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the grip
20.03.2012, 09:14
Retour

Langsam werde ich wieder so
wie ich früher war – da
schraubte ich die Bodenplatte
des Telefons ab und stopfte
Lumpen rein, und wenn jemand
an die Tür klopfte, ging ich
nicht hin, und wenn sie
hartnäckig blieben, wurde ich
vulgär und schrie, sie sollten
abhauen.

Bloß ein alter Sonderling
mit goldenen Flügeln
einem wabbeligen weißen Bauch
und Augen, vor denen die Sonne
in Ohnmacht fällt.

the grip
22.03.2012, 09:33
Was klagst du über Feinde?
Sollten Solche je werden Freunde,
Denen das Wesen, wie du bist,
Im Stillen ein ewiger Vorwurf ist?

the grip
25.03.2012, 14:24
Jünglingsklage

Winter, so weichst du,
Lieblicher Greis,
Der die Gefühle
Ruhigt zu Eis.
Nun unter Frühlings
Üppigem Hauch
Schmelzen die Ströme –
Busen, du auch!

the grip
27.03.2012, 09:35
Neue Liebe

O Blitz, der aus dem Tiefsten springt
Und mir durch jede Faser zuckt,
Der mich mit neuer Glut durchdringt,
Die sonst mein Inn’res still verschluckt;

Ich grüße dich viel tausend Mal
Und frag‘ nicht: bringst du mir Genuß?
Denn du befrei’st mich von der Qual,
Daß ich mich selber lieben muß.

the grip
29.03.2012, 09:16
Rezept

Man mische 7 Pfund Palmin
Mit gleichviel Milch und Terpentin.
Dann füge man ein Hühnerei
Und etwas Öl nebst Essig bei.
Dies nun zu festem Brei gerührt,
Wird dann in einen Strumpf geschnürt.
Das ganz läßt man 13 Wochen
In lauem Seifenwasser kochen.
Dann wird es mit Gelee garniert
Und im verdeckten Topf serviert.
(Doch halte man zu rechter Zeit
Ein offenes Töpfchen sich bereit.)

the grip
01.04.2012, 10:25
Brautnacht

Im Schlafgemach, entfernt vom Feste,
Sitzt Amor dir getreu und bebt,
Daß nicht die List mutwill'ger Gäste
Des Brautbetts Frieden untergräbt.
Es blinkt mit mystisch heil'gem Schimmer
Vor ihm der Flammen blasses Gold;
Ein Weihrauchswirbel füllt das Zimmer,
Damit ihr recht genießen sollt.

Wie schlägt dein Herz beim Schlag der Stunde,
Der deiner Gäste Lärm verjagt;
Wie glühst du nach dem schönen Munde,
Der bald verstummt und nichts versagt!
Du eilst, um alles zu vollenden
Mit ihr ins Heiligtum hinein;
Das Feuer in des Wächters Händen
Wird wie ein Nachtlicht still und klein.

Wie bebt vor deiner Küsse Menge
Ihr Busen und ihr voll Gesicht!
Zum Zittern wird nun ihre Strenge,
Denn deine Kühnheit wird zur Pflicht.
Schnell hilft dir Amor sie entkleiden,
Und ist nicht halb so schnell als du;
Dann hält er schalkhaft und bescheiden
Sich fest die beiden Augen zu.

the grip
03.04.2012, 09:23
Psyche

In der Hand die kleine Lampe,
In der Brust die große Glut,
Schleichet Psyche zu dem Lager,
Wo der holde Schläfer ruht.

Sie errötet, sie erzittert,
Wie sie seine Schönheit sieht –
Der enthüllte Gott der Liebe,
Er erwacht und er entflieht.

Achtzehnhundertjährge Buße!
Und die Ärmste stirbt beinah!
Psyche fastet und kasteit sich,
Weil sie Amorn nackend sah.

the grip
05.04.2012, 09:12
Die Simplicissimus-Bowle

Im Hofe links steht eine Tonne,
Am Himmel oben steht die Sonne,
Und zwischen Sonne und dem Faß
Steht Kathi mit der Ananas.
Besagtes Faß enthält statt Bier
Aqua und H2SO4
Und wenn (jetzt wird die Kathi blaß)
Der Schatten von der Ananas
Dann auf die Wassertonne fällt,
Dann – – ist die Bowle hergestellt.

the grip
08.04.2012, 17:16
Der erste Ostertag

Fünf Hasen, die saßen
Beisammen dicht,
Es machte ein jeder
Ein traurig Gesicht.
Sie jammern und weinen:
Die Sonn will nicht scheinen!
Bei so vielem Regen,
Wie kann man da legen
Den Kindern das Ei?
O weih, o weih!

Da sagte der König:
So schweiget doch ein wenig!
Laßt Weinen und Sorgen,
Wir legen sie morgen!

the grip
10.04.2012, 09:12
Trotz allem

Ein Elefant im Porzellangeschäfte
nimmt sich trotz allem doch noch besser aus
als eine alte Meißner Tasse
im Elefantenhaus.

the grip
12.04.2012, 09:17
Wahrhaftig

Wenn der Frühling kommt mit dem Sonnenschein,
Dann knospen und blühen die Blümlein auf;
Wenn der Mond beginnt seinen Strahlenlauf,
Dann schwimmen die Sternlein hintendrein;
Wenn der Sänger zwei süße Äuglein sieht,
Dann quellen ihm Lieder aus tiefem Gemüt; –
Doch Lieder und Sterne und Blümelein,
Und Äuglein und Mondglanz und Sonnenschein,
Wie sehr das Zeug auch gefällt,
So machts doch noch lang keine Welt.

the grip
14.04.2012, 18:16
Die Nacht

Gern verlaß ich diese Hütte,
Meiner Schönen Aufenthalt,
Und durchstreich mit leisem Tritte
Diesen ausgestorbnen Wald.
Luna bricht die Nacht der Eichen,
Zephirs melden ihren Lauf,
Und die Birken streun mit Neigen
Ihr den süßsten Weihrauch auf.

Schauer, der das Herze fühlen,
Der die Seele schmelzen macht,
Wandelt im Gebüsch im Kühlen.
Welche schöne, süße Nacht!
Freude! Wollust! kaum zu fassen!
Und doch wollt ich, Himmel, dir
Tausend deiner Nächte lassen,
Gäb mein Mädchen Eine mir.

the grip
17.04.2012, 09:13
Der Frühling

Wie wundervoll ist die Natur!
Man sieht so viele Blüten,
auch sieht man Schafe auf der Flur
und Schäfer, die sie hüten.
Ein leises Lied erklingt im Tal:
der müde Wandrer singt es.
Ein süßer Duft ist überall,
bloß hier im Zimmer stinkt es!

the grip
19.04.2012, 13:14
Die Welt ist dumm, die Welt ist blind,
Wird täglich abgeschmackter!
Sie spricht von dir, mein schönes Kind,
Du hast keinen guten Charakter.

Die Welt ist dumm, die Welt ist blind,
Und dich wird sie immer verkennen;
Sie weiß nicht, wie süß deine Küsse sind,
Und wie sie beseligend brennen.

the grip
22.04.2012, 16:45
Romanze in C-Moll

Es war ein Sonntag hell und klar,
Ein Sonntag, wirklich wunderbar,
Der Sonntag war so einzig schön,
Ich hab' nicht leicht an schöner'n g'sehn,
Er geht ei'm wirklich durch's Gemüt,
Wenn man an solchen Sonntag sieht.
Doch dauerte es gar nicht lang,
Weil bald der Abend kam heran,
Stockfinster wurd' es um mich her
Und ich sah keinen Sonntag mehr.

the grip
24.04.2012, 09:30
Der Funke

Es war einmal ein kleiner Funke.
Das war ein großer Erzhalunke.

