieder,
dann schneit es, regnet es und schneit,
dann regnet es die ganze zeit,
es regnet und dann schneit es wieder.
the grip
28.12.2013, 11:09
Es läuten die Glocken
Wenn im Turm die Glocken läuten,
kann das vielerei bedeuten.
Erstens: daß ein Festtag ist.
Dann: daß du geboren bist.
Drittens: daß dich jemand liebt.
Viertens: daß dich´s nicht mehr gibt.
Kurz und gut, das Glockenleuten
Hat nur wenig zu bedeuten.
the grip
29.12.2013, 11:11
Was immer auch geschieht!
Was auch immer geschieht:
Nie dürft ihr so tief sinken,
von dem Kakao, durch den man euch zieht,
auch noch zu trinken!
the grip
30.12.2013, 09:26
Mondnacht
Es war, als hätt der Himmel
Die Erde still geküßt,
daß sie im Blütenschimmer
von ihm nun träumen müßt.
Die Luft ging durch die Felder,
die Ähren wogen sacht,
es rauschten leis die Wälder,
so sternklar war die Nacht.
Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
flog durch die stillen Lande,
als flöge sie nach Haus.
the grip
01.01.2014, 10:20
Neujahr
Altes Jahr, du ruhst in Frieden,
Deine Augen sind geschlossen;
Bist von uns so still geschieden
Hin zu himmlischen Genossen,
Und die neuen Jahre kommen,
Werden auch wie du vergehen,
Bis wir alle aufgenommen
Uns im letzten wiedersehen.
Wenn dies letzte angefangen,
Deutet sich dies Neujahrgrüßen,
Denn erkannt ist dies Verlangen,
Nach dem Wiedersehn und Küssen.
the grip
02.01.2014, 09:47
Urlaub im Urwald
Ich geh’ im Urwald für mich hin …
Wie schön, daß ich im Urwald bin:
Man kann hier noch so lange wandern,
ein Urbaum steht neben dem andern.
Und an den Bäumen, Blatt für Blatt,
hängt Urlaub. Schön, daß man ihn hat!
the grip
03.01.2014, 09:32
So Nicht
Ums Paradies ging eine Mauer
Hübsch hoch vom besten Marmelstein.
Der Kain, als ein Bub, ein schlauer,
Denkt sich: Ich komme doch hinein.
Er stieg hinauf zu diesem Zwecke
An einer Leiter mäuschenstumm.
Da schlich der Teufel um die Ecke
Und stieß ihn samt der Leiter um.
Der Vater Adam, der`s gesehen,
Sprach, während er ihn liegen ließ:
„Du Schlingel! Dir ist recht geschehen.
So kommt man nicht ins Paradies.
the grip
04.01.2014, 09:53
Die Liebe wider Willen
Ich weiß es wohl, und spotte viel:
Ihr Mädchen seid voll Wankelmut!
Ihr liebet, wie im Kartenspiel,
Den David und den Alexander;
Sie sind ja Forcen miteinander,
Und die sind miteinander gut.
Doch bin ich elend wie zuvor,
Mit misanthropischem Gesicht,
Der Liebe Sklav, ein armer Tor!
Wie gern wär ich sie los, die Schmerzen!
Allein es sitzt zu tief im Herzen,
Und Spott vertreibt die Liebe nicht.
the grip
05.01.2014, 11:57
Der Glückwunsch
Ein Glückwunsch ging ins neue Jahr,
Ins Heute aus dem Gestern.
Man hörte ihn sylvestern.
Er war sich aber selbst nicht klar,
Wie eigentlich sein Hergang war
Und ob ihn die Vergangenheit
Bewegte oder neue Zeit.
Doch brachte er sich dar, und zwar
Undeutlich und verlegen.
Weil man ihn nicht so ganz verstand,
So drückte man sich froh die Hand
Und nahm ihn gern entgegen.
the grip
06.01.2014, 09:52
Die Küsse
Als sich aus Eigennutz Elisse
Dem muntern Coridon ergab,
Nahm sie für einen ihrer Küsse
Ihm anfangs dreißig Schäfchen ab.
Am andern Tag erschien die Stunde,
Daß er den Tausch viel besser traf.
Sein Mund gewann von ihrem Munde
Schon dreißig Küsse für ein Schaf.
Der dritte Tag war zu beneiden:
Da gab die milde Schäferin
Um einen neuen Kuss mit Freuden
Ihm alle Schafe wieder hin.
Allein am vierten ging`s betrübter,
Indem sie Heerd` und Hund verhieß
Für einen Kuß, den ihr Geliebter
Umsonst an Doris überließ.
the grip
07.01.2014, 09:34
Kirschen
Wenn die Liebe auf Stelzen
über die Kieswege stochert
und in die Bäume reicht,
möchte ich auch gerne Kirschen
in Kirschen als Kirschen erkennen,
nicht mehr mit Armen zu kurz,
mit Leitern, denen es immer
an einer Sprosse mangelt,
von Fallobst leben, Kompott.
Süß und süß, fast schwarz;
Amseln träumen so rot –
Wer küßt hier wen,
wenn die Liebe
auf Stelzen in Bäume reicht.
the grip
09.01.2014, 09:34
Du schönes Fischermädchen,
Treibe den Kahn ans Land;
Komm zu mir und setzte dich nieder,
Wir kosen Hand in Hand.
Leg an mein Herz dein Köpfchen,
Und fürchte dich nicht so sehr,
Vertraust du dich doch sorglos
Täglich dem wilden Meer.
Mein Herz gleicht ganz dem Meere,
Hat Sturm und Ebb und Flut,
Und manche schöne Perle
In seiner Tiefe ruht.
bellamartha
09.01.2014, 09:51
Seltsam... Ich hatte gestern einen Beitrag hier rein geschrieben, unter den mit dem schönen Kirschen-Gedicht. Heute ist mein Beitrag weg. Wie geht denn so was?
Darf/Soll man hier nichts schreiben? Hat sich der Beitrag selbst gelöscht? War ich so verpeilt, dass ich was falsch gemacht habe oder er jetzt in einem anderen Thread steht?
Fragen über Fragen.
Viele Grüße
J.
the grip
09.01.2014, 10:20
Seltsam... Ich hatte gestern einen Beitrag hier rein geschrieben, unter den mit dem schönen Kirschen-Gedicht. Heute ist mein Beitrag weg. Wie geht denn so was?
Darf/Soll man hier nichts schreiben? Hat sich der Beitrag selbst gelöscht? War ich so verpeilt, dass ich was falsch gemacht habe oder er jetzt in einem anderen Thread steht?
Fragen über Fragen.
Viele Grüße
J.
Also ich war's nicht ;-) (hätte auch keine Berechtigung dazu) und Arne bestimmt auch nicht. Wohl falscher Thread.
bellamartha
09.01.2014, 10:55
Na, dann noch mal.:)
Ich hatte aus aktuellem Anlass folgendes Gedich in Erinnerung rufen wollen, verfasst von Herrn Eduard Mörike:
Frühling läßt sein blaues Band
Wieder flattern durch die Lüfte;
Süße, wohlbekannte Düfte
Streifen ahnungsvoll das Land.
Veilchen träumen schon,
Wollen balde kommen.
Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist’s!
Dich hab´ ich vernommen!
the grip
11.01.2014, 17:55
Frech und froh
Liebesqual verschmäht mein Herz,
Sanften Jammer, süßen Schmerz;
Nur vom Tüchtgen will ich wissen,
Heißem Äugeln, derben Küssen.
Sei ein armer Hund erfrischt
Von der Lust, mit Pein gemischt!
Mädchen, gib der frischen Brust
Nichts von Pein und alle Lust.
the grip
14.01.2014, 08:57
Bescheiden
Supermän
zu vögeln
wäre eine
schöne
Aufgabe.
Ein
gepflegter
Gartenzwerg
tuts auch
the grip
16.01.2014, 09:26
Mein Kind, es sind allhier die Dinge,
Gleichviel, ob große, ob geringe,
Im Wesentlichen so verpackt,
Daß man sie nicht wie Nüsse knackt.
Wie wolltest du dich unterwinden,
Kurzweg die Menschen zu ergründen.
Du kennst sie nur von außenwärts.
Du siehst die Weste, nicht das Herz.
the grip
18.01.2014, 18:58
Der Seufzer
Ein Seufzer lief Schlittschuh auf nächtlichem Eis
und träumte von Liebe und Freude.
Es war an dem Stadtwall, und schneeweiß
glänzten die Stadtwallgebäude.
Der Seufzer dacht an ein Maidelein
und blieb erglühend stehen.
Da schmolz die Eisbahn unter ihm ein -
und er sank - und ward nimmer gesehen.
the grip
21.01.2014, 09:28
Der Mensch
Empfangen und genähret
Vom Weibe wunderbar
Kömmt er und sieht und höret,
Und nimmt des Trugs nicht wahr;
Gelüstet und begehret,
Und bringt sein Tränlein dar;
Verachtet, und verehret;
Hat Freude, und Gefahr;
Glaubt, zweifelt, wähnt und lehret,
Hält nichts, und alles wahr;
Erbauet, und zerstöret;
Und quält sich immerdar;
Schläft, wachet, wächst, und zehret;
Trägt braun und graues Haar;
Und alles dieses währet,
Wenn‘s hoch kommt, achtzig Jahr.
the grip
23.01.2014, 09:13
Mit der Brille auf der Nase
Hab mich im Griff
daß es wehtut, Baby
verirre mich selten
in tiefen Gefühlen
brauch alle Kraft
um bei Kräften zu bleiben
brauch jede Nacht
um im Trüben zu wühlen
bin für die Liebe verloren.
Das Tier in mir
hat Schlappohren.
the grip
26.01.2014, 09:30
Die weisen Juristen
Ja, ja, den Künstlern fehlt die Logik!
Sie genie´ßen nicht die rechte Pädagogik.
Ich denke von ihnen auch gering,
G’rad so, wie der Herr von Nieberding.
Es geht keiner auf die Universität,
Und lernet dortselbst von früh bis spät,
Wie dieses thut ein braver Jurist,
Der drei Jahre lang sauft und frißt,
Und die Mitgift der armen Schwestern,
Verjubelt in flotten Korpssemestern,
Bis er, weil es nicht anders geht,
Sich endlich mürrisch dazu versteht,
Und er lernt in zehn Wochen den ganzen Mist,
Den er bedarf als guter Jurist,
Um andere Leute gering zu schätzen
Und selber recht saudumm daher zu schwätzen.
the grip
28.01.2014, 09:08
Hans im Glück
Hättest du mich doch gesehen,
wie ich durch den Sommer ging:
Augen bloß für meine Zehen,
böse jedem Schmetterling.
Glück und Unglück nannt´ ich dumm;
gott, wie ging ich Weiser krumm!
Jetzt ist Feld und Himmel grau,
und viel Unglück wird geschehen,
treulos Weib, geliebte Frau,
denn du hast mich angesehen,
und ich gehe wie ein Licht;
gott, wie leuchtet mein Gesicht!
the grip
30.01.2014, 09:11
Mitternachts-Mandala
Ich liege im Bett
Und rundherum nur dunkle Nacht
Ich geh den Berg hoch
Um dort irgendjemand zu treffen
Der mir zeigt
Wie einfach es ist
Bei Sonnenaufgang wieder runterzugehn
Ins Tal
the grip
02.02.2014, 09:51
Mein Kind, es sind allhier die Dinge,
Gleichviel, ob große, ob geringe,
Im Wesentlichen so verpackt,
Daß man sie nicht wie Nüsse knackt.
Wie wolltest du dich unterwinden,
Kurzweg die Menschen zu ergründen.
Du kennst sie nur von außenwärts.
Du siehst die Weste, nicht das Herz
the grip
04.02.2014, 08:43
Die Liebe
Ohne Liebe
Lebe, wer da kann.
Wenn er auch ein Mensch schon bliebe,
Bleibt er doch kein Mann.
Süße Liebe,
Mach´ mein Leben süß!
Stille nie die regen Triebe
Sonder Hindernis.
Schmachten lassen
Sei der Schönen Pflicht!
Nur uns ewig schmachten lassen,
Dieses sei sie nicht.
bellamartha
04.02.2014, 09:31
Schön!:)
Gruß und Danke!
J.
the grip
06.02.2014, 11:47
Zeitmaß
Eros, wie seh ich dich hier! In jeglichem Händchen die Sanduhr!
Wie? Leichtsinniger Gott, missest du doppelt die Zeit?
„Langsam rinnen aus einer die Stunden entfernter Geliebten;
Gegenwärtigen fließt eilig die zweite herab.“
the grip
09.02.2014, 09:17
Der Brief, den du geschrieben,
Er macht mich gar nicht bang;
Du willst mich nicht mehr lieben,
Aber dein Brief ist lang.