Er sprang vom Herd und wie zum Spaß
Gerade in ein Pulverfaß.

Das Pulverfaß, das knallte sehr;
Da kam sofort die Feuerwehr

Und spritzte dann mit Müh und Not
Das Feuer und das Fünkchen tot.

the grip
26.04.2012, 09:18
Die Grenzen des Millionärs

Er könnt aus purer Lust am Prassen
sich gold’ne Beefsteaks braten lassen!
Jedoch er sollt
eins nicht vergessen:
Beefsteaks aus Gold
kann man nicht essen.

the grip
29.04.2012, 09:32
Erfolgserlebnis

Heute plagte ich mich
bei 38 Grad Hitze
mit meinem 14 Jahre alten
Auto herum, das nicht mehr
anspringen wollte; ich
mußte den Vergaser ausbauen,
reinigen, wieder einbauen,
neu einstellen, das Gaspedal
mit einem Stück Holz fest-
klemmen und immer wieder
zwischen Anlasser und Heck-
motor hin und her rennen.

Nach 45 Minuten war es
endlich geschafft.
Ich brachte 4 Briefe zur
Post, besorgte mir unterwegs
etwas Eisgekühltes, fuhr
nach Hause, hörte mir
etwas von Ives an
und träumte, mit meinem
dicken weißen Bauch
dicht am Ventilator,
von großen Zeiten

the grip
01.05.2012, 09:20
Faulenzergedicht

Das Buch wollt’ ich lesen. Da sinkt es ins Gras.
Pech: das taugt nicht wirklich als Kissen.
Es ist mir egal, was ich eben noch las.
Ich weiß es nicht mehr und mag’s auch nicht wissen.

Jetzt gähn’ ich genüsslich im Grüngürtelgarten,
zwischen Gänseblümchen nicke ich ein.
Hier kann man so schön auf rein gar nichts warten
und für Junikäfer die Landebahn sein.

Zwischen Halmen senkt sich der Sonnenball nieder,
zwei Ameisen suchen ihr Nachtquartier.
Na gut. Dann troll’ ich mich auch mal wieder.
Bis morgen. Dann liege ich wieder hier.

pumuggel
01.05.2012, 09:39
Faulenzergedicht

Das Buch wollt’ ich lesen. Da sinkt es ins Gras.
Pech: das taugt nicht wirklich als Kissen.
Es ist mir egal, was ich eben noch las.
Ich weiß es nicht mehr und mag’s auch nicht wissen.

Jetzt gähn’ ich genüsslich im Grüngürtelgarten,
zwischen Gänseblümchen nicke ich ein.
Hier kann man so schön auf rein gar nichts warten
und für Junikäfer die Landebahn sein.

Zwischen Halmen senkt sich der Sonnenball nieder,
zwei Ameisen suchen ihr Nachtquartier.
Na gut. Dann troll’ ich mich auch mal wieder.
Bis morgen. Dann liege ich wieder hier.
:Blumen: Gefällt mir.

the grip
02.05.2012, 10:52
Hetzen,
eilen
unter Druck stehen,
... ankommen,
Ruhe finden,
für sich sein,
sich öffnen,
sich freimachen,
in die Tiefen gehen,
-abwarten.

Kommen lassen,
lassen können,
fallen lassen, sich verströmen,
sich verschwenden,
ein Stück von sich hergeben,
Raum schaffen,
leer werden,
sich ausdrücken,
dem gestaltbaren Gestalt geben,
Formen prägen
Zeichen setzen.

Erkennen was in mir steckt,
zu dem stehen was ich gemacht habe.
Abschied nehmen,
aufbrechen,
Türen öffnen,
ein Streichholz anzünden,
Fenster aufreißen,
frischen Wind spüren
-aufatmen

Verfasser unbekannt

the grip
03.05.2012, 09:51
Wer eine Freude festzuhalten sucht,
zerstört das beflügelte Leben.
Wer die Freude küsst in ihrem Flug,
lebt im Sonnenaufgang der Ewigkeit.

the grip
06.05.2012, 09:34
Mai II

Die Welt ist Mai*–*o alles lächelt Mai!
Kein Grau mehr blieb, der Himmel blaut herbei.

Verliebte ziehn erlöst an uns vorbei
und preisen unsern Blumenmond, den Mai.

Die Sonne segnet alles, daß es sei
und daß es schön sei, schöner sei im Mai.

Im Flieder duften Märchen süß und neu
und küssen die verbannten Träume frei.

Du weißer Hauch, ?aum-zartes Männertreu
vom Wind besiegt, doch jedem Mai getreu.

Und Falter du, verpielte Flatterei,
verklärtes Lerchenlied, o Blütenweih.

In mir, in euch, im wilden Vogelschrei
ist Mai, ist Schöpfung, schöpferischer Mai!

the grip
08.05.2012, 09:15
Das Samenkorn

Ein Samenkorn lag auf dem Rücken,
Die Amsel wollte es zerpicken.

Aus Mitleid hat sie es verschont
Und wurde reich dafür belohnt.

Das Korn, das auf der Erde lag,
Das wuchs und wuchs von Tag zu Tag.

Jetzt ist es schon ein hoher Baum
Und trägt ein Nest aus weichem Flaum.

Die Amsel hat das Nest erbaut;
Dort sitzt sie nun und zwitschert laut.

the grip
10.05.2012, 09:22
Die Rose, die Lilje, die Taube, die Sonne,
Die liebt ich einst alle in Liebeswonne.
Ich lieb sie nicht mehr, ich liebe alleine
Die Kleine, die Feine, die Reine, die Eine;
Sie selber, aller Liebe Bronne,
Ist Rose und Lilje und Taube und Sonne.

the grip
13.05.2012, 09:43
Mein Sträußlein
und dies Gedicht:
Ich hab dich lieb!
Mehr weiß ich nicht.

the grip
15.05.2012, 09:56
Im wunderschönen Monat Mai,
Als alle Knospen sprangen,
Da ist in meinem Herzen
Die Liebe aufgegangen.

Im wunderschönen Monat Mai,
Als alle Vögel sangen,
Da hab ich ihr gestanden
Mein Sehnen und Verlangen.

the grip
17.05.2012, 09:23
Eros

Mein Auge rutscht auf deinem glatten Bein
hinab zu deinem rotlackierten Schuh,
verfängt sich in dem Netz von deinen Strümpfen.

In meinem Herzen tobt ein Turnverein
aus lächelnden brutalen Gummischlümpfen.
Ich halte meinem Herz die Ohren zu.

the grip
20.05.2012, 14:43
Humanistisches Frühlingslied

Amsel, Drossel, Star und Fink,
singen Lieder vom Frühlink,
machen recht viel Federlesens
von der Gegenwart, dem Präsens.

Krokus, Maiglöckchen und Kressen,
haben längst den Schnee vergessen,
auch das winzigste Insekt
denkt nicht mehr ans Imperfekt.

Hase, Hering, Frosch und Lachs,
Elke, Inge, Fritz und Max ---
alles, alles freut sich nur
an dem Jetzt. Und aufs Futur.

hanselek
20.05.2012, 15:22
Tolles Gedicht!

the grip
22.05.2012, 09:19
Du schöner Fluß mit deiner Flut,
Die niemals stille hält.
Du bist ein Bild von Jugendmut,
Von einem Herzen unverstellt.

Doch wenn in dein kristall’nes Blau,
Das trübe Augen scheuen,
Die Liebste blickt, gleichst Du genau
Mir selbst, ihrem Getreuen.

Denn dies Herz birgt wie du so rein
Ihr Bild und strahlt bewegt,
Wenn es den teuren Widerschein
In seinen Tiefen hegt.

the grip
24.05.2012, 09:56
Ein Schneider eine Nadel fand,
Die stach den Schneider in die Hand.

Der Schneider sprang entsetzt zurück,
Die Nadel sprach, ich bring‘ dir Glück.

Der König hörte Schneiders Leid
Und er bestellte sich ein Kleid.
Der Schneider nähte dieses gleich;
Am andern Tage war er reich.

So hat die Nadel über Nacht
Dem armen Schneider Glück gebracht.

the grip
27.05.2012, 15:02
Versuchung

Wenn sie in silberner Schale mit Wein uns würzet die
Erdbeer'n,
Dicht mit Zucker noch erst streuet die Kinder
des Walds:
O wie schmacht' ich hinauf zu den duftigen Lippen,
wie dürstet
Nach des gebogenen Arms schimmernder Weiße
mein Mund!

the grip
29.05.2012, 09:11
Wir fuhren allein im dunkeln
Postwagen die ganze Nacht;
Wir ruhten einander am Herzen,
Wir haben gescherzt und gelacht.

Doch als es morgens tagte,
mein Kind, wie staunten wir!
Denn zwischen uns saß Amor,
Der blinde Passagier.

the grip
31.05.2012, 09:30
An M.L.S.

Von allen, die dich preisen wie den Morgen,
Die, wenn du fern bist, wähnen, es sei Nacht,
Am Himmel erloschen sei die Sonne –
Von allen, die dich unter Tränen segnen,
Daß du die Hoffnung ihnen wiedergabst,
Ja, mehr noch, ihren tief begrabnen Glauben
An Wahrheit – Tugend – Menschlichkeit;
Von allen, die vom Bette der Verzweiflung,
Wo hingestreckt sie lagen, sich erhoben
Bei deinem sanftgesproch’nen Wort: "Es werde Licht!"
Dem sanftgesproch’nen Wort, das sich erfüllte
Im engelreinen Schimmer deiner Augen;
Von allen, die dir danken, deren Dank
Anbetung gleichkommt – O gedenke,
Des Wahrsten, innigst dir Ergebenen,
Der, während er dies niederschreibt, erbebt zu denken,
Daß er mit einem Engel Zwiesprach hält.

the grip
03.06.2012, 09:32
Über die Ursachen der Geschichte

Wenn Klio, die Muse, sich schlafen legt,
umwölken sie Traumgesichte.
Und daß sie die Glieder träumend bewegt,
bewirkt Geschichte.

Doch was Klio träumt und was wirklich geschieht,
verhält sich, nach grauem Gesetz,
wie ihr zuckender Arm, wie ihr flatterndes Lied
zum Knarren ihres Betts.

the grip
05.06.2012, 09:48
Hast du die Lippen mir wund geküßt,
So küsse sie wieder heil,
Und wenn du bis Abend nicht fertig bist,
So hat es auch keine Eil.

Du hast ja noch die ganze Nacht,
Du Herzallerliebste mein!
Man kann in solch einer ganzen Nacht
Viel küssen und selig sein.

the grip
07.06.2012, 09:21
Es war ein Knopf an Fritzens Mütze,
Der machte ungezog'ne Witze.

Erst strampelte er stundenlang,
Worauf er von der Mütze sprang.

Er fiel auf einen Kieselstein,
Dort schlief er ganz ermüdet ein.

Und eine Schlange sah den Schläfer;
Sie dachte sich, es sei ein Käfer.

Und weil der Käfer ihr gefiel,
So fraß sie ihn mit Stumpf und Stiel

the grip
09.06.2012, 23:30
Die Möwen sehen alle aus,
als ob sie Emma hießen.
Sie tragen einen weißen Flaus
und sind mit Schrot zu schießen.

Ich schieße keine Möwe tot,
ich laß sie lieber leben –
und füttre sie mit Roggenbrot
und rötlichen Zibeben.

O Mensch, du wirst nie nebenbei
der Möwe Flug erreichen.
Wofern du Emma heißest, sei
zufrieden, ihr zu gleichen.

the grip
12.06.2012, 08:24
Teurer Freund! Was soll es nützen,
Stets das alte Lied zu leiern?
Willst du ewig brütend sitzen
Auf den alten Liebes-Eiern?

Ach! das ist ein ewig Gattern,
Aus den Schalen kriechen Küchlein,
Und sie piepsen und sie flattern,
Und du sperrst sie in ein Büchlein.

the grip
14.06.2012, 15:17
Ich werde nicht enden zu sagen:
Meine Gedichte sind schlecht.
Ich werde Gedanken tragen
Als Knecht.
Ich werde sie niemals meistern
Und doch nicht ruhn.
Soll mich der Wunsch begeistern:
Es besser zu tun.

the grip
17.06.2012, 16:32
Helden in Pantoffeln

Auch der tapferste Mann, den es gibt,
schaut mal unters Bett.
Auch die nobelste Frau, die man liebt,
muß mal aufs Klosett.

Wer anläßlich dieser Erklärung
behauptet, das sei Infamie,
der verwechselt Heldenverehrung
mit Mangel an Phantasie.

the grip
19.06.2012, 09:23
Du willst, daß man dich liebt, so weiche
Nie davon, was dein Wesen ist.
Bleibe nur immerdar die Gleiche,
Sei nichts, was du nicht wirklich bist.
Dann wird auch deine sanfte Weise,
Die mehr als Schönheit noch besticht,
Verleiten alle Welt zum Preise
Und Liebe werden – eine Pflicht.

the grip
21.06.2012, 09:27
Soll ich dich einem Sommertag vergleichen?
Anmutiger, gemäßigter bist du.
Des Maies Lieblinge jagt Sturmwind von den Zweigen,
Und nur zu früh gehn Sommers Pforten zu.
Bald scheint zu heiß des Himmels Auge, bald
Umdunkelt sich sein goldner Kreis; es weilet
Das Schöne nie in seiner Wohlgestalt,
Vom Zufall, vom Naturlauf übereilet.
Du aber sollst in ew’gem Sommer blühn,
Nie deiner Schönheit Eigentum veralten;
Nie soll dich Tod in seinen Schatten ziehn,
Wenn ew’ge Zeilen dich der Zeit erhalten.
Solange Menschen atmen, Augen sehn,
So lang lebt dies, und heißt dich fortbestehn.

the grip
24.06.2012, 14:51
Als sie mich umschlang mit zärtlichem Pressen,
Da ist meine Seele gen Himmel geflogen!
Ich ließ sie fliegen, und hab unterdessen
Den Nektar von ihren Lippen gesogen.

the grip
26.06.2012, 16:32
Ein Enterich hat jüngst im Freien
Der Liebe ohne Scheu gefrönt.
Natürlich waren sie zu zweien,
Und was sie taten, ist verpönt.

Er hatte das Rezept gefunden
Zu jenem alten Wonnespiel,
Wobei er oben und sie unten,
Ins Auge des Betrachters fiel.

Ha! Wie ihm alle Sinne schwinden,
Da schien es manchem offenbar,
Daß jedes ethische Empfinden,
In diesem Tier erloschen war.

Ein solches Beispiel öffentlicher
Verdorbenheit kommt selten vor.
Doch Gottes Mühlen mahlen sicher,
Hier war es ein Benzinmotor.