Zwölf Seiten, eng und zierlich!
Ein kleines Manuskript!
Man schreibt nicht so ausführlich,
Wenn man den Abschied gibt.
the grip
11.02.2014, 09:36
An Eva
Ich habe deinen Brief gelesen,
Es will mir nicht zum Kopf hinein:
Du bist bisher mein Traum gewesen
Und wirst ab nun mein Albdruck sein.
Ich werde einen Kaktus kaufen.
Mit Tränen pflanze ich ihn ein.
Wenn er mal blüht, will ich ihn taufen:
Dein Name soll sein Name sein!
bellamartha
11.02.2014, 09:56
Gänsehaut!
the grip
13.02.2014, 11:00
Der Seiltänzer
Fallen ist fürchterlich,
fürchterlicher aber der Zweifel.
Ein Publikum gäbe es nicht,
verlöre nicht manchmal einer sein Gleichgewicht
und stürzte in den Tode.
Nur ein Sturz macht der Menschenmenge klar,
daß kein Trick dabei war.
Doch dann liegt eine Leiche auf dem Asphalt –
und deren Wahrheitsgehalt überzeugt sie.
Sie weichen staunend zurück
und nehmen ihn mit in den Schlaf,
bevor ihn ein Wind in die Seite traf.
the grip
16.02.2014, 18:49
An den Mann im Spiegel
Du bist ein krummer, dummer Hund!
Und hast es doch so gut gehabt,
Bist gar nicht reich und bist gesund,
Auch großenteils nicht unbegabt.
Du altes Schwein im Trüffelbeet,
Weißt du auch stets, wie gut’s dir geht?
Du, spring nicht über Schranken,
Die höher, als du selbst bist, sind.
Vergiß nie, täglich wie ein Kind
Für alles tief zu danken.
the grip
18.02.2014, 09:12
Heute,
ich weiß immer noch nicht,
was es ist, dieses Gefühl,
das Flugzeug da oben
und die Reise
zu dir
Deine Augen, die China gesehen haben,
deine Stimme, die im Ernstfall auch ein Motorboot
übertönen würde, deine Beine und die Art,
wie du sie bewegst.
Schönheit muss praktisch sein,
das hätte auch einen Mann wie Hemingway
ausgeknockt.
the grip
20.02.2014, 09:53
Die Luft war einst dem Sterben nah.
"Hilf mir, mein himmlischer Papa",
so rief sie mit sehr trübem Blick,
"ich werde dumm, ich werde dick;
du weißt ja sonst für alles Rat –
schick mich auf Reisen, in ein Bad,
auch saure Milch wird gern empfohlen; –
wenn nicht – laß ich den Teufel holen!"
Der Herr, sich scheuend vor Blamage,
erfand für sie die – Tonmassage.
Es gibt seitdem die Welt, die – schreit.
Wobei die Luft famos gedeiht.
the grip
23.02.2014, 09:50
Ein Blick ins Damenbad
Nicht all und jedes, meine Beste,
Ist reizend, was Ihr Kleid verhehlt.
Denn manches, was das Mieder preßte,
Wird schwabbelig, wenn dieses fehlt.
Ein hübscher Stiefel, schöne Strümpfe
Beschwindeln uns oft sonderbar.
Man sieht mit Schrecken, daß die Nymphe
Gespickt mit Hühneraugen war.
Ich spreche nicht von Hinterfronten,
Die, ungebührlich aufgebauscht,
Uns nur so lang bezaubern konnten,
Als schwere Seide sie umrauscht.
Das Nackte kann die Tugend stärken,
Und vieles reizt uns nur umflort.
Ich konnt' es durch die Wand bemerken,
Als ich ein Loch hineingebohrt.
the grip
25.02.2014, 15:19
Der „Gezeichnete“
Ein Bleistift hat mich vergewaltigt,
Hat meine Züge vergestaltigt
Und hinterlistig auf ein Blatt
Papier gebracht.
Ich muss gesteh’n, der Bleistift hat
An sich die Sache gut gemacht.
Wer aber gab ihm die Erlaubnis?
Nun weiß ich nicht recht, ob das Raub ist.
Gehört die Miene nun dem Blei?
Gehört sie mir? – Wie dem auch sei.
Die Fratze und der Bleistiftstrich
Verhöhnten und versöhnten sich
Und zogen darauf Hand in Hand
Ganz freundschaftlich ins weite Land.
Denn beide sind – das ist der Witz –
Im Grunde kein Privatbesitz.
the grip
27.02.2014, 09:17
Grausames Schicksal
Für mich der etwas weiss vom Essen,
Kann nichts Betrübteres geschehen,
Als Andre schlemmen sehn und fressen,
Die keine Spur davon verstehn.
Ja, düster ist des Schicksals Wille
Und kalt vermag es zuzusehn,
Wie ein Talent so in der Stille
Muss ungenutzt zu Grunde gehen.
the grip
28.02.2014, 09:23
Freude
Freude soll nimmer schweigen.
Freude soll offen sich zeigen.
Freude soll lachen, glänzen und singen.
Freude soll danken ein Leben lang.
Freude soll dir die Seele durchschauern.
Freude soll weiterschwingen.
Freude soll dauern
Ein Leben lang.
the grip
02.03.2014, 11:13
Gründer
Geschäftig sind die Menschenkinder,
Die große Zunft von kleinen Meistern,
Als Mitbegründer, Miterfinder
Sich diese Welt zurechtzukleistern.
Nur leider kann man sich nicht einen,
Wie man das Ding am besten mache.
Das Bauen mit belebten Steinen
Ist eine höchst verzwickte Sache.
Welch ein Gedrängel und Getriebe
Von Lieb und Haß bei Nacht und Tage,
Und unaufhörlich setzt es Hiebe,
Und unaufhörlich tönt die Klage.
Gottlob, es gibt auch stille Leute,
Die meiden dies Gewühl und hassen's
Und bauen auf der andern Seite
Sich eine Welt des Unterlassens.
the grip
04.03.2014, 09:26
Pfützen spiegeln das Himmelslicht.
Sie haben ein helles Gesicht.
Meide ihre Mulden!
Tritt nicht in Lachen.
Wenn sie dich dreckig machen,
Ist’s dein Verschulden.
Pfützen sind Schicksal für manches Getier,
Sind aber für Kinder Seligkeiten.
Häufig werden sich zwei oder vier
Menschen um Pfützen streiten.
the grip
06.03.2014, 09:57
Geburtsakt der Philosophie
Erschrocken schaut der Heide Schaf mich an,
als säh's in mir den ersten Menschenmann.
Sein Blick steckt an; wir stehen wie im Schlaf;
mir ist, ich säh zum ersten Mal ein Schaf.
the grip
09.03.2014, 10:57
Kritik des Herzens
Er stellt sich vor sein Spiegelglas
Und arrangiert noch dies und das.
Er dreht hinaus des Bartes Spitzen,
Sieht zu, wie seine Ringe blitzen,
Probiert auch mal, wie sich das macht,
Wenn er so herzgewinnend lacht,
Übt seines Auges Zauberkraft,
Legt die Krawatte musterhaft,
Wirft einen süßen Scheideblick
Auf sein geliebtes Bild zurück,
Geht dann hinaus zur Promenade,
Umschwebt vom Dufte der Pomade,
Und ärgert sich als wie ein Stint,
Daß andre Leute eitel sind.
the grip
11.03.2014, 11:19
Such
Der Hund springt aufs Bett und robbt
über mich.
"Weißt du das Wort?" frage ich ihn.
Er gibt keine Antwort.
"Weißt du das Wort? Ich such das
richtige Wort."
Er sieht mich mit seinen ernsten
Braunen Augen an.
"Ich warte auf das richtige Wort"
erkläre ich ihm. "Ich komme mir vor
als würde ich durch eine große heiße
Bratpfanne schnalzen."
Er wedelt und versucht, mein
Gesicht zu lecken.
"Hör mal", ruft sie aus dem Bade-
zimmer, "kommst du jetzt endlich
aus den Federn und hörst auf,
mit dem Hund zu reden?!"
Meine Eltern haben mich auch
nie verstanden.
the grip
13.03.2014, 09:55
Seltsam, das literarische Leben!
Bei jedem Band die Furcht vor etwas Unangenehmen;
jede Veröffentlichung eine Gefahr.
Die Furcht, nicht genug Erfolg zu haben,
oder, wenn er zu groß ist,
die wie es weitergehen soll.
the grip
16.03.2014, 09:43
Im dunklen Erdteil Afrika
Starb eine Ziehharmonika.
Sie wurde mit Musik begraben.
Am Grabe saßen zwanzig Raben.
Der Rabe Num’ro einundzwanzig
Fuhr mit dem Segelschiff nach Danzig
Und gründete dort etwas später
Ein Heim für kinderlose Väter.
Und die Moral von der Geschicht? –
Die weiß ich leider selber nicht.
the grip
18.03.2014, 10:24
Es wird Frühling – alles schimmert
Nur die Kiefer quietscht und wimmert
Jammert über Winterschäden
Muß zum Kieferorthopäden
the grip
20.03.2014, 14:30
Wenn ich mir in stiller Seele
Singe leise Lieder vor:
Wie ich fühle, daß sie fehle,
Die ich einzig mir erkor –
Möcht ich hoffen, daß sie sänge,
Was ich ihr so gern vertraut;
Ach, aus dieser Brust und Enge
Drängen frühe Lieder laut.
the grip
23.03.2014, 09:12
Offener Brief an Angestellte
Vorgesetzte muss es geben.
Angestellte müssen sein.
Ordnung ist das halbe Leben.
Brust heraus und Bauch hinein!
Vorgesetzte tragen feiste
Bäuche unter dem Jackett.
Feist ist an dem Pack das meiste,
und sie gehn nur quer ins Bett.
Sie sind fett aus Überzeugung.
Und der bloße Anblick schon
zwingt uns andre zur Verbeugung.
Korpulenz wird Religion!
In den runden Händen halten
sie Zigarren schussbereit.
Jede ihrer Prachtgestalten
wirkt, als wären sie zu zweit.
Manche sagen (wenn auch selten),
sie verstünden unsre Not.
Und wir kleine Angestellten
schmieren uns den Quatsch aufs Brot.
Atemholen sei nicht teuer,
sagen sie, und nahrhaft auch!
Und dann hinterziehn sie Steuer
und beklopfen sich den Bauch.
Nagelt ihnen auf die Glatzen
kalten Braten und Coupons!
Blast sie auf, und wenn sie platzen!
Gibt es schönre Luftballons?
Laßt sie steigen und sich blähen,
über Deutschland, hoch im Wind!
Bis sie alles übersehen,
weil sie Aufsichtsräte sind.
Wenn sie eines Tags verrecken,
stopft sie aus und weckt sie ein!
Tiere kann man damit necken,
Kinder kann man damit schrecken,
aber euch? Ich hoffe: Nein!
the grip
25.03.2014, 09:58
Köpfe abschlagen ist nicht sehr klug.
Die Stecknadel, der man den Kopf abschlug,
fand, der Kopf sei völlig entbehrlich,
und war nun vorn und hinten entbehrlich.
Köpfe abschlagen ist nicht sehr klug.
Die Stecknadel, der man den Kopf abschlug,
fand, der Kopf sei völlig entbehrlich,
und war nun vorn und hinten entbehrlich.
Geht dir die Lyrik so langsam aus? Den hatten wir schon mehrmals.
Fiel mir nur gerade so ein. Eigentlich wollte ich es für mich behalten...aber...:Cheese:
the grip
27.03.2014, 10:20
Sie stritten sich beim Wein herum,
was das nun wieder wäre;
Das mit dem Darwin wär gar zu dumm
Und wider die menschliche Ehre.
Sie tranken manchen Humpen aus,
Sie stolperten aus den Türen,
Sie grunzten vernehmlich und kamen zu Haus
Gekrochen auf allen vieren.
@pioto: alter Nörgler, ist Dir langweilig ? Dann hock Dich aufs Rad :dresche .
the grip
30.03.2014, 09:54
Der Papagei
Es war einmal ein Papagei,
der war beim Schöpfungsakt dabei
und lernte gleich am rechten Ort
des ersten Menschen erstes Wort.
Des Menschen erstes Wort war A
und hieß fast alles, was er sah,
z. B. Fisch, z. B. Brot,
z. B. Leben oder Tod.
Erst nach Jahrhunderten voll Schnee
erfand der Mensch zum A das B
und dann das L und dann das Q
und schließlich noch das Z dazu.
Gedachter Papagei indem
ward älter als Methusalem,
bewahrend treu in Brust und Schnabel
die erste menschliche Vokabel.
Zum Schlusse starb auch er am Zips.
Doch heut noch steht sein Bild in Gips,
geschmückt mit einem grünen A,
im Staatsschatz zu Ekbatana.
the grip
01.04.2014, 09:32
Wenn ich mir in stiller Seele
Singe leise Lieder vor:
Wie ich fühle, daß sie fehle,
Die ich einzig mir erkor –
Möcht ich hoffen, daß sie sänge,
Was ich ihr so gern vertraut;
Ach, aus dieser Brust und Enge
Drängen frühe Lieder laut.
the grip
03.04.2014, 10:41
Frühlingsahnen
Wohlig merken unsre Sinne
Nun den Frühling allgemach,
Denn es trauft aus jeder Rinne,
Und es tropft von jedem Dach.
Leise regt sich im Theater
Dieser Welt ein Liebeston;
Nächstens schreien viele Kater,
Und der Hase rammelt schon.
So auch uns ergreift die Glieder
Wundersame Lebenskraft;
Selbst solide Seifensieder
Fühlen ihren Knospensaft.
Treibet das Geschäft der Paarung!
Lasset der Natur den Lauf!
Denn ihr wisset aus Erfahrung,
Einmal hört es leider auf.
the grip
06.04.2014, 14:09
Gladderadatsch
Es hat ein Igel sich geckenhaft und blasiert
Am ganzen Körper von oben bis unten rasiert,
Weil er abstechen wollte.
Stach wirklich auch ab. Da nahte ein Fuchs.
Worauf der Igel sich igelartig zusammenrollte.
Aber der Fuchs verschluckte ihn flugs.
Igel bat Fuchsen, ihn doch wieder auszubrechen;
Er sein ein Igel und könnte empfindlich stechen.
Und mittels bauchrethorischer Worte
Sprach der Fuchs: "Sie müssen verzeihn;
ich hielt sie für ein kindliches Schwein,
Werde nun aber sofort Sie befrein.
Wen ich bitten darf - durch die Hinterpforte."
Der Igel gab keinen Laut
Mehr von sich. Er war schon verdaut.
the grip
09.04.2014, 16:51
Lieder eines Lumpen
Als ich ein kleiner Bube war,
War ich ein kleiner Lump;
Zigarren raucht′ ich heimlich schon,
Trank auch schon Bier auf Pump.
Zur Hose hing das Hemd heraus,
Die Stiefel lief ich krumm,
Und statt zur Schule hinzugehn,
Strich ich im Wald herum.
Wie hab ich′s doch seit jener Zeit
So herrlich weit gebracht! -
Die Zeit hat aus dem kleinen Lump
′nen großen Lump gemacht.
the grip
10.04.2014, 09:24
Heimliche Stunde
Ein kleiner Spuk durch die Dampfheizung ging,
Keine Uhr war aufgezogen.
Ein zu früh geborener Schmetterling
Kam auf das Schachbrett geflogen.
Es ging ein Blumenvasenblau
Mit der Sonne wie eine Schnecke.
Ich liebe Gott und meine Frau,
Meine Wohnung und meine Decke.
the grip
12.04.2014, 19:40
007, 008, 009, 000
Thriller gestern:
Der Witz des Detektivs: lakonisch.
Das Gangstergrinsen: strikt sardonisch.
Des Richters Strafmaß: stur drakonisch.
Die Liebe aber: streng platonisch.
Thriller heute:
Der Boß, der Killer: megacool.
Der Inspektor: Blut im Stuhl.
Sein Assistent: milchzuckerschwul.
Die Leidenschaft: ein Sündenpfuhl.
Thriller morgen:
Die Guten: gut. Die Bösen: schlecht.
Der Kommissar: ein toller Hecht.
Die ganze Welt: total gerecht.
Das Leben: falsch, doch täuschend echt.
the grip
15.04.2014, 10:22
Die Schändliche
Sie ist ein reizendes Geschöpfchen,
Mit allen Wassern wohl gewaschen;
Sie kennt die süßen Sündentöpfchen
Und liebt es, häufig draus zu naschen.
Da bleibt den sittlich Hochgestellten
Nichts weiter übrig, als mit Freuden
Auf diese Schandperson zu schelten
Und sie mit Schmerzen zu beneiden.
the grip
17.04.2014, 09:29
Der kleine Unterschied
Es sprach zu Mister Goodwill
ein deutscher Emigrant:
"Gewiß, es bleibt dasselbe,
sag ich nun ‚land‘ statt Land,
sag ich für Heimat ‚homeland‘
und ‚poem‘ für Gedicht.
Gewiß, ich bin sehr ‚happy‘:
Doch glücklich bin ich nicht."
the grip
20.04.2014, 17:01
Hör‘ auf, mit deinem Gram zu spielen,
Der, wie ein Geier, dir am Leben frißt;
Die schlechteste Gesellschaft lässt dich fühlen,
Daß du ein Mensch unter Menschen bist.
the grip
20.04.2014, 17:03
Wer ahnte, daß zum Weihnachtsfest
Cornelia mich sitzen lässt?
Das war noch nichts: zu Ostern jetzt
hat sie mich abermals versetzt!
Nun freu ich mich auf Pfingsten –
nicht im geringsten!
the grip
22.04.2014, 10:27
Für einen Porträtmaler
Die gnädige Frau, die alte,
Die hab’ ich konterfeit.
Sie hatte manche Falte,
Drob war sie nicht erfreut.
Die Falten und die Runzeln,
Die malt ich nimmermehr,
Drob tät sie gnädig schmunzeln,
Das freut die Alte sehr.
Sie hatte viele Pocken -
Ich fand den Teint so klar;
Sie hatte falsche Locken -
Ich lobt ihr schönes Haar.
An ihrer roten Nase
Pries ich den feinen Ton;
Denn jede schöne Phrase,
Die findet ihren Lohn.
Die Alte fand geraten
Ihr gnädig Konterfei.
Sie zahlt mir zehn Dukaten,
Weil’s gar’ so ähnlich sei.
the grip
24.04.2014, 09:49
Laß die Moleküle rasen,
was sie auch zusammenknobeln!
Laß das Tüfteln, laß das Hobeln,
heilig halte die Ekstasen!
the grip
27.04.2014, 13:35
Grabrede für einen Idealisten
Bevor man stirbt, hat man gelebt.
Der Mann nun, den man hier begräbt,
lebte höchst sonderbar.
Er litt aus Mitleid, wenn er litt
und stritt für andre, wenn er stritt,
auf eigene Gefahr.
Und hatte, trauernde Gemeinde,
ganz einfach deshalb lauter Feinde,
weil er ein Freund der Menschen war.
the grip
29.04.2014, 09:42
Wechsel
Immer, wenn es Frühling ist,
Fühlt man schöne Triebe,
Und man spricht so manchen Mist,
Meistenteils von Liebe.
Unser Mädchen glaubt es wohl;
Die Natur der Frauen
Zwingt sie ja, dem größten Kohl
Blindlings zu vertrauen.
Wenn das Korn am höchsten steht,
In den Sommerszeiten,
Findet, wer zu Zweien geht,
Leicht Gelegenheiten.
Lockrer wird das süße Band,
Wenn die Früchte reifen,
Will sie es auch vorderhand
Noch nicht recht begreifen.
Liebste, füge dich darein!
Was ist auch dahinter?
Ich will wieder ledig sein
Für den nächsten Winter.
the grip
01.05.2014, 09:24
Schaudervoll: Es zog die reine,
Weiße, ehrbar keusche Clara
Aus dem Sittlichkeitsvereine
Eines Abends nach Ferrara.
Schaudervoll: Dort, irgendwo,
Floß der Po.
Schaudervoll, doch es geschah
In Ferrara, daß die Clara
Aus dem Sittlichkeitsvereine
Nachts den Po doppelt sah.
the grip
04.05.2014, 09:16
Im Maien
Ach! Im Maien
Im Frühlingsüberschwange
Fühlt ein jedes Hundeherz
Sich getrieben von dem Drange,
Ohne Ruh
A-hu! A-hu!
Von der Liebe süßem Schmerz.
Milder werden ihre Sitten;
Es ergreift Melancholie
Alle, die vergeblich bitten.
Darum du
A-hu! A-hu!
Hundedame, höre sie!
Fühlst du keine jener Schwächen,
Die das Herrenvolk verehrt?
O! das muß sich einmal rächen!
Nur so zu!
A-hu! A-hu!
Auch der Mops hat seinen Wert.
Eh du's meinst, vergeht die Jugend;
Und mit der du so gegeizt,
Gerne gäbst du deine Tugend,
Alte Kuh!
A-hu! A-hu!
Die dann keinen Pinscher reizt.
Mädchen! sieh an diesen Hunden,
Was auch unsere Wünsche sind!
Hast du wen im Mai gefunden,
O so tu!
A-hu! A-hu!
Alles, was er will, mein Kind!
the grip
06.05.2014, 09:56
Die Lehre von der Wiederkehr
Ist zweifelhaften Sinns.
Es fragt sich sehr, ob man nachher
Noch sagen kann: Ich bin’s.
Allein was tut’s, wenn mit der Zeit
Sich ändert die Gestalt?
Die Fähigkeit zu Lust und Leid
Vergeht wohl nicht so bald.
the grip
08.05.2014, 10:03
Tapferkeit
Zu Haus leb ich recht selbstbezogen
und brauche deshalb keine Drogen,
doch geh ich aus und muß charmant sein,
dann faß ich Mut und etwas Brandwein.
the grip
11.05.2014, 14:28
Ballgeflüster
Ich bin aus vollster Brust modern
Und hoffe, man sieht es mir an.
Ich schlafe mit allen möglichen Herrn,
nur nicht mit dem eigenen Mann.
Ich schwärme für blutige Dramen.
Und wo man mich packt, bin ich echt.
Ich frag nicht nach Stand und Namen
Und erst recht nicht nach dem Geschlecht.
Ich liebe nach neuester Mode.
Ich kenne den dernier cri.
Ich beherrsche jede Methode.
Mein Hündchen heißt Annemarie.
Ich kenne die tollsten Gebärden.
ich flüstre das tollste Wort.
Ich liebe, um schlanker zu werden.
Ich liebe, als triebe ich Sport.
Ich haue und lasse mich hauen.
Ich regle den größten Verkehr.
Auf mir kann man Häuser bauen.
Liebchen, was willst du noch mehr?
Gefühl ist mir gänzlich fremd.
Ich leide nicht durch den Gebrauch.
Ich hab unterm Kleid kein Hemd.
Und Kinder habe ich auch.
Morgen um Fünf hätt ich Zeit.
Da dürften sie mir was tun.
Mein Bett ist doppelt breit.
Um Sechs kommt Mister White. –
Mein Herr, was sagen sie nun?
the grip
13.05.2014, 16:55
Köpfe abschlagen ist nicht sehr klug.
Die Stecknadel, der man den Kopf abschlug,
fand, der Kopf sei völlig entbehrlich,
und war nun vorn und hinten entbehrlich.
the grip
15.05.2014, 10:23
Kaum hab ich die Welt zu schaffen begonnen.
In einer Woche war’s abgetan.
Doch hatt ich vorher tief ausgesonnen
Jahrtausendelang den Schöpfungsplan.
Das Schaffen selbst ist eitel Bewegung,
Das stümpert sich leicht in kurzer Frist;
Jedoch der Plan, die Überlegung,
Das zeigt erst, wer ein Künstler ist.
Ich hab allein dreihundert Jahre
Tagtäglich drüber nachgedacht,
Wie man am besten Doctores Juris
Und gar die kleinen Flöhe macht.
the grip
17.05.2014, 23:23
Billardopfer
Er starb am Billard, beim letzten Stoße.
Engel trugen ihn in die Höh'.
Abraham fand in seinem Schoße
Blaue Kreide und ein Billardqueue,
Und er stieß in spielerischer Idee
Nach den Sternen und Monden mit Linkseffet.
Abraham bekam das Spielen satt,
Weil der Himmel keine Bande hat.
Warf also das Queue wütend zur Erde zurück.
Das brach einer alten Frau das Genick.
Die stand auf der Straße, doch nicht auf der Einwohnerliste.
Die nächste Gemeinde begrub und bezahlte die Kiste.
Und von dem Blitze, der bald dieses, bald jenes vernichtet,
Wurde dann unter »Lokales« berichtet,
Daß er eine fremde Zigeunerin draußen erschlug,
Die einen gestohlenen Billardstock bei sich trug.
Ob wohl in Afrika oder am Delta des Nils
Auch Leute so sterben als Opfer des Billardspiels??
the grip
18.05.2014, 14:31
Billardopfer
Er starb am Billard, beim letzten Stoße.