Das Rad zerquetscht sie in der Rinne
Und preßt den Enterich auf sie,
Es war wohl in gewissem Sinne
Auch eine Schicksalsironie.

the grip
28.06.2012, 09:20
Begegnung auf einer Parkbank

Ein bezaubernd buntes Pfauenauge
setzt sich, damit es Honig sauge,
auf Herrn Lehmanns Feiertagskrawatte,
die ein schönes Blumenmuster hatte.

Selbst Krawattenseide, schwer wie diese,
ist noch lange keine Honigwiese!
Als der Schmetterling verdutzt entschwebte,
lachte Lehmann, dass die Weste bebte.

the grip
01.07.2012, 10:26
Glück und Unglück.

Das Glück ist arm an Phantasie.
Sein Repertoire ist ziemlich klein;
Das Unglück aber – ein Genie!
Ihm fällt stets etwas Neues ein.

the grip
03.07.2012, 13:41
Ende des Tages

Unter blassem lichte schwärmend
Tanzt und stürzet ohne grund
Sich das leben schamlos lärmend ..
Doch sobald am himmelsrund
Wonnevoll die nacht sich breitet
Alles – auch der hunger – ruht •
Alles – auch die schmach – vergleitet;
Sagt der dichter: nun ists gut!

Gierig flehen meine glieder
Wie mein geist die ruhe nieder
Von unseligem traum zerwühlt ..

Will mich auf den rücken strecken
Eingehüllt in eure decken –
Finsternisse die ihr kühlt!

the grip
05.07.2012, 09:25
Sexuelle Aufklärung

Der alte Storch wird nun begraben.
Ihr Kinder lernt im Unterricht,
Warum wir dies und jenes haben,
Und es verbreitet sich das Licht.

Zu meiner Zeit, du große Güte!
Da herrschte tiefe Geistesnacht.
Man ahnte manches im Gemüte
Und hat sich selber was gedacht.

Mich lehrte dieses kein Professer;
Nur eine gute, dicke Magd
Nahm meine Unschuld unters Messer
Und machte auf dieselbe Jagd.
Ihr Unterricht war nicht ästhetisch,
Im Gegenteil, sehr weit entfernt.
Und doch, wenn auch nicht theoretisch,
Ich hab' es ziemlich gut gelernt.

the grip
07.07.2012, 19:32
Die Schildkrötensuppe

Schildkröten rennen rum wie wild.
Als ob sie Lutzkroth hießen.
Sie tragen einen grünen Schild
Und sehen aus zum Schießen.

Wir schießen keine Kröten tot,
Wir lassen sie hoch leben
Und füttern sie mit Dinkelschrot
und saftigen Zibeben.

Pasteten her, Pasteten hin,
Was kümmern uns Pasteten?
Da ist kein Lachs, kein Hummer drin
Auch nicht Paté von Kröten.

Wir preisen statt Paté Pataten
zum Kochen wie zum Braten.
Schön köstlich die Kartoffeln sind
Und weiß wie Alabaster!
Kartoffelsuppe kocht geschwind
Und ist für König, Königin und Kind
Ein wahres Magenpflaster.

Jaja, wir wollen Kartoffelsuppe,
köstliche Kartoffelsuppe!
Schildkröten-, Kaviar- & Hummersuppe
die sind uns schnuppe, schnuppe, schnuppe!

the grip
10.07.2012, 16:18
Wir Toren

Warum nur immer Haß und Streit?
Wir könnten es so schöner haben,
Benützten wir Talent und Gaben
Zu mäßig milder Heiterkeit.

Man wäre Gast im besten Haus:
Und kitzelte mit Politessen
Den Reichen, der sich voll gefressen
Und Witze liebt nach gutem Schmaus.

Er könnt‘ mit uns zufrieden sein
Und stocherte in seinen Zähnen,
Und rülpst‘ und unterdrückt‘ ein Gähnen
Und schliefe dann behaglich ein.

Man paßte in das Staatssystem,
Wenn uns das Rindvieh loben dürfte
Und unsern Spaß mit Wonne schlürfte,
Man wäre deutsch und angenehm.

the grip
12.07.2012, 09:24
O Papagei, o Papagei!
Wie grün sind deine Federn!
Du grünst nicht nur zur Tageszeit,
Auch wenn es Tass- und Töpfe schneit.
O Papagei, o Papagei –

the grip
15.07.2012, 13:54
Laue, stille Sommernacht,
Rings ein feierliches Schweigen,
Und am mondbeglänzten See
Tanzen Elfen ihren Reigen.

Unnennbares Sehnen schwillt
Mir das Herz. In jungen Jahren
Hab ich nie der Liebe Lust,
Nie der Liebe Glück erfahren.

Schmeichelnd spielt die linde Luft
Um die Stirne, um die Wangen.
Und es faßt mit Allgewalt
Mich ein selig-süßes Bangen.

Blaue Augen, blondes Harr
Soll ich bald mein eigen nennen?
Und der Ehe Hochgefühl
Soll ich aus Erfahrung kennen?

In der lauen Sommernacht
Wird sie dann im Bette sitzen,
"Männchen", frägt sie, "sag mir doch,
Mußt du auch so gräßlich schwitzen?"

the grip
17.07.2012, 16:17
Himmlisch wars, wenn ich bezwang
Meine sündige Begier,
Aber wenns mir nicht gelang,
Hatt ich doch ein groß Pläsier.

TriVet
17.07.2012, 21:36
Himmlisch wars, wenn ich bezwang
Meine sündige Begier,
Aber wenns mir nicht gelang,
Hatt ich doch ein groß Pläsier.

:Blumen: :Blumen:

the grip
19.07.2012, 09:16
Juli 1909

Die Schöpfung Gottes ist dieses Jahr
Ein niederträchtiges Pissoar.
Schnecken und Frösch' und Wasserwürm'
Brauchen sogar einen Regenschirm.
In der verschleimten Sommerflur
Rotzt die gesamte Kreatur,
Und das weise Weltsystem
Ist aus Dreck und aus feuchtem Lehm.
Auch im Himmel schweigt Gottes Lob.
Dieses Wetter ist viel zu grob,
Georg, Michel und Gabriel
Möchten miteinander in d'Höll,
Denn sie meinen, es wär' wohl gut
In der ewigen Flammenglut.
Oben frieren die Zehen starr,
Petrus hat einen Blasenkatarrh,
Und dem Erzvater Abraham
Wachst am Hintern ein Fliegenschwamm.

Goldie
19.07.2012, 10:52
Juli 1909

Die Schöpfung Gottes ist dieses Jahr
Ein niederträchtiges Pissoar.

:Lachanfall:

the grip
22.07.2012, 10:27
Sonntagnachmittag: Wieder in Schwabing

Dösende Taxifahrer, fette Tauben
am Elisabethplatz, kein Wermutbruder
in Sicht, auch die Krawall-Hildas
schlafen noch: sowas nenn ich mir
eine Ordnung.

Im ZumZum eß ich Tiroler Speckknödel
mit Salat, trink zwei Weißbier.
Ein grauhaariger Herr nimmt am Nebentisch Platz,
sagt zum Kellner »Das gleiche, wie immer«
und bekommt: einen Kaffee,
ein Eisbein, einen Underberg.
Sorgfältig raucht er eine Juno,
zahlt, geht. Kein Wort zuviel.
Die Musikbox spielt ‚Wenn ich denk daß ich denk‘.

In der Welt am Sonntag lese ich,
daß die Erde bald untergeht,
sogar die sowjetische, aber wir zuerst,
weil wir ihnen die Regenschirme liefern
und dann ohne dieselben
im Regen stehen.
Ich denke, das ist eine nützliche
Information, und zahle meinerseits.