Engel trugen ihn in die Höh'.
Abraham fand in seinem Schoße
Blaue Kreide und ein Billardqueue,
Und er stieß in spielerischer Idee
Nach den Sternen und Monden mit Linkseffet.
Abraham bekam das Spielen satt,
Weil der Himmel keine Bande hat.
Warf also das Queue wütend zur Erde zurück.
Das brach einer alten Frau das Genick.
Die stand auf der Straße, doch nicht auf der Einwohnerliste.
Die nächste Gemeinde begrub und bezahlte die Kiste.
Und von dem Blitze, der bald dieses, bald jenes vernichtet,
Wurde dann unter »Lokales« berichtet,
Daß er eine fremde Zigeunerin draußen erschlug,
Die einen gestohlenen Billardstock bei sich trug.
Ob wohl in Afrika oder am Delta des Nils
Auch Leute so sterben als Opfer des Billardspiels??
the grip
20.05.2014, 09:33
Das Paradies
Sein Glück für einen Apfel geben.
O Adam, welche Lüsternheit!
Statt deiner hätt' ich sollen leben,
so wär' das Paradies noch heut. –
Wie aber, wenn alsdann die Traube
Die Probefrucht gewesen wär'?
Wie da, mein Freund? – Ei nun, ich glaube –
Das Paradies wär' auch nicht mehr.
the grip
22.05.2014, 11:33
Ich liebe Frauen -
Ich liebe Frauen, die vor tausend Jahren
Geliebt von Dichtern und besungen waren.
Ich liebe Städte, deren leere Mauern
Königsgeschlechter alter Zeiten betrauern.
Ich liebe Städte, die erstehen werden,
Wenn niemand mehr von heute lebt auf Erden.
Ich liebe Frauen – schlanke, wunderbare,
Die ungehorsam ruhn im Schoß der Jahre.
Sie werden einst mit ihrer sternenbleichen
Schönheit der Schönheit meiner Träume gleichen
the grip
25.05.2014, 12:28
Helden in Pantoffeln
Auch der tapferste Mann, den es gibt,
schaut mal unters Bett.
Auch die nobelste Frau, die man liebt,
muß mal aufs Klosett.
Wer anläßlich dieser Erklärung
behauptet, das sei Infamie,
der verwechselt Heldenverehrung
mit Mangel an Phantasie.
the grip
27.05.2014, 14:22
Ewige Liebe
Er hat gesagt,
diese Nacht dauert ein Leben.
Da hat sie sich hingegeben.
So haben sie eine Nacht
Verbracht.
the grip
29.05.2014, 17:19
Poesie ist Erinnerung
An all die Liebenden, die sich
Nach dem Tode sehnten und weiterlebten.
Und wenn sie endlich sterben,
wird es zu spät sein
für jeden von uns
the grip
01.06.2014, 16:32
Kleine Führung durch die Jugend
Und plötzlich steht man wieder in der Stadt,
in der die Eltern wohnen und die Lehrer
und andre, die man ganz vergessen hat.
Mit jedem Schritte fällt das Gehen schwerer.
Man sieht die Kirche, wo man sonntags sang.
(Man hat seitdem fast gar nicht mehr gesungen.)
Dort sind die Stufen, über die man sprang.
Man blickt hinüber. Es sind andre Jungen.
Der Fleischer Kurzhals lehnt an seinem Haus.
Nun ist er alt. Man winkt ihm wie vor Jahren.
Er nickt zurück. Und sieht verwundert aus.
Man kennt ihn doch. Er ist sich nicht im klaren.
Dann fährt man Straßenbahn und hat viel Zeit.
Der Schaffner ruft die kommenden Stationen.
Es sind Stationen der Vergangenheit!
Man dachte, sie sei tot. Sie blieb hier wohnen.
Dann steigt man aus. Und zögert. Und erschrickt.
Der Wind steht still, und alle Wolken warten.
Man biegt um eine Ecke. Und erblickt
ein schwarzes Haus in einem kahlen Garten.
Das ist die Schule. Hier hat man gewohnt.
Im Schlafsaal brennen immer noch die Lichter.
Im Amselpark schwimmt immer noch der Mond.
Und an die Fenster pressen sich Gesichter.
Das Gitter blieb. Und nun steht man davor.
Und sieht dahinter neue Kinderherden.
Man fürchtet sich. Und legt den Kopf ans Tor.
(Es ist, als ob die Hosen kürzer werden.)
Hier floh man einst. Und wird jetzt wieder fliehn.
Was nützt der Mut? Hier wagt man nicht zu retten.
Man geht, denkt an die kleinen Eisenbetten
und fährt am besten wieder nach Berlin.
the grip
03.06.2014, 09:25
Auf dem Faulbett
Auf mein Faulbett hingestreckt
Überdenk ich so meine Tage,
Forschend, was wohl dahintersteckt,
Dass ich nur immer klage.
Ich habe zu essen, ich habe Tabak,
Ich lebe in jeder Sphäre,
Ich liebe je nach meinem Geschmack
Blaustrumpf oder Hetäre.
Die sexuelle Psychopathie,
Ich habe sie längst überwunden -
Und dennoch, ich vergess es nie,
Es waren doch schöne Stunden.
the grip
05.06.2014, 09:46
Der Aesthet
Wenn ich sitze, will ich nicht
sitzen, wie mein Sitz-Fleisch möchte,
sondern wie mein Sitz-Geist sich,
säße er, den Stuhl sich flöchte.
Der jedoch bedarf nicht viel,
schätzt am Stuhl allein den Stil,
überläßt den Zweck des Möbels
ohne Grimm der Gier des Pöbels.
the grip
08.06.2014, 16:04
Tadelt man, daß wir uns lieben,
Dürfen wir uns nicht betrüben:
Tadel ist von keiner Kraft.
Andern Dingen mag das gelten;
Kein Mißbilligen, kein Schelten
Macht die Liebe tadelhaft.
the grip
10.06.2014, 09:36
Die Haushaltung
Zankst du schon wieder? Sprach Hans Lau
Zu seiner lieben Ehefrau.
„Versoffener, unverschämter Mann“ -- -- --
Geduld, mein Kind, ich zieh‘ mich an – --
„Wo nun schon wieder hin?“
Zu Weine. Zank‘ du alleine.
„Du gehst? -- -- Verdammtes Kaffeehaus!
Ja! Bleib‘ er nur die Nacht nicht aus.
Gott! Ich soll so verlassen sein? –
Wer pocht? -- -- Herr Nachbar? -- -- nur herein!
Mein böser Teufel ist zu Weine:
Wir sind alleine.“
the grip
23.06.2014, 07:57
Auf dem Fliegenplaneten
Auf dem Fliegenplaneten,
da geht es dem Menschen nicht gut:
Denn was er hier der Fliege,
die Fliege dort ihm tut.
An Bändern voll Honig kleben
die Menschen dort allesamt,
und andere sind zum Verleben
in süßliches Bier verdammt.
In einem nur scheinen die Fliegen
dem Menschen vorauszustehn:
Man bäckt uns nicht in Semmeln,
noch trinkt man uns aus Versehn.
the grip
24.06.2014, 11:15
Schicksal
Der Wolke Zickzackzunge spricht:
ich bringe dir, mein Hammel, Licht.
Der Hammel, der im Stalle stand,
ward links und hinten schwarz gebrannt.
Sein Leben grübelt er seitdem:
warum ihm dies geschah von wem.
the grip
26.06.2014, 10:53
Auf Posten
Es prangen in den Straßen
Die Reichen auf und ab,
Das muß mich denken lassen,
Daß ich kein Geld nicht hab'.
Die Mädchen promenieren
Sich stolz an mir vorbei,
Da muß ich es verspüren,
Wie ich alleine sei.
Ich möchte, Mond und Sterne
Wär lauter bares Geld,
Das hätt' ich wohl so gerne
Und wär ein feiner Held.
Das Glück muß andern winken,
Kommt aber nicht zu mir,
Kein Geld nicht zum Vertrinken,
Kein Mädchen zum Pläsier.
the grip
29.06.2014, 12:01
Peinlich berührt
Im Dorfe wohnt ein Vetter,
Der gut versichert war
Vor Brand und Hagelwetter
Nun schon im zehnten Jahr.
Doch nie seit dazumalen
Ist ein Malheur passiert,
Und so für nichts zu zahlen,
Hat peinlich ihn berührt.
Jetzt, denkt er, überlasse
Dem Glück ich Feld und Haus.
Ich pfeife auf die Kasse.
Und schleunig trat er aus.
O weh, nach wenig Tagen
Da hieß es: Zapperment!
Der Weizen ist zerschlagen
Und Haus und Scheune brennt.
Ein Narr hat Glück in Masse,
Wer klug, hat selten Schwein.
Und schleunigst in die Kasse
Trat er halt wieder ein.
the grip
01.07.2014, 09:17
Kleine Rechenaufgabe
Allein ging jedem Alles schief.
Da packte sie die Wut.
Sie bildeten ein Kollektiv
und glaubten, nun sei´s gut.
Sie blinzelten mit viel Geduld
der Zukunft ins Gesicht.
Es blieb, wie‘s war. Was war dran schuld?
Die Rechnung stimmte nicht.
Addiert die Null zehntausend Mal!
Rechnet´s nur gründlich aus!
Multipliziert´s mit jeder Zahl!
Steht Kopf! Es bleibt euch keine Wahl:
Zum Schluß kommt Null heraus.
the grip
03.07.2014, 12:20
Der Sperling und das Känguru
In seinem Zaun das Känguru –
es hockt und guckt dem Sperling zu.
Der Sperling sitzt auf dem Gebäude –
doch ohne sonderliche Freude.
Vielmehr, er fühlt, den Kopf geduckt,
wie ihn das Känguru beguckt.
Der Sperling sträubt den Federflaus –
die Sache ist auch gar zu kraus.
Ihm ist, als ob er kaum noch säße …
Wenn nun das Känguru ihn fräße?!
Doch dieses dreht nach einer Stunde
den Kopf, aus irgend einem Grunde,
vielleicht auch ohne tiefern Sinn,
nach einer andern Richtung hin.
the grip
05.07.2014, 10:25
Rettung
Mein Mädchen ward mir ungetreu,
Das machte mich zum Freudenhasser.
Da lief ich an ein fließend Wasser,
Das Wasser lief vor mir vorbei.
Da stand ich nun verzweifelnd, stumm,
Im Kopfe war mirs wie betrunken,
Fast wär ich in den Strom gesunken,
Es ging die Welt mit mir herum.
Auf einmal hört ich was, das rief,
Ich wandte just dahin den Rücken,
Es war ein Stimmchen zum Entzücken:
Nimm dich in acht! der Fluß ist tief.
Da lief mir was durchs ganze Blut,
Ich seh, so ists ein süßes Mädchen;
Ich frage sie: wie heißt du? Käthchen!
O schönes Käthchen, du bist gut.
Du hältst vom Tode mich zurück,
Auf immer dank ich dir mein Leben.
Allein das heißt mir wenig geben,
Nun sei auch meines Lebens Glück.
Und dann klagt ich ihr meine Not;
Sie schlug die Augen lieblich nieder,
Ich küßte sie und sie mich wieder;
Und vor der Hand nichts mehr von Tod.
the grip
08.07.2014, 13:24
Mythos
Ich musste kotzen, also
lief ich in die nächste
öffentliche Toilette, doch
als ich sah, was für
Ideologien sich an den Wänden
trafen, ist mir das Kotzen
vergangen. Ich
tat es draußen, an einen
Baum gelehnt. Du Schwein,
sagte eine ganz ganz feine
Dame, wir haben ja
öffentliche Toiletten, weißt du
das nicht?
the grip
10.07.2014, 16:47
Wenn alles sitzen bliebe,
Was wir in Haß und Liebe
So voneinander schwatzen;
Wenn Lügen Haare wären,
Wir wären rauh wie Bären
Und hätten keine Glatzen.
benyryder
10.07.2014, 18:06
Wenn alles sitzen bliebe,
Was wir in Haß und Liebe
So voneinander schwatzen;
Wenn Lügen Haare wären,
Wir wären rauh wie Bären
Und hätten keine Glatzen.
:Blumen:
the grip
13.07.2014, 14:03
Der Maler
Ein Maler kühlte sein Gelüst –
und malte in der Apsis Grund
den Teufel wüst wie einen Hund.
Da stieß ihn dieser vom Gerüst.
Doch tiefer unten Maria stand.