Wieviel Sonne sich da plötzlich putzt!
Ich trink noch eine Halbe in der Isabella-Klause.
Zu den Schafskopfspielern bleibt man besser
höflich, das fällt mir nicht schwer.
Es gibt Sonntage, wo einem nichts schwer fällt,
nicht mal die Welt.

Zu Hause im Keller
schenk ich mir einen Schnaps ein
und treffe eine Verabredung für den Abend.
Auf die Frau freu ich mich.
Schleicht sich da eine Unruhe ein?
Ach was, das liegt am Speck.
Fette Tauben, fette Dichter:
und draußen die schlanken Streifenwagen
der Polizei.

the grip
24.07.2012, 15:36
Ein Pflasterstein, der war einmal
Und wurde viel beschritten.
Er schrie: "Ich bin ein Mineral
Und muss mir ein für allemal
Dergleichen streng verbitten!"

the grip
26.07.2012, 11:52
Der Kopf ist leer, das Herz ist voll;
Ich weiß nicht, was ich schreiben soll.
Ich bitte die lieben deutschen Götter
Für dich um gutes Reisewetter.

the grip
30.07.2012, 07:39
Sie machen die Luft dir dumpf und schwer,
Die kreischenden Zwerge?
Lach ihnen Abschied! Fahr über das Meer!
Steig über die Berge!

Doch ehe du gehst, nimm einen am Ohr
Und schüttel ihn leise.
Verloren ist, wer den Humor verlor.
Glück auf die Reise!

the grip
31.07.2012, 09:23
Es sitzt ein Vogel auf dem Leim,
Er flattert sehr und kann nicht heim.
Ein schwarzer Kater schleicht herzu,
Die Krallen scharf, die Augen gluh.
Am Baum hinauf und immer höher
Kommt er dem armen Vogel näher.

Der Vogel denkt: Weil das so ist
Und weil mich doch der Kater frißt,
So will ich keine Zeit verlieren,
Will n och ein wenig quinquilieren
Und lustig pfeifen wie zuvor.
Der Vogel, scheint mir, hat Humor.

the grip
02.08.2012, 21:13
Sommer-Idylle

Berge und Thäler sind jetzt voll von Menschen,
Welche sich Urlaub genommen haben
Und an der reinen Luft der Kurorte
Sowohl sich als ihre Angehörigen laben.

Viele hört man mit Neugierde fragen,
Ob hier noch echte Wilderer wachsen,
Welche die wirklichen Gemsen töten.
Meistens sind diese Leute aus Sachsen.

Manche baden in dem klaren Gewässer,
Wobei erwachsene Töchter nicht geizen
Mit ihren Formen, von denen man füglich
Glaubt, daß sie den Junggesellen anreizen.

Ihre Mütter stricken indes im Garten,
Wo sie Kaffee mit Honig genießen
Und sich über die Dienstboten äußern,
Welche sie in der Stadt darin ließen.

Abgesondert sitzen die Ehemänner,
Welche sich gründlich dadurch erfrischen,
Daß sie nichts von den Frauen hören,
Sondern beim Skat ihre Karten mischen.

Auf den Ruhebänken am Seeufer
Sitzen zwei Richter, welche verdauen
Und anderen Leuten durch Fachsimpeln
Ihren Sommeraufenthalt versauen.

the grip
04.08.2012, 19:44
Gehorchen wird jeder mit Genuß
Den Frauen, den hochgeschätzten,
Hingegen machen uns meist Verdruß
Die sonstigen Vorgesetzten.

Nur wenn ein kleines Mißgeschick
Betrifft den Treiber und Leiter,
Dann fühlt man für den Augenblick
Sich sehr befriedigt und heiter.

Als neulich am Sonntag der Herr Pastor
Eine peinliche Pause machte,
Weil er den Faden der Rede verlor,
Da duckt sich der Küster und lachte.

the grip
07.08.2012, 08:37
Warnung

Die Welt will euch so schön bedünken
Weil euch die junge Freiheit lacht;
Ihr wollt in ihrem Schoß versinken.
So hab‘ ich auch einmal gedacht.

Den Weg, den ihr im Jugendprangen
Mit freudevollem Herzen zieht;
Auch ich bin ihn einmal gegangen,
Obschon ich besser ihn vermied.

Die Blumen, die am Rande blühten,
Ich hab‘ nach ihnen mich gebückt,
Und – davor möcht‘ ich euch behüten –
Ich habe manche mir gepflückt.

Ich könnt‘ euch gute Warnung geben,
Jedoch ich weiß, ihr hört mich nicht,
Man kennt die Rosen, wie das Leben,
Nur, wenn man ich an ihnen sticht.

the grip
09.08.2012, 09:46
Reklame

Ich wollte von gar nichts wissen.
Da habe ich eine Reklame erblickt.
Die hat mich in die Augen gezwickt
Und ins Gedächtnis gebissen.

Sie predigte mir von früh bis spät
Laut öffentlich wie im stillen
Von der vorzüglichen Qualität
Gewisser Bettnässer-Pillen.

Ich sagte: "Mag sein! Doch für mich nicht! Nein, nein!
Mein Bett und mein Gewissen sind rein!"

Doch sie lief weiter hinter mir her.
Sie folgte mir bis an die Brille.
Sie kam mir aus jedem Journal in die Quer
Und säuselte: "Bettnässer-Pille."

Sie war bald rosa, bald lieblich grün.
Sie sprach in Reimen von Dichtern.
Sie fuhr in der Trambahn und kletterte kühn
Nachts auf die Dächer mit Lichtern.

Und weil sie so zähe und künstlerisch
Blieb, war ich ihr endlich zu Willen.
Es liegen auf meinem Frühstückstisch
Nun täglich zwei Bettnässer-Pillen.

Die ißt meine Frau als "Entfettungsbonbon".
Ich habe die Frau belogen.
Ein holder Frieden ist in den Salon
Meiner Seele eingezogen.

the grip
12.08.2012, 14:00
Dilemma

Das glaube mir – so sagte er –
Die Welt ist mir zuwider,
Und wenn die Grübelei nicht wär,
So schöß ich mich darnieder.

Was aber wird nach diesem Knall
Sich späterhin begeben?
Warum ist mir mein Todesfall
So eklig wie mein Leben?

Mir wäre doch, potzsapperlot,
Der ganze Spaß verdorben,
Wenn man am Ende gar nicht tot,
Nachdem daß man gestorben.

the grip
14.08.2012, 09:40
Bilanz

Wir hatten manchen Weg zurückgelegt,
wir beide, Hand in Hand.
Wir schufteten und schufen unentwegt
und bauten nie auf Sand.
Wir meisterten sofort, was uns erregt,
mit Herz und mit Verstand.
Wenn man sich das so richtig überlegt
dann war das allerhand.

the grip
16.08.2012, 11:00
Preise mit viel schönen Kniffen seiner
Scheren Wert und Zahl,
Stand der Hummer vor dem Spiegel
in dem schönen roten Schal!
"Herrlich", sprach der Fürst der Krebse,
"steht mir dieser lange Bart!"
Rückt die Füße mit der Nase auswärts,
als er dieses sagt.

the grip
20.08.2012, 07:42
Urlaubshitze

Überall hört man von Hitze,
Manchen trifft sogar der Schlag,
Naß wird man am Hosensitze
Schon am frühen Vormittag.

Damen, denen man begegnet,
Leiden sehr am Ambopoäng:
"Gott! Wenn es nur endlich regnet’!"
Ist der ewige Refräng.