Die reichte ihm ganz schnell die Hand
und, daß er stehn kunnt, seinem Fuß
den Schnabel ihres winzigen Schuhs –
und sprach zu dem Erschrocknen: Sieh,
so lohnt die junge Frau Marie
dem Schelm, der heute schier geprahlt,
doch vordem sie so schön gemalt!
the grip
15.07.2014, 09:51
Reue
Die Tugend will nicht immer passen,
Im ganzen läßt sie etwas kalt,
Und daß man eine unterlassen,
Vergißt man bald.
Doch schmerzlich denkt manch alter Knaster,
Der von vergangnen Zeiten träumt,
An die Gelegenheit zum Laster,
Die er versäumt.
the grip
22.07.2014, 09:32
Ohne Titel
Alle Theorien
wie Klischees
verpufft; all die
kleinen Gesichter
wie sie aufschauen
so gläubig und schön;
mir ist nach Heulen
aber Kummer ist
blöd. Ich möchte
glauben können
doch glauben ist
ein Friedhof.
Wir haben es auf
dem Punkt:
Schlachtermesser und Spottdrossel.
Wünsch uns
Glück
the grip
24.07.2014, 09:41
Der Sperling und das Känguru
In seinem Zaun das Känguru –
es hockt und guckt dem Sperling zu.
Der Sperling sitzt auf dem Gebäude –
doch ohne sonderliche Freude.
Vielmehr, er fühlt, den Kopf geduckt,
wie ihn das Känguru beguckt.
Der Sperling sträubt den Federflaus –
die Sache ist auch gar zu kraus.
Ihm ist, als ob er kaum noch säße …
Wenn nun das Känguru ihn fräße?!
Doch dieses dreht nach einer Stunde
den Kopf, aus irgend einem Grunde,
vielleicht auch ohne tiefern Sinn,
nach einer andern Richtung hin.
bellamartha
24.07.2014, 09:51
Sommergedichte, Grip, Sommergedichte! Hast du welche im Angebot?
Gruß, J.
Reue war/ ist doch eins oder? :Cheese:
the grip
25.07.2014, 17:36
Die Ameisen
In Hamburg lebten zwei Ameisen,
Die wollten nach Australien reisen.
Bei Altona auf der Chaussee
Da taten ihnen die Beine weh,
Und da verzichteten sie weise
Dann auf den letzten Teil der Reise.
the grip
27.07.2014, 09:38
Liebesgeschichten des Jeremias Pechvogel. Dritte Liebe
1.
Meine Freunde und Gesellen
Haben mich dazu verleitet,
Daß zu den Kasinobällen
Ich sie neuerdings begleitet.
Leicht und krinolinen-luftig,
Halb gefühlt und halb gesehen,
Fein Eau-de-Cologne-duftig
Spürt' ich ihr Vorüberwehen.
Kaum daß in den Saal wir kamen,
Fühlt' ich schon mein Herz erbeben,
Denn die schönste aller Damen
Sah ich leicht vorüberschweben.
Ihre Wange war umgaukelt
Von den Locken, lang und lose,
Und als wie auf Wellen schaukelt'
Ihr am Busen eine Rose.
Und das Aug', das feurig matte, –
Ja! ich mußt' sie engagieren.
Eilig zupft ich die Krawatte,
Würdig mich zu präparieren.
2.
Ach! Wie ist mir nur geschehen?! –
Ihn, den ich schon lange scheute,
Hatt' ich gänzlich übersehen,
Jenen Herrn an ihrer Seite.
Er fixierte mich so listig
Mit vertrautem Augenzwinken;
Und, weiß Gott! mir war, als müßt' ich
Spurlos in den Boden sinken. –
Heimlich bin ich fortgeschlichen. –
Jener Herr – so war es leider! –
Dem ich lang schon ausgewichen,
War ihr Vater und – mein Schneider.
the grip
29.07.2014, 10:49
Cupido ward die Fackel hin, und schlief;
Ein Mädchen der Diana stahl den Fang,
Und taucht der Liebe Feuerzunder tief
In einen kalten Quell, der dort entsprang.
Alsbald durchdrang vom heil’gen Brand die Wellen
Für alle Zeit lebendig rege Glut,
Und ward ein siedend Bad, in schlimmen Fällen
Der Menschen letzte Hülf’ und höchstes Gut.
Doch – die an Liebchens Blick frisch angefachte Kerze
Hielt mir aufs Herz der Knabe zum Versuch;
Daß ich, erkrankend von dem heißen Schmerze,
Ein trüber Gast, mich nach dem Bade trug.
Doch half mir’s nicht: Die Bäder, die mir taugen,
sind Amors Feuerquellen, Liebchens Augen.
the grip
31.07.2014, 17:25
Der Komiker
Ein Komiker von erstem Rang
Ging eine Straße links entlang.
Die Leute sagten rings umher
Hindeutend: Das ist der und der!
Der Komiker fuhr aus der Haut
Nach Haus und würgte seine Braut.
Nicht etwa wie von ungefähr,
Nein ernst, als ob das komisch wär.
the grip
10.08.2014, 14:07
War schöner als der schönste Tag,
Drum muß man mir verzeihen,
Daß ich sie nicht vergessen mag,
Am wenigsten im Freien.
Im Garten war's, sie kam heran,
Mir ihre Gunst zu zeigen;
Das fühl ich noch und denke dran,
Und bleib ihr ganz zu eigen.
the grip
10.08.2014, 14:09
Dämmerung
Traurig ist's und jämmerlicht,
Wenn der Mensch im Dämmerlicht
Früh den Weg nach Hause sucht
Und dabei die Welt verflucht.
Aus dem grauen Pflasterstein
Grinst Verzweiflung, Laster, Pein,
Und vom schwanken Lampenpfahl
Flackert Aberwitz und Qual.
In des Menschen bangem Leid
Stöbert die Vergangenheit –
Und er steigt voll Scham und Schmach
Einer späten Hure nach.
the grip
12.08.2014, 18:07
Vergleichende Erotik
So wird das Wunderbild der Venus fertig:
Ich nehm hier ein Aug, dort einen Mund,
hier eine Nase, dort der Brauen Rund.
Es wird Vergangenes mir gegenwärtig.
Hier weht ein Duft, der längst verweht und weit,
hier klingt ein Ton, der längst im Grab verklungen.
Und leben wird durch meine Lebenszeit
Das Venusbild, das meinem Kopf entsprungen.
the grip
14.08.2014, 10:19
Vom Leben
Dein Leben ist dir nur geliehn –
du sollst nicht daraus Vorteil ziehn.
Du sollst es ganz dem andern weihn –
und der kannst nicht du selber sein.
Der andere, das bin ich mein Lieber –
nu komm schon mit den Kohlen rüber.
the grip
17.08.2014, 22:27
Der Olympionike
I
Es war einmal
Ein Olympionike
Der lebte loyal
Für die Antike
Er warf seinen Diskus
Von hier bis dort
Das riß sein Meniskus
Und schmerzte hinfort
Und schmerzte
Und schmerzte
Herrje
Tat das weh
II
Er war einmal
Ein Olympionike
Dem war die Antike
Fortan scheißegal
the grip
19.08.2014, 10:24
Vergleichende Erotik
So wird das Wunderbild der Venus fertig:
Ich nehm hier ein Aug, dort einen Mund,
hier eine Nase, dort der Brauen Rund.
Es wird Vergangenes mir gegenwärtig.
Hier weht ein Duft, der längst verweht und weit,
hier klingt ein Ton, der längst im Grab verklungen.
Und leben wird durch meine Lebenszeit
Das Venusbild, das meinem Kopf entsprungen.
bellamartha
19.08.2014, 10:36
Hä?
Testest du jetzt, ob wir hier aufmerksam mitlesen?
Ja, tun wir: Das Gedicht über die vergleichende Erotik hast du bereits am 12.8. gepostet.
Oder magst du es so gern, dass du es uns noch einmal in Erinnerung rufen wolltest?
Ich finde es jedenfalls auch ganz schön.
Viele Grüße
J.
the grip
21.08.2014, 09:29
Wie immer sind die Wiederholungen ein Test, ob noch jemand mitliest (da sich ja Pioto verabschiedet hat) ...
Nein ehrlich, wg. Urlaub war ich etwas durch den Wind und nicht mehr sicher, ob und wann ...
the grip
21.08.2014, 09:30
Die Schnecken
Rötlich schimmert es im Westen
Und der laute Tag verklingt,
Nur das auf den höchsten Ästen
Lieblich noch die Drossel singt.
Jetzt in dicht belaubten Hecken,
Wo es still verborgen blieb,
Rüstet sich das Volk der Schnecken
Für den nächtlichen Betrieb.
the grip
24.08.2014, 09:34
Der Brief, den du geschrieben,
Er macht mich gar nicht bang;
Du willst mich nicht mehr lieben,
Aber dein Brief ist lang.
Zwölf Seiten, eng und zierlich!
Ein kleines Manuskript!
Man schreibt nicht so ausführlich,
Wenn man den Abschied gibt.
bellamartha
24.08.2014, 17:59
Huhu Grip!
Ich will ja jetzt nicht penetrant sein und bin mir auch nicht sicher: Aber hatten wir dieses außerordentlich hübsche Heine Gedicht nicht auch schon mal?
Selbst wenn: Es ist wirklich schön und kann ruhig öfter in Erinnerung gerufen werden.
Schönen Gruß
J.
the grip
26.08.2014, 10:12
Mopsenleben
Es sitzen Möpse gern auf Mauerecken,
die sich ins Straßenbild hinauserstrecken,
um von sotanen vorteilhaften Posten
die bunte Welt gemächlich auszukosten.
O Mensch, lieg vor dir selber auf der Lauer,
sonst bist du auch ein Mops nur auf der Mauer.
the grip
26.08.2014, 10:20
Huhu Grip!
Ich will ja jetzt nicht penetrant sein und bin mir auch nicht sicher: Aber hatten wir dieses außerordentlich hübsche Heine Gedicht nicht auch schon mal?
Selbst wenn: Es ist wirklich schön und kann ruhig öfter in Erinnerung gerufen werden.
Schönen Gruß
J.
Ich habe leider nicht die Zeit, jedes Mal 117 Seiten durchzulesen, um zu kontrollieren, ob das Gedicht schon gepostet wurde.
Oder habe ich da was in der SuFu übersehen ?
the grip
29.08.2014, 08:21
HARFENSPIELER
Wer nie sein Brot mit Tränen aß,
Wer nie die kummervollen Nächte
Auf seinem Bette weinend saß,
Der kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte.
Ihr führt ins Leben uns hinein,
Ihr laßt den Armen schuldig werden,
Dann überlaßt ihr ihn der Pein:
Denn alle Schuld rächt sich auf Erden.
Oder habe ich da was in der SuFu übersehen ?
Mich dünkt so:Huhu: :
Man kann direkt "Dieses Thema durchsuchen" anklicken, in der dunkelblauen QuerLeiste. Leider bin ich PC-Dummie, sonst würde ich Dir jetzt ein Bildschirm-Bild (aua) mit Pfeil offerieren, aber ich hoffe Du findest die Option auch so.
Achso und wieder mal Danke für den Gedichtservice!:Blumen:
Like.:)
the grip
31.08.2014, 10:45
Des Weisen Lehre
Künstler, wollt ihr Geld verdienen -
Und wer wollte dieses nicht? -
Höret, was mir recht geschienen,
Höret, was der Weise spricht:
Wessen Gunst sollst du erringen
Mit dem Bild, was du gemalt?
Erstens doch vor allen Dingen
Dessen, der den Kitsch bezahlt.
Zweitens fällt der Kritisierer
Bei der Sache ins Gewicht
Denn als Mensch und Zeitungsschmierer
Ist er ohne Einfluß nicht.
Drittens oder allererschtens,
Maler, was du auch gemacht,
Hast du dabei deines Ferschtens,
Deines Landesherrn gedacht?
Seine Huld belebt die Musen,
Und auch die der Malerei.
Sorge, daß in deinem Busen
Dieser Glaube innig sei.
Male, wie du, wenn du laben
Willst dich an des Herrschers Gunst,
Wünschen wirst, gemalt zu haben.
Dieses heißt man auch’ne Kunst.
the grip
31.08.2014, 10:48
Mich dünkt so:Huhu: :
Man kann direkt "Dieses Thema durchsuchen" anklicken, in der dunkelblauen QuerLeiste. Leider bin ich PC-Dummie, sonst würde ich Dir jetzt ein Bildschirm-Bild (aua) mit Pfeil offerieren, aber ich hoffe Du findest die Option auch so.
Achso und wieder mal Danke für den Gedichtservice!:Blumen:
Like.:)
Hab's gefunden, danke. Dieser Button war mir nie aufgefallen, bin aber auch kein Forums-Junkie ...
the grip
02.09.2014, 10:20
DIE ZWEI WURZELN
Zwei Tannenwurzeln groß und alt
unterhalten sich im Wald.