Oberlehrer und Pastoren
Baden sich in diesem Jahr,
Ihre Scham geht auch verloren,
Und man nimmt sie nackicht wahr.

Busen, Hintern, Waden, Bäuche
Zeigt man heuer lächelnd her,
Und wir kriegen schon Gebräuche
Wie die Neger ungefähr.

Wenn das Barometer sänke,
Käme eine bess’re Zeit
In bezug auf die Gestänke
Und in puncto Sittlichkeit.

Goldie
20.08.2012, 08:55
Ich werde mir mal Ludwig Thoma vornehmen müssen :Lachanfall:

the grip
21.08.2012, 12:19
Gerne wollt ihr Gutes gönnen
Unserm Goethe, unserm Schiller,
Nur nicht Meier oder Müller,
Die noch selber lieben können.

Denn durch eure Männerleiber
Geht ein Konkurrenzgetriebe;
Sei es Ehre, sei es Liebe;
Doch dahinter stecken Weiber.

the grip
23.08.2012, 11:27
Freundschaft, Liebe, Stein der Weisen,
Diese dreie hört ich preisen,
Und ich pries und suchte sie,
Aber ach! ich fand sie nie.

the grip
26.08.2012, 19:15
Immer nur so durchjeschloffen,
Nischt jelernt und viel jesoffen,
Roch ich sehr nach Biere.
Endlich bin ich durchjeschwommen,
bin im Staatsdienst anjekommen
Mit ‘ner sauren Niere,
Hopsasa, tralala!
Mit ‘ner sauren Niere.

Doch da peu à peu die Kröten,
Die ich hatte, jingen flöten,
Weil ich’s trieb zu tolle,
Hab ich mich nich lang besonnen,
Hab mich feste injesponnen,
Nahm mir eene Olle,
Hopsasa, tralala!
Nahm mir eene Olle.

So ‘ne olle, fette, dicke,
So ‘ne rechte plumpe Zicke
Aus dem Bürgerstande.
‘s is nicht schön, mit ihr zu leben,
Darum hab‘ ich mich jejeben,
Janz dem Vaterlande,
Hopsasa, tralala!
Janz dem Vaterlande.

the grip
29.08.2012, 08:52
Cupido ward die Fackel hin, und schlief;
Ein Mädchen der Diana stahl den Fang,
Und taucht der Liebe Feuerzunder tief
In einen kalten Quell, der dort entsprang.
Alsbald durchdrang vom heil’gen Brand die Wellen
Für alle Zeit lebendig rege Glut,
Und ward ein siedend Bad, in schlimmen Fällen
Der Menschen letzte Hülf’ und höchstes Gut.
Doch – die an Liebchens Blick frisch angefachte Kerze
Hielt mir aufs Herz der Knabe zum Versuch;
Daß ich, erkrankend von dem heißen Schmerze,
Ein trüber Gast, mich nach dem Bade trug.
Doch half mir’s nicht: Die Bäder, die mir taugen,
sind Amors Feuerquellen, Liebchens Augen.

the grip
30.08.2012, 12:01
Dorthin geh, wo die Andern nicht sind,
Weit hinaus in die freie Einsamkeit,
Wo dir Wolken, Berge, Bäume und Wind
Großes reden von Später und Ewigkeit.

Und dort schöpfe, fasse und füll dir die Brust,
Daß – kommt einst die Stille zu dir als Braut –
Daß du die Hand ihr gibst in tiefster Lust,
Weil du schon lange mit ihr vertraut.

the grip
02.09.2012, 21:30
Liebesgedicht

Das Gefühl
daß ganz viel
auf dem Spiel steht

Es verliert
sich zum Glück
mit dem Spielen.

the grip
04.09.2012, 09:13
Der Weltlauf ists: den Würdgen sieht man hudeln,
Der Ernste wird bespöttelt und vexiert,
Der Mutge wird verfolgt von Schnurren, Pudeln,
Und ich sogar – ich werde konsiliert.

Triathletin
05.09.2012, 09:25
Also ich habe auch mal einen gefunden:

hört der Körper auf

nach dem harten Lauf

seine Kraft zu zeigen

willst du dann noch mehr

übertreibe nicht zu sehr

mache lieber dir zu eigen

reinzuhören, klug und tief

was der Körper dir zurief



wenn er zwickt, gib acht

der Verletzung zu entrinnen

schone ihn und sei bedacht

um bald wieder zu beginnen

kleine Pause nimmt in Kauf

wer fit sein will

beim nächsten Lauf

höre rein – genieße still

the grip
07.09.2012, 07:43
Das Nashorn

Alleine saß das Nashorn da
In einer gottverlass’nen Bar
Dort hat es jahrelang gesessen
Und konnte Gabi nicht vergessen.

the grip
09.09.2012, 12:35
Es wohnen die hohen Gedanken
In einem hohen Haus.
Ich klopfte, doch immer hieß es:
Die Herrschaft fuhr eben aus!

Nun klopf ich ganz bescheiden
Bei kleineren Leuten an.
Ein Stückel Brot, ein Groschen
Ernähren auch ihren Mann.

the grip
11.09.2012, 09:16
Fester Vorsatz

Denn wir wollen uns
nicht nur herzen
sondern auch munden
und hauten und haaren
und armen und brüsten und bauchen
und geschlechten
und wieder handen und fußen.

the grip
13.09.2012, 18:41
Mein Gott, ich wünschte mir, daß ich so aus Ton gemacht
wie jetzt aus Geblüt, Gebein, Gewebe, Leidenschaft und Fühlen;
Dann wär das Gestern ganz weit fort,
Und auch die Zukunft – aber ich schweife ab.
Habe mich heute ausufernd betrunken
Und sehe mich gerade von der Decke herabsteigen.
Ich sage also, die Zukunft ist ernst;
Aber nun, in Gottes Namen, Rieslingschorlen!

the grip
15.09.2012, 18:26
Trauervoller Rückblick und fröhlicher Anfang
Ihr Freunde traut und wohlgeneigt,
Ich bin schon wieder angezeigt.
Der Schreiber oder Sekretär
Nimmt einen neuen Bogen her.
Der Staatsanwalt spannt schon den Hahn
Und legt die Flinte auf mich an,
Der Richter rollt sein Augenpaar,
Es sträubt sich sein Juristenhaar;
Sie haben all auf mich gebirscht;
Die Tinte spritzt, die Feder knirscht.
Der Polizeihund fletscht den Zahn
Und knurrt mich ganz abscheulich an.
Ihr Freunde, trauert nicht so fast!
Ich sitze fröhlich auf dem Ast
Und pfeife, wie der Vogel pfeift,
Ob auch Justiz den Säbel schleift.

the grip
18.09.2012, 11:51
Genau besehen

Wenn man das zierlichste Näschen
Von seiner liebsten Braut
Durch ein Vergrößerungsglas
Näher beschaut,
Dann zeigen sich haarige Berge,
Daß einem graut.

the grip
20.09.2012, 08:20
Niemals

Wonach du sehnlichst ausgeschaut,
Es wurde dir beschieden.
Du triumphierst und jubelst laut:
Jetzt hab ich endlich Frieden.