Was droben in den Wipfeln rauscht,
das wird hier unten ausgetauscht.
Ein altes Eichhorn sitzt dabei
und strickt wohl Strümpfe für die zwei.
Die eine sagt: knig. Die andere sagt: knag.
Das ist genug für einen Tag.
the grip
07.09.2014, 09:51
Bring Krähen um, Elstern und Dohlen,
Saatkrähen, Bussard und Raben,
oder sorg dafür, dass sie anderswo sich laben.
Zum Plündern der Nester brauchst du viel Geschick,
denn wenn du nicht aufpasst, brichst du dir’s Genick.
the grip
11.09.2014, 13:00
Sexuelle Aufklärung
Der alte Storch wird nun begraben.
Ihr Kinder lernt im Unterricht,
Warum wir dies und jenes haben,
Und es verbreitet sich das Licht.
Zu meiner Zeit, du große Güte!
Da herrschte tiefe Geistesnacht.
Man ahnte manches im Gemüte
Und hat sich selber was gedacht.
Mich lehrte dieses kein Professer;
Nur eine gute, dicke Magd
Nahm meine Unschuld unters Messer
Und machte auf dieselbe Jagd.
Ihr Unterricht war nicht ästhetisch,
Im Gegenteil, sehr weit entfernt.
Und doch, wenn auch nicht theoretisch,
Ich hab' es ziemlich gut gelernt.
the grip
14.09.2014, 19:38
Die Unbeliebte
Habt ihr denn wirklich keinen Schimmer
Von Angst, daß ihr noch ruhig schlaft?
Wird denn in dieser Welt nicht immer
Das Leben mit dem Tod bestraft?
Ihr lebt vergnügt trotz dem Verhängnis,
Das näher stets und näher zieht.
So stiehlt der Dieb, dem das Gefängnis
Und später gar der Galgen blüht.
Hör auf, entgegnet frech die Jugend,
Du altes Jammerinstrument!
Man merkt es gleich, du bist die Tugend,
Die keinem sein Vergnügen gönnt.
the grip
18.09.2014, 10:10
Ein Pflasterstein, der war einmal
Und wurde viel beschritten.
Er schrie: "Ich bin ein Mineral
Und muss mir ein für allemal
Dergleichen streng verbitten!"
the grip
21.09.2014, 16:38
Die Unterhose
Heilig ist die Unterhose,
wenn sie sich in Sonn‘ und Wind,
frei von ihrem Alltagslose
auf ihr wahres Selbst besinnt.
Fröhlich ledig der Blamage
steter Souterränität
wirkt am Seil sie als Staffage,
wie ein Segel leicht gebläht.
Keinen Tropus ihr zum Ruhme
spart des Malers Kompetenz,
preist sie seine treuste Blume
Sommer, Winter, Herbst und Lenz.
the grip
23.09.2014, 09:19
Warnung
Die Welt will euch so schön bedünken
Weil euch die junge Freiheit lacht;
Ihr wollt in ihrem Schoß versinken.
So hab‘ ich auch einmal gedacht.
Den Weg, den ihr im Jugendprangen
Mit freudevollem Herzen zieht;
Auch ich bin ihn einmal gegangen,
Obschon ich besser ihn vermied.
Die Blumen, die am Rande blühten,
Ich hab‘ nach ihnen mich gebückt,
Und – davor möcht‘ ich euch behüten –
Ich habe manche mir gepflückt.
Ich könnt‘ euch gute Warnung geben,
Jedoch ich weiß, ihr hört mich nicht,
Man kennt die Rosen, wie das Leben,
Nur, wenn man ich an ihnen sticht.
the grip
25.09.2014, 10:02
Reklame
Ich wollte von gar nichts wissen.
Da habe ich eine Reklame erblickt.
Die hat mich in die Augen gezwickt
Und ins Gedächtnis gebissen.
Sie predigte mir von früh bis spät
Laut öffentlich wie im stillen
Von der vorzüglichen Qualität
Gewisser Bettnässer-Pillen.
Ich sagte: "Mag sein! Doch für mich nicht! Nein, nein!
Mein Bett und mein Gewissen sind rein!"
Doch sie lief weiter hinter mir her.
Sie folgte mir bis an die Brille.
Sie kam mir aus jedem Journal in die Quer
Und säuselte: "Bettnässer-Pille."
Sie war bald rosa, bald lieblich grün.
Sie sprach in Reimen von Dichtern.
Sie fuhr in der Trambahn und kletterte kühn
Nachts auf die Dächer mit Lichtern.
Und weil sie so zähe und künstlerisch
Blieb, war ich ihr endlich zu Willen.
Es liegen auf meinem Frühstückstisch
Nun täglich zwei Bettnässer-Pillen.
Die ißt meine Frau als "Entfettungsbonbon".
Ich habe die Frau belogen.
Ein holder Frieden ist in den Salon
Meiner Seele eingezogen.
the grip
26.09.2014, 14:12
Dilemma
Das glaube mir – so sagte er –
Die Welt ist mir zuwider,
Und wenn die Grübelei nicht wär,
So schöß ich mich darnieder.
Was aber wird nach diesem Knall
Sich späterhin begeben?
Warum ist mir mein Todesfall
So eklig wie mein Leben?
Mir wäre doch, potzsapperlot,
Der ganze Spaß verdorben,
Wenn man am Ende gar nicht tot,
Nachdem daß man gestorben.
the grip
28.09.2014, 10:41
Der Seiltänzer
Fallen ist fürchterlich,
fürchterlicher aber der Zweifel.
Ein Publikum gäbe es nicht,
verlöre nicht manchmal einer sein Gleichgewicht
und stürzte in den Tode.
Nur ein Sturz macht der Menschenmenge klar,
daß kein Trick dabei war.
Doch dann liegt eine Leiche auf dem Asphalt –
und deren Wahrheitsgehalt überzeugt sie.
Sie weichen staunend zurück
und nehmen ihn mit in den Schlaf,
bevor ihn ein Wind in die Seite traf.
the grip
30.09.2014, 09:33
Bilanz
Wir hatten manchen Weg zurückgelegt,
wir beide, Hand in Hand.
Wir schufteten und schufen unentwegt
und bauten nie auf Sand.
Wir meisterten sofort, was uns erregt,
mit Herz und mit Verstand.
Wenn man sich das so richtig überlegt
dann war das allerhand.
the grip
01.10.2014, 11:19
Alterserscheinung
Nicht immer schon war ich so alt –
das machten erst die Jahre.
Die Stirne wuchs, nicht der Verstand
im Laufe meiner Haare.
Ich hatte großes Glück bei Frau‘n –
ja, mir gefiel fast jede.
Man sieht hieraus, wie alt ich bin,
weil ich gern drüber rede ...
the grip
05.10.2014, 10:28
Eifersucht
Da saß ich
Und war eifersüchtig.
Ich war eifersüchtig wie
ein zu kurz geratener Mexikaner.
Ich war krank vor Eifersucht
und größenwahnsinnig vor Selbstmitleid
und die Pulsadern warfen Schatten
an die Wand.
Ich mußte raus hier –
und kam erst am nächsten
Morgen wieder zurück.
Da saß sie:
Eifersüchtig,
krank vor Eifersucht
und bewarf mich mit
weichen Kissen.
Ich wollte ihr alles erklären, alles –
nur das eine nicht: daß ich ebenfalls
eifersüchtig gewesen war.
Und deshalb begann ich zu lügen;
Und bald stimmte die ganze Geschichte
Nicht mehr – und dann
Packte sie ihre Koffer.
In jener Nacht
war sie zärtlich und
sprach davon, daß sie mich
eines Tages umbringen wird.
Ich war auch zärtlich und sagte,
ich auch.
the grip
07.10.2014, 09:42
Dorthin geh, wo die Andern nicht sind,
Weit hinaus in die freie Einsamkeit,
Wo dir Wolken, Berge, Bäume und Wind
Großes reden von Später und Ewigkeit.
Und dort schöpfe, fasse und füll dir die Brust,
Daß – kommt einst die Stille zu dir als Braut –
Daß du die Hand ihr gibst in tiefster Lust,
Weil du schon lange mit ihr vertraut.
the grip
13.10.2014, 08:56
Autographenjägern ins Stammbuch
Wer der Kunst sich weiht, gilt oft als Missetäter,
Und die Welt empfängt ihn vielfach mit Geheul.
Autographensammler aber sind Erfolgsanbeter,
Und Erfolgsanbeter sind der Kunst ein Greul!
the grip
14.10.2014, 12:03
Der Weltlauf ists: den Würdgen sieht man hudeln,
Der Ernste wird bespöttelt und vexiert,
Der Mutge wird verfolgt von Schnurren, Pudeln,
Und ich sogar – ich werde konsiliert.
the grip
16.10.2014, 10:12
Das Nashorn
Alleine saß das Nashorn da
In einer gottverlass’nen Bar
Dort hat es jahrelang gesessen
Und konnte Gabi nicht vergessen.
the grip
18.10.2014, 10:32
Der Pups
Ob Pups, ob Wind, ob Furz,
das Wort ist immer kurz.
Die Wirkung spürt man lang.
Ganz besonders schön ist auch sein Klang.
the grip
21.10.2014, 09:33
Es wohnen die hohen Gedanken
In einem hohen Haus.
Ich klopfte, doch immer hieß es:
Die Herrschaft fuhr eben aus!
Nun klopf ich ganz bescheiden
Bei kleineren Leuten an.
Ein Stückel Brot, ein Groschen
Ernähren auch ihren Mann.
the grip
23.10.2014, 09:27
Fester Vorsatz
Denn wir wollen uns
nicht nur herzen
sondern auch munden
und hauten und haaren
und armen und brüsten und bauchen
und geschlechten
und wieder handen und fußen.
the grip
24.10.2014, 09:50
Mein Gott, ich wünschte mir, daß ich so aus Ton gemacht
wie jetzt aus Geblüt, Gebein, Gewebe, Leidenschaft und Fühlen;
Dann wär das Gestern ganz weit fort,
Und auch die Zukunft – aber ich schweife ab.
Habe mich heute ausufernd betrunken
Und sehe mich gerade von der Decke herabsteigen.
Ich sage also, die Zukunft ist ernst;
Aber nun, in Gottes Namen, Rieslingschorlen!
the grip
25.10.2014, 11:05
Trauervoller Rückblick und fröhlicher Anfang
Ihr Freunde traut und wohlgeneigt,
Ich bin schon wieder angezeigt.
Der Schreiber oder Sekretär
Nimmt einen neuen Bogen her.
Der Staatsanwalt spannt schon den Hahn
Und legt die Flinte auf mich an,
Der Richter rollt sein Augenpaar,
Es sträubt sich sein Juristenhaar;
Sie haben all auf mich gebirscht;
Die Tinte spritzt, die Feder knirscht.
Der Polizeihund fletscht den Zahn
Und knurrt mich ganz abscheulich an.
Ihr Freunde, trauert nicht so fast!
Ich sitze fröhlich auf dem Ast
Und pfeife, wie der Vogel pfeift,
Ob auch Justiz den Säbel schleift.
the grip
28.10.2014, 10:00
Genau besehen
Wenn man das zierlichste Näschen
Von seiner liebsten Braut
Durch ein Vergrößerungsglas
Näher beschaut,
Dann zeigen sich haarige Berge,
Daß einem graut.
the grip
30.10.2014, 10:08
Niemals
Wonach du sehnlichst ausgeschaut,
Es wurde dir beschieden.
Du triumphierst und jubelst laut:
Jetzt hab ich endlich Frieden.
Ach, Freundchen, rede nicht so wild.
Bezähme deine Zunge.
Ein jeder Wunsch, wenn er erfüllt,
Kriegt augenblicklich Junge.
the grip
02.11.2014, 10:54
Der Vergess
Er war voll Bildungshung, indes,
soviel er las
und Wissen aß,
er blieb zugleich ein Unverbeß,
ein Unver, sag ich, als Vergeß;
ein Sieb aus Glas,
ein Netz aus Gras,
ein Vielfraß –
doch kein Haltefraß.
the grip
04.11.2014, 18:03
Loszuwerden den alten Zopf
Ist ein vernünftiges Begehren,
Aber wer wird darum den Kopf
Gleich rattenkahl sich scheren!
the grip
07.11.2014, 09:49
Was es war
Dass sich ihr Schlaf
Mit seinem Schlaf vermischte
Dass ihre Furcht sich
Ganz in ihm verlor
Dass er sie auch
An kalten Tagen küsste
Dass sie in seinen
Armen niemals fror
Dass sich ihr Fleisch
Nicht mehr an seinem rieb:
Das war es was
Sie auseinander trieb
the grip
09.11.2014, 11:06
Deutsches Volkslied
Es braust ein Ruf wie Donnerhall,
Daß ich so traurig bin.
Und Friede, Friede überall,
Das kommt mir nicht aus dem Sinn.
Kaiser Rotbart im Kyffhäuser saß
An der Wand entlang, an der Wand.
Wer nie sein Brot mit Tränen aß,
Bist du, mein Bayerland!
Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
Ich rate dir gut, mein Sohn!
Urahne, Großmutter, Mutter und Kind
Vom Roßbachbataillon.
0 selig, o selig, ein Kind noch zu sein,
Von der Wiege bis zur Bahr'!
Mariechen saß auf einem Stein,
Sie kämmte ihr goldenes Haar.
Sie kämmt's mit goldnem Kamme,
Wie Zieten aus dem Busch.
Sonne, du klagende Flamme:
Husch! Husch!
Der liebe Gott geht durch den Wald,
Von der Etsch bis an den Belt,
Daß lustig es zum Himmel schallt:
Fahr wohl, du schöne Welt!
Der schnellste Reiter ist der Tod,
Mit Juppheidi und Juppheida.
Stolz weht die Flagge Schwarzweißrot.
Hurra, Germania!
the grip
11.11.2014, 09:26
Es ist halt schön,
Wenn wir die Freunde kommen sehn. –
Schön ist es ferner, wenn sie bleiben
Und sich mit uns die Zeit vertreiben. –
Doch wenn sie schließlich wieder gehen,
Ist’s auch recht schön. –
the grip
13.11.2014, 14:39
Also spricht der Fatalist:
Du mußt werden, wie du bist.
Widerstreben ist vergebens.
Der Gebieter allen Lebens
Gab dir schon von Anbeginn
Deinen Wunsch und Eigensinn,
Bald mit Ja und bald mit Nein
Grade so und so zu sein.
the grip
15.11.2014, 10:29
Gedanken beim Überfahrenwerden
Halt, mein Hut! Ist das das Ende?
Groß ist so ein Autobus.
Und wo hab' ich meine Hände?
Daß mir das passieren muß.
Arthur wohnt gleich in der Nähe.
Und es regnet. Hin ist hin.
Wenn mich Dorothee so sähe!
Gut, daß ich alleine bin.
Hab' ich die Theaterkarten,
als ich fortging, eingesteckt?
Pasternack wird auf mich warten.
Der Vertrag war fast perfekt.
Ist der Schreibtisch fest verschlossen?
Ohne mich macht Stern bankrott.
Gestern noch auf stolzen Rossen.
Morgen schon beim lieben Gott.
Bitte, nicht nach Hause bringen.
Dorothee erschrickt zu sehr.
Wer wird den Mephisto singen?
Na, ich hör' ihn ja nicht mehr.
Und ich hab' natürlich meinen
guten blauen Anzug an.
Anfangs wird sie furchtbar weinen.
Und dann kommt der nächste Mann.
Weitergehen! Das Gewimmel
hat doch wirklich keinen Sinn.
Hoffentlich gibt's keinen Himmel.
Denn da passe ich nicht hin.
Das Begräbnis erster Klasse,
mit Musik und echtem Sarg...
Dodo, aus der Sterbekasse
kriegst du zirka tausend Mark.
Andre würden gerne sterben.
Noch dazu bei voller Fahrt.
Nur die Möbel wirst du erben.
Hätt ich wenigstens gespart ...
the grip
18.11.2014, 10:20
Ein Taschenkrebs und ein Känguruh,
Die wollten sich ehelichen.
Das Standesamt gab es nicht zu,
Weil beide einander nicht glichen.
Da riefen sie zornig: "Verflucht und verdammt
Sei dieser Bureaukratismus!"
Und hingen sich auf vor dem Standesamt
An einem Türmechanismus.
the grip
20.11.2014, 11:09
Grenzen der Liebe
Alles kann Liebe:
zürnen und zagen,
leiden und wagen,
demütig werben,
töten, verderben,
alles kann Liebe.
Alles kann Liebe:
lachend entbehren,
weinend gewähren,
heißes Verlangen
nähren in bangen,
in einsamen Tagen –
alles kann Liebe –
nur nicht entsagen!
the grip
22.11.2014, 12:05
Hier, auf gewalkten Lumpen, soll ich
Mit einer Spule von der Gans
Hinkritzeln ernsthaft halb, halb drollig,
Versifizierten Firlefanz –
Ich, der gewohnt mich auszusprechen
Auf deinem schönen Rosenmund,
Mit Küssen, die wie Flammen brechen
Hervor aus tiefstem Herzensgrund!
O Modewut! Ist man ein Dichter,
Quält uns die eigne Frau zuletzt,
Bis man, wie andre Sangeslichter,
Ihr einen Reim ins Album setzt.
the grip
23.11.2014, 09:59
1810-1856
Eines Tages stürzte sich Robert
Schumann in den Rhein und sie
steckten ihn in eine Irren-
anstalt. Lebenslänglich.
Seine Frau Clara hielt trotzig
seine Kompositionen unter Verputz
Und verhinderte, daß sie auf-
geführt wurden.
Man könnte meinen, daß sie seine
größte Beschützerin und beste
Kritikerin war. Ich schätze
man könnte alles mögliche
meinen, aber ich bin froh
dass ich heute abend etwas
von Robert höre und nicht
von Clara.
the grip
29.11.2014, 10:50
Death Valley
Die Straße ging immer gerade aus.
Ich summte immer die gleiche Melodie.
Ich fühlte den Dreck von hundert Zigaretten
auf der Zunge. Ich fuhr einen alten Chevy.
Der Wind pfiff durch alte Zahnlücken.
Links und rechts Wüste,
das Ende der Menschheit,
eine Schöpfungsgeschichte ohne Gott,
Steine, kleine Hasen und das Schild
LAS VEGAS 78 MEILEN.
Ich freute mich schon
auf's Verlieren
the grip
30.11.2014, 09:33
Vergänglichkeit
Es prangt um uns auf allen Wiesen
In Grün und Gelb, in Blau und Rot.
Wir wollen diese Pracht genießen,
Denn übermorgen ist sie tot.
Schon kommt man, sie hinwegzuraffen,
Es naht der Schnitter, der sie mäht.
Gott hat die Blumenwelt geschaffen,
Dass sie als Heu die Kühe bläht.
Wohl ist es wert, dass man sich härme,
Wenn man das Ganze recht bedenkt,
Wie diese Schönheit durch Gedärme
Verwandelt sich nach außen lenkt.
Hier liegt die Blume hingesch...lagen,
Sie rauchet noch als warmer Mist.
Warum? .. Das wird die Allmacht wissen,
Du frage nicht als frommer Christ.
the grip
01.12.2014, 09:38
Der Dezember
Das Jahr ward alt. Hat dünne Haar.
Ist gar nicht sehr gesund.
Kennt seinen letzten Tag, das Jahr.
Kennt gar die letzte Stund.
Ist viel geschehn. Ward viel versäumt.
Ruht beides unterm Schnee.
Weiß liegt die Welt, wie hingeträumt.
Und Wehmut tut halt weh.
Noch wächst der Mond. Noch schmilzt er hin.
Nichts bleibt. Und nichts vergeht.
Ist alles Wahn. Hat alles Sinn.
Nützt nichts, daß man's versteht.
Und wieder stapft der Nikolaus
durch jeden Kindertraum.
Und wieder blüht in jedem Haus
der goldengrüne Baum.
Warst auch ein Kind. Hast selbst gefühlt,
wie hold Christbäume blühn.
Hast nun den Weihnachtsmann gespielt
und glaubst nicht mehr an ihn.
Bald trifft das Jahr der zwölfte Schlag.
Dann dröhnt das Erz und spricht:
„Das Jahr kennt seinen letzten Tag,
und du kennst deinen nicht.“
the grip
02.12.2014, 11:54
Ja Kunst! Du Kind aus hohen Sphären,
Du Trösterin im tiefsten Leid,
Oh! – Verslein laß mich stets gebären,
Mit genialer Leichtigkeit.
Und: „Murr,“ so sprechen alle Frauen,
Hochherz’ge Jünglinge, „o Murr;
Du Dichterherz, ein zart Vertrauen
Weckt in der Brust dein süß Gemurr!“
the grip
03.12.2014, 18:33
Tagtraum
Ich möchte gern ein Stolperstein
In einer Pflasterstraße sein.
Ich stell mir vor, ich läge dort
Jahrhunderte am selben Ort,
Und einer von den Kunsteunuchen
Aus Medien und Kritik
Käm beispielsweise Hacks besuchen
Und bräch sich das Genick.
the grip
04.12.2014, 12:44
Willst Du mit mir scheitern?
Ich bin ein alter Scheiterhaufen
So oft bin ich gescheitert
Will doch noch weiter scheitern laufen
Weil nur das Scheitern mich erheitert
Draußen ist die Welt am Scheitern
Eishell ist die Nacht gelichtet
Um das Leben zu erweitern
Rennet alles, rettet, flüchtet
Auch unser Scheitern ich erahne
So hell brennt das Gerenne
Ich liebe dich, Christiane
Weil ich mich von mir trenne
Heute ist die Welt am Flennen
Eifrig wird der Text verdichtet
Um den Tod nicht zu verpennen
Rennet alles, rettet, flüchtet
the grip
05.12.2014, 10:22
Der Bandwurm
Es stand sehr schlimm um des Bandwurms Befinden.
Es juckte immer etwas hinten.
Dann konstatierte der Doktor Schmidt,
Nachdem er den Leib ihm aufgeschnitten,
Dass dieser Wurm an Würmern litt,
Die wiederum an Würmern litten.
the grip
08.12.2014, 08:01
Nikolaus
Am 6.12. pinkelt dreist
Der Nikolaus dir in den Schuh
Drum schnür‘ ihn lieber feste zu
Bevor er dir zudem reinscheißt
the grip
08.12.2014, 08:01
Unbequem
Ernst und dringend folgt mir eine
Mahnung nach auf Schritt und Tritt:
Sorge nicht nur für das Deine,
Sondern für das andre mit.
Demnach soll ich unterlassen,
Was mir von Natur genehm,
Um das Gute zu erfassen?
Ei, das ist mal unbequem.
the grip
08.12.2014, 10:02
Ich sehe dich in tausend Bildern,
Maria, lieblich ausgedrückt,
Doch keins von allen kann dich schildern,
Wie meine Seele dich erblickt.
Ich weiß nur, daß der Welt Getümmel
Seitdem mir wie ein Traum verweht,
Und ein unnennbar süßer Himmel
Mir ewig im Gemüte steht.
the grip
09.12.2014, 13:01
Hände weg, du Arschloch!
Sie hat die schönsten Dinger
und wenn ich draufschaue, weiß ich,
was los ist. Ihre Gefühlsskala reicht
von nichts bis zum dicksten Skipullover.
Ich habe ihr das nie gesagt,
sie würde ihn sofort anziehn
und das bedeutet immer
„Hände weg, du Arschloch!“
the grip
10.12.2014, 10:30
Klimax
Ich war irgendwo...irgendwo in
Europa...2. Aufzug, 2. Szene,
Siegfried...
das ganze Gebäude wankte,
Feuer brach aus,
Weltuntergang,
Leiber flogen durch die Luft
wie verrückte Clowns,
das Orchester hörte auf
zu spielen...
„DIE BOMBE!“ schrie
jemand, „DIE BOMBE!!!“
die Bombe die Bombe die Bombe
die Bombe.
Ich packte eine dicke
Blondine,
riss ihr das Abendkleid
runter,
Götterdämmerung!
„Ich will nicht
sterben!“ kreischte
die Blondine. Das ganze Opern-
haus stürzte über uns
zusammen. Blut auf dem
Boden. Flammen.
Rauch. Qualm. Geschrei. Es war
entsetzlich. Ich steckte ihn
rein.
the grip
11.12.2014, 14:58
Kniebeuge
Kniee — beugt!
Wir Menschen sind Narren.
Sterbliche Eltern haben uns einst gezeugt.
Sterbliche Wesen werden uns später verscharren.
Schäbige Götter, wer seid ihr? und wo?
Warum lasset ihr uns nicht länger so
Menschlich verharren?
Was ist denn Leben?
Ein ewiges Zusichnehmen und Vonsichgeben.
Schmach euch, ihr Götter, daß ihr so schlecht uns versorgt,
Daß ihr uns Geist und Würde und schöne Gestalt nur borgt.
Eure Schöpfung ist Plunder,
Das Werk sodomitischer Nachtung.