Ach, Freundchen, rede nicht so wild.
Bezähme deine Zunge.
Ein jeder Wunsch, wenn er erfüllt,
Kriegt augenblicklich Junge.

pioto
20.09.2012, 08:40
Fester Vorsatz

Denn wir wollen uns
nicht nur herzen
sondern auch munden
und hauten und haaren
und armen und brüsten und bauchen
und geschlechten
und wieder handen und fußen.

http://www.triathlon-szene.de/forum/showpost.php?p=171352&postcount=150

Was ist los, gehen dir die Texte aus :Lachen2:

Ich erlaube mir, ein anderes Gedicht von Fried als Ersatz zu posten:

WAS ES IST

Es ist Unsinn, sagt die Vernunft.
Es ist, was es ist, sagt die Liebe.
Es ist Unglück, sagt die Berechnung.
Es ist nichts als Schmerz, sagt die Angst.
Es ist aussichtslos, sagt die Einsicht.
Es ist, was es ist, sagt die Liebe.
Es ist lächerlich, sagt der Stolz.
Es ist leichtsinnig, sagt die Vorsicht.
Es ist unmöglich, sagt die Erfahrung.
Es ist, was es ist, sagt die Liebe.

Fried hat einige super Gedichte zu bieten. Mir zumindest gefallen sie.

the grip
23.09.2012, 10:33
Die Abenteuer des Gymnasiallehrers
(Teil 1 von 5)

In Freising lebte ein Professor,
Der nicht aus Zufall Josef hieß;
Nein, er verdient den Namen besser
Durch alles, was er unterließ.

Ein Philolog' und deutscher Gatte,
Kannt' er die Liebe nur als Pflicht,
Die Zweck zur Volksvermehrung hatte,
Doch keine andern Reize nicht.

Nun hörte er von den Kollegen,
Wie man in München sich ergötzt,
Er war schon im Prinzip dagegen,
Und war im Vorhinein verletzt.

Er suchte gleich in diesen Bildern
Den eigentlichen Wesenskern,
Um sie mit Abscheu dann zu schildern;
Denn alles andre lag ihm fern.

Doch als er sich damit befaßte,
Beschloß er auch, dorthin zu gehn,
Um dieses Treiben, das er haßte,
Sich einmal gründlich anzusehn.

Und so kam Josef an die Stätte,
Wo Bacch- und Venus sich vereint,
Wo unsre Scham – wenn man sie hätte –
Am Grabe unsrer Unschuld weint.

An hundert hochgewölbte Büsten
Umtanzen uns und drängen her,
Und will man hier sich recht entrüsten,
So sieht man dort schon wieder mehr.

Die Sittlichkeit ist hier nur Fabel,
Und jeder merkt, hier weilt sie nie.
Das Auge schweift bis an den Nabel,
Und weiter schweift die Phantasie.

the grip
25.09.2012, 08:19
Herbsttag

Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren laß die Winde los.

Be?ehl den letzten Früchten voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

the grip
27.09.2012, 09:19
Die Abenteuer des Gymnasiallehrers
(Teil 2 von 5)

Ein Rausch kommt über Josefs Sinne,
Und ihn ergreift ein Schönheitsdurst.
Mit einmal sind ihm deutsche Minne
Und deutsche Treue ziemlich wurst.

Er stürzt sich in die Freudenwoge
Und fragt ein Mädchen: "Wisst auch du?"
Sie sagt: "Sie sind wohl Philologe?
Mann kennt's am abgelatschten Schuh;

In ihrem Barte hängen Reste
Von Linsen und von Sauerkohl!
Ich danke Ihnen auf das beste,
In mir – da täuschen Sie sich wohl?"

Mein Josef konnte es nicht fassen,
Was seiner Tugend widerfuhr;
Er wollte sie herunterlassen –
Und dem Geschöpf mißfiel es nur!

Schon fühlt' er Ekel vor dem Treiben
Und fühlt' sich von Moral umweht;
Man kann ja niemals reiner bleiben,
Als wenn ein Mädchen uns verschmäht.

Indessen war im Schicksalsfügen
Für Josef Härtres aufgespart.
Er stürzte nochmals ins Vergnügen
Und kämmte vorher seinen Bart.

Das zweite Mädchen – angesprochen –
Hatt', etwas minder preziös,
Mit manchem Vorurteil gebrochen
Und sagte bloß: "Ach, Sie sind bös!"

Sie hatte einen, der bezahlte,
Er hatte einen Domino,
Mit dessen Gunst er sichtlich prahlte,
Und beide waren herzlich froh!

the grip
30.09.2012, 09:52
Die Abenteuer des Gymnasiallehrers
(Teil 3 von 5)

Wie ein Moralprinzip verschwindet
Selbst aus dem stärksten Intellekt,
Wenn man ein hübsches Mädchen findet
Und eine Flasche Sekt!

Auch Josef mußte dies erfahren,
Und an sich selbst sah er die Spur
Der ewig gleich unwandelbaren,
Das All beherrschenden Natur.

Schon wollt‘ er sich im Walzer drehen
Und sucht‘ im Tanze den Genuß;
Doch mußte er sich eingestehen,
Daß man auch dieses lernen muß.

Er mühte schwitzend sich im Kreis,
Er drehte sich nach rechts und links,
Versucht’s auf die uns andre Weise
Und fand’s unmöglich schlechterdings.

Er wußte zwar von den Hellenen,
Wie man im Auftakt sich bewegt,
Doch lernt‘ er leider nicht bei jenen,
Wie man das Schwergewicht verlegt.

Mit stattlichem Gelehrtenschuhe
Trat er dem Mädchen auf die Zeh‘;
Sie bat ihn flehentlich um Ruhe,
Denn auf die Dauer tut es weh.

the grip
02.10.2012, 09:22
Eines Tags geschah es Kant,
daß er keine Worte fand.

Stundenlang hielt er den Mund,
und er schwieg – nicht ohne Grund.

Ihm fiel absolut nichts ein,
drum ließ er das Sprechen sein.

Erst als man zum Essen rief,
wurd‘ er wieder kreativ,

und er sprach die schönen Worte:
"Gibt es hinterher noch Torte?"

the grip
04.10.2012, 15:17
Die Abenteuer des Gymnasiallehrers
(Teil 4 von 5)

So blieb ihm nichts mehr als zu trinken;
Er war Germane und er trank
Und durft‘ in Seligkeit versinken
Mit seinem Mädchen, und versank.

Er dacht' an Bacchus und Tribaden,
Wie so der Wirbel um ihn schwoll;
Schon fühlte er die zarten Waden,
Und wurde glücklich, – wurde voll.

Es jauchzt um ihn mit gellen Tönen,
Ein jeder Busen atmet wild,
Die Haare lösen sich der Schönen,
Und immer wilder wird das Bild.

So hat es Juvenal beschrieben!
So hat es Martial geschaut!
Ein Prosit allen, die sich lieben!
Und Evoë für jede Braut!

Was ist die Moral! Nur eine Blase,
Steigt kränklich im Gehirne auf.
Die Sünde kommt uns in die Nase
Und nimmt von selber ihren Lauf.

Et cetera! So ging es weiter.
Was hilft die Philologenzunft?
Auch Professoren werden heiter
Und werden wild in ihrer Brunft.

Nach so viel Sekt und Süßigkeiten
Schmeckt uns die Weißwurst und das Bier.
Der Abschluß ist das Heimbegleiten
Für jedes Paar. Warum nicht hier?

the grip
07.10.2012, 10:23
Die Abenteuer des Gymnasiallehrers
(Teil 5 von 5)

Auch Josef saß in einem Wagen
Und fühlte, wie an ihn sich preßt,
Was hier nicht unbefangen sagen,
Doch sich sehr einfach denken läßt.

Er fühlte seine Pulse hämmern,
Doch wußt' er nicht, was sonst geschah;
Denn seinen Sinn umfing ein Dämmern,
Daß er nichts mehr Genaues sah.

Er stolpert hastig über Stiegen
Und fällt auch irgendwo ins Bett,
Und muß sehr lang darinnen liegen –
Das übrige war wundernett.

Er hat die Zeit bis Abends sieben
Bei diesem Mädchen zugebracht,
Und fuhr alsdann zu seinen Lieben
Nach Freising etwa halb um acht.

Als er daheim nun angelangte,
War er von solcher Müdigkeit,
Daß seine Frau um ihn sich bangte;
Sie macht' das Bett für ihn bereit.

Und Josef hat sich ausgezogen
Und sprach, daß er erkältet sei,
Und hat noch dies und das gelogen,
Denn eine Frau frägt vielerlei.

Daß Lügen kurze Beine tragen,
Das zeigte sich hier wunderbar;
Denn Josef ward so ganz geschlagen,
Daß hier für ihn kein Ausweg war.

Er trug – da gibt es kein Entrinnen
Und kein Erklären so und so –
Er trug aus duftig weißem Linnen
-- Das Höschen seines Domino --!

the grip
09.10.2012, 14:42
Es ist halt schön,
Wenn wir die Freunde kommen sehn. –
Schön ist es ferner, wenn sie bleiben
Und sich mit uns die Zeit vertreiben. –
Doch wenn sie schließlich wieder gehen,
Ist’s auch recht schön. –

the grip
11.10.2012, 09:33
Die schönste Sache der Welt

Die Liebe ist doch allemal
viel schöner als ein Schlaganfall.

Die Liebe ist auch ganz gewiß
viel schöner als ein Kreuzbandriß.

Soweit ist alles ganz einfach. Aber jetzt:

Was von diesen zwei ist schöner:
Die Liebe oder Chicken Döner?

Hier gilt es abzuwägen.

Die Liebe, das ist nicht nur Ficken,
sie bringt oft unser Herz in Not.

Der Döner, das ist nicht nur Chicken,
er bringt uns auch Salat und Brot.

So, damit wäre das ja wohl geklärt.
Sonst noch Fragen?

the grip
14.10.2012, 14:35
Kleine Sonntagspredigt

Jeden Sonntag hat man Kummer
und beträchtlichen Verdruß,
weil man an die Montagsnummer
seiner Zeitung denken muß.

Denn am Sonntag sind bestimmt
zwanzig Morde losgewesen!
Wer sich Zeit zum Lesen nimmt,
muß das montags alles lesen.

Eifersucht und Niedertracht
schweigen fast die ganze Woche.
Aber Sonntag früh bis nacht
machen sie direkt Epoche.

Sonst hat niemand Zeit dazu,
sich mit sowas zu befassen.
Aber sonntags hat man Ruh,
und man kann sich gehen lassen.

Endlich hat man einmal Zeit,
geht spazieren, steht herum,
sucht mit seiner Gattin Streit
und bringt sie und alle um.

Gibt es wirklich nichts Gescheitres,
als sich, gleich gemeinen Mördern,
mit den Seinen ohne weitres
in das Garnichts zu befördern?

Ach, die meisten Menschen sind
nicht geeignet, nichts zu machen!
Langeweile macht sie blind.
Dann passieren solche Sachen.

Lebten sie im Paradiese,
ohne Pflicht und Ziel und Not,
wär’ die erste Folge diese:
Alle schlügen alle tot.

the grip
16.10.2012, 08:47
Also spricht der Fatalist:
Du mußt werden, wie du bist.
Widerstreben ist vergebens.
Der Gebieter allen Lebens
Gab dir schon von Anbeginn
Deinen Wunsch und Eigensinn,
Bald mit Ja und bald mit Nein
Grade so und so zu sein.

the grip
18.10.2012, 13:38
Ein Taschenkrebs und ein Känguruh,
Die wollten sich ehelichen.
Das Standesamt gab es nicht zu,
Weil beide einander nicht glichen.

Da riefen sie zornig: "Verflucht und verdammt
Sei dieser Bureaukratismus!"
Und hingen sich auf vor dem Standesamt
An einem Türmechanismus.

the grip
21.10.2012, 00:39
Grenzen der Liebe

Alles kann Liebe:
zürnen und zagen,
leiden und wagen,
demütig werben,
töten, verderben,
alles kann Liebe.

Alles kann Liebe:
lachend entbehren,
weinend gewähren,
heißes Verlangen
nähren in bangen,
in einsamen Tagen –
alles kann Liebe –
nur nicht entsagen!

the grip
23.10.2012, 12:15
Aufforderung zur Bescheidenheit

Wie nun mal die Dinge liegen
und auch wenn es uns mißfällt:
Menschen sind wie Eintagsfliegen
an den Fenstern dieser Welt.

Unterschiede sind fast keine,
und was wär auch schon dabei!
Nur, die Fliege hat sechs Beine,
und der Mensch hat höchstens zwei.

the grip
25.10.2012, 12:25
Hier, auf gewalkten Lumpen, soll ich
Mit einer Spule von der Gans
Hinkritzeln ernsthaft halb, halb drollig,
Versifizierten Firlefanz –

Ich, der gewohnt mich auszusprechen
Auf deinem schönen Rosenmund,
Mit Küssen, die wie Flammen brechen
Hervor aus tiefstem Herzensgrund!

O Modewut! Ist man ein Dichter,
Quält uns die eigne Frau zuletzt,
Bis man, wie andre Sangeslichter,
Ihr einen Reim ins Album setzt.

handbremse
26.10.2012, 12:41
Herzlichen Dank für den wöchentlichen Service :Blumen: . Gefällt mir sehr!

the grip
28.10.2012, 10:19
Die Einsamkeit, die Einsamkeit
ist das Alleinsein ziemlich leid,
sie möchte nicht mehr einsam sein,
drum lädt sie sich noch eine ein,
doch leider kommt es wie so oft
nicht so, wie man es sich erhofft:
Nach kurzer Eingewöhnungszeit
vereinsamen die zwei zu zweit.

the grip
30.10.2012, 09:24
Im Oktober

Jetzt schreiben sie wieder
ihre Herbstgedichte,
gefüllt mit windigen Metaphern
und scheinbar brennenden Bäumen.

Von allem darf die Rede sein,
sogar schon vom Schnee.

Nur das Wort grün
ist urheberrechtlich geschützt
bis zum hoffentlich kommenden März.

the grip
01.11.2012, 11:37
Der Wettstreit

Mein Mägdchen und mein Wein
Die wollten sich entzweyn.
Ob ich den Zwist entscheide?
Wird noch die Frage seyn.
Ich suche mich durch Beyde
Im Stillen zu erfreun.
Sie giebt mir größre Freude,
Doch öfter giebt der Wein.

the grip
04.11.2012, 10:35
Morgenstern:

Das aesthetische Wiesel

Ein Wiesel
saß auf einem Kiesel
inmitten Bachgeriesel.

Wißt ihr
weshalb?

Das Mondkalb
verriet es mir
im Stillen:

Das raffinierte Tier
tat’s um des Reimes willen.

the grip
06.11.2012, 09:50
Mitleid und Perspektive
oder Die Ansichten eines Baumes

Hier, wo ich stehe, sind wir Bäume,
die Straße und die Zwischenräume
so unvergleichlich groß und breit.
Mein Gott, mir tun die kleinen Bäume
am Ende der Allee entsetzlich leid!

the grip
08.11.2012, 08:47
Das Problem

Der Zwölf-Elf kam auf sein Problem
und sprach: Ich heiße unbequem.
Als hieß' ich etwa Drei-Vier
statt sieben – Gott verzeih mir!

Und siehe da, der Zwölf-Elf nannt' sich
von jenem Tag ab Dreiundzwanzig.

the grip
11.11.2012, 