Ich blicke mit tiefster Verachtung
Auf euch hinunter.
Und redet mir nicht länger von Gnade und Milde!
Hier sitze ich; forme Menschen nach meinem Bilde.
Wehe euch, Göttern, wenn ihr uns drüben erweckt!
Beine streckt!
the grip
12.12.2014, 12:37
Ekstase
Es waren meiner lieben Kleinen
die schwarzen Strümpfe heruntergerutscht
da hab ich von ihren dünnen Beinen
in selgem Entzücken den Schweiß gelutscht.
Sie brüllte wie eine Kuh vor Behagen,
sie hat sich in Krämpfen gewälzt und gezuckt,
als ich auch von ihrem triefenden Magen
die beißenden Dünste hinabgeschluckt.
Die Sonne erwachte uns viel zu zeitig,
wir hätten so gerne noch länger geschleckt -
da haben zum Schlusse wir gegenseitig
von oben bis unten uns abgeleckt!
the grip
15.12.2014, 02:19
Hör an, mein lieber kleiner Sohn,
Ich merke, Du verstehst mich schon
Und weißt wol, daß bei später Nacht
Dein Vater emsig Verse macht.
Nun, diese, wenn sie fertig sind,
Verwahre Du, mein liebes Kind,
Bis morgen früh der Himmel graut,
In Deinem Bettl; dann werde laut,
Und wenn Mama davon erwacht
Und freundlich Dir entgegenlacht,
So reich‘ dies Blatt, der Liebe Pfand,
Ihr hin mit Deiner kleinen Hand,
Und lächle ihr so himmlisch schön,
So sanft, – Du wirst mich wol verstehn, –
Daß sie beim ersten Morgengruß
Durch Dich Entzücken fühlen muß.
Auch darfst Du morgen ja nicht schrein,
Mußt frömmer als ein Lämmchen sein.
Warum das Alles? Fragest Du.
Du sollst’s erfahren, höre zu!
Die Mutter schlief, nach Deinem Brauch,
Vor Zeiten in der Wiege auch;
Und nun ist heut ihr Wiegenfest,
Das uns der Himmel feiern läßt;
Darüber hat wol Niemand sich
Zu freun mehr Recht als Du und ich;
Drum wollen wir zur Vorsicht flehn,
Daß wir es noch recht oft begehn.
Die reine Unschuld fleht aus Dir,
Die treuste Zärtlichkeit aus mir,
Die als das beste Opfer glüht
Zum Schöpfer, der uns beide sieht;
Und ihm ist die Erhörung leicht,
Die Beiden uns zum Glück gereicht.
Der lieben Mutter bestes Loos
Sei einst, mich grau zu sehen, Dich groß !
the grip
15.12.2014, 02:22
Wartet nur
Weil ich so ganz vorzüglich blitze,
Glaubt ihr, daß ich nicht donnern könnt!
Ihr irrt euch sehr, denn ich besitze
Gleichfalls fürs Donnern ein Talent.
Es wird sich grausenhaft bewähren,
Wenn einst erscheint der rechte Tag;
Dann sollt ihr meine Stimme hören,
Das Donnerwort, den Wetterschlag.
Gar manche Eiche wird zersplittern
An jenem Tag der wilde Sturm,
Gar mancher Palast wird erzittern
Und stürzen mancher Kirchenturm!
the grip
15.12.2014, 12:41
Anliegen
O schönes Mädchen du,
Du mit dem schwarzen Haar,
Die du an's Fenster trittst,
Auf dem Balkone stehst!
Und stehst du wohl umsonst?
O stündest du für mich
Und zögst die Klinke los,
Wie glücklich wär' ich da!
Wie schnell spräng' ich hinauf!
the grip
16.12.2014, 12:16
Es spukt
Abends, wenn die Heimchen singen,
Wenn die Lampe düster schwelt,
Hör' ich gern von Spukedingen,
Was die Tante mir erzählt.
Wie es klopfte in den Wänden,
Wie der alte Schrank geknackt,
Wie es einst mit kalten Händen
Mutter Urschel angepackt,
Wie man oft ein leises Jammern
Grad um Mitternacht gehört,
Oben in den Bodenkammern,
Scheint mir höchst bemerkenswert.
Doch erzählt sie gar das Märchen
Von dem Geiste ohne Kopf,
Dann erhebt sich jedes Härchen
Schaudervoll in meinem Schopf.
Und ich kann es nicht verneinen,
Daß es böse Geister gibt,
Denn ich habe selber einen,
Der schon manchen Streich verübt.
the grip
17.12.2014, 11:36
Über die Verführung von Engeln
Engel verführt man gar nicht oder schnell.
Verzieh ihn einfach in den Hauseingang
Steck ihm die Zunge in den Hals und lang
Ihm untern Rock, bis er sich nass macht, stell
Ihm das Gesicht zur Wand, heb ihm den Rock
Und fick ihn. Stöhnt er irgendwie beklommen
Dann halt ihn fest und lass ihn zweimal kommen
Sonst hat er dir am Ende einen Schock.
Ermahn ihn, dass er gut den Hintern schwenkt
Heiß ihn dir ruhig an die Hoden zu fassen
Sag ihm, er darf sich furchtlos fallen lassen
Dieweil er zwischen Erd und Himmel hängt –
Doch schau ihm nicht beim Ficken ins Gesicht
Und seine Flügel, Mensch, zerdrück sie nicht.
the grip
18.12.2014, 12:19
Bescheidenheit
Ein Mensch möcht erste Geige spielen –
Jedoch das ist der Wunsch von vielen,
So daß sie gar nicht jedermann,
Selbst wenn er´ könnte, spielen kann:
Auch Bratsche ist für den der´s kennt,
Ein wunderschönes Instrument.
the grip
19.12.2014, 19:41
Im Zoo
Wenn die Giraffen so putzig gucken
Und die Zwerghühner schmutzig glucken;
wenn die Affen stutzig zucken
und die Berglamas trutzig spucken;
dann – ja, was dann?
Na, dann kann man
Sich nur doof und nichtsnutzig ducken
the grip
20.12.2014, 12:13
Die Badewanne
Die Badewanne prahlte sehr.
Sie hielt sich für das Mittelmeer
Und ihre eine Seitenwand
Für Helgoländer Küstenland.
Die andre Seite – gab sie an –
Sei das Gebirge Hindustan,
Und ihre große Rundung sei
Bestimmt die Delagoabai.
Von ihrem spitzen Ende vorn,
Erklärte sie, es sei Kap Horn.
Den Kettenzug am Regulator
Hielt sie sogar für den Äquator.
Sie war – nicht wahr, das merken Sie?
Sehr schwach in der Geographie.
Das eingebildete Bassin,
Es wohnte im Quartier Latin.
the grip
21.12.2014, 23:52
Legende, nicht ganz stubenrein
Weihnachten vergangnen Jahres
(17 Uhr präszise) war es:
Daß der liebe Gott nicht, wie gewöhnlich,
den Vertreter Ruprecht runterschickte.
sondern er besuchte uns persönlich.
Und erschrak, als der die Welt erblickte.
Er beschloss dann doch, sich aufzuraffen.
Schließlich hatte er uns ja geschaffen!
Und er schritt (bewacht von Detektiven
des bewährten Argus-Institutes,
die, wo er auch hinging, mit ihm liefen)
durch die Städte und tat nichts als Gutes.
Gott war nobel, sah nicht auf die Preise,
und erschenkte, (dies nur beispielsweise)
den Ministersöhnen Dampfmaschinen
und den Kindern derer, die im Jahre
mehr als 60 000 Mark verdienen,
Autos, Kaufmannsläden, prima Ware!
Derart reichten Gottes Geld und Kasse
abwärts bis zur zwölften Steuerklasse.
Doch dann folge eine große Leere.
Und die Deutsche Bank gab zu bedenken,
daß sein Konto überzogen wäre.
Deshalb konnte er nichts weiter schenken.
Gott ist gut. Und weiß das. Und wahrscheinlich
war ihm die Geschichte äußerst peinlich.
Selbst bei Göttern reiche Geld nur selten.
Und er sprach darüber zehn Minuten,
zu drei sozialistisch eingestellten
Journalisten, die ihn interviewten.
Und die Armen müssten nichts entbehren,
wenn es nur nicht so sehr viele wären.
Die Reporter nickten auf und nieder.
Und Gott brachte sie bis ans Portal.
Und sie fragten: „Kommen Sie bald wieder?“
Doch er sprach? „Es war das letzte Mal.“
the grip
23.12.2014, 12:24
Weihnachten
Christabend.
Knirschender Schnee.
Eisige Blumen
An allen Fenstern.
Wie sitzt es sich wohlig
Im warmen Zimmer
Hinter der dampfenden
Punschterrine,
Lachende Augen um mich herum.
Fröhliche Worte
Und frohe Herzen.
Ei, Kinder, wie ist das behaglich!
Da wird einem warm,
Ruft Erinnerung wach
An die helle, freundliche Jugendzeit.
Und weißt du es noch?
Und wie ’s damals war
In dem alten, traulichen Försterhaus?
Das will ich erzählen.
In der Winternacht,
Die Berge wie riesige Zuckerhüte,
Mit Demanten bestreut,
Und alle die Tannen
Mit Reif bedeckt,
Ein Glitzern und Flimmern
Um Strauch und Baum,
Als hätten die Englein,
Den Herrn zu ehren,
Viel tausend Lichter
Rings aufgesetzt.
Und die Sterne funkeln
So mild und hell.
Drinnen im Haus
Die kleine Schar
Erwartungsfreudig, voll Ungeduld.
Da führt uns die Mutter
Zum Fenster hinan.
In banger Scheu
Blicken die glänzenden Kinderaugen
In das Glitzern und Flimmern,
In die schweigende Nacht.
Und horcht!
Ein Singen und Klingen
Geht durch die Luft,
Christkindlein kommt,
Christkindlein zieht durch den Wald,
Wie klopfen die Herzen!
Wie glühen die Wangen!
Schon ist es da,
Öffnet die Tür,
Und im hellen Schein
Strahlet wieder der Weihnachtsbaum!
Jubelnde Stimmen.
Glückliche Kinder.
Wißt Ihr es noch?
Wißt Ihr, wie ’s damals war?
Stille wird es im Kreise,
Und in jedem erwacht
Mächtig Erinnerung
An die helle,
An die sonnige Jugendzeit.
Alle schweigen. Nur eine spricht,
Nur ein älteres Fräulein spricht.
Seufzend sagt sie, wer so erzählt,
Hat doch eigentlich ein Gemüt,
Und er sollte, sobald es geht,
Sich verheiraten.
the grip
24.12.2014, 14:24
Weihnacht –
Weltkrieg der Wünsche,
Stichtag für Selbstmörder,
größte Einsamkeit.
Wer lag wo im Stroh?
Wie lange ist das her?
Ach so, so lange schon?
Na dann, kein Wunder,
daß keines geschieht.
Gute Nacht,
stille und heilige.
Ich bin vom Wünschen so müde
und müde vom Anschaun brennender
Kerzen, vom Warten auf
Schnee.
Ich könnte heulen –
und muß nur lachen.
Was soll man denn sonst
an Weihnachten machen?
the grip
25.12.2014, 11:58
„Was ist’s, das die beengte Brust
Mit Wonneschauer so durchbebt,
Den Geist zum Himmel hoch erhebt,
Ist’s Ahnung hoher Götterlust?
Ja – springe auf, du armes Herz,
Ermut’ge dich zu kühnen Taten,
Umwandelt ist in Lust und Scherz
Der trostlos bittre Todeschmerz.
Die Hoffnung lebt – ich rieche Braten!“
the grip
26.12.2014, 13:10
Tischreden
Mein Freund, bedenke diese wohl:
Das Essen und der Alkohol,
Indem wir uns daran erlaben,
Erwecken uns die Rednergaben.
Dann steht der Mensch, klopft an das Glas
Und sagt wohl dies und sonst noch was,
Doch äußerst selten etwas Gutes.
Der Kreislauf des beschwerten Blutes,
Verdauung und der Magensaft
Sind hinderlich der Geisteskraft.
Und im Gehirn entstehen Blasen,
Und alle Worte werden Phrasen,
Und alles, was man sonst verschluckt.
Das wird am nächsten Tag gedruckt.
Der Weingeist, die Begeisterung,
Und wenn man selber nüchtern ist,
Liest man erstaunt den eignen Mist.
Drum, außer in dem engsten Kreise,
O spreche nie verdauungsweise!
Bleib sitzen! Klopfe nicht ans Glas!
Und drück dich nach dem Essen was,
Lass lieber einen stillen fahren!
Das wissen nur, die um dich waren.
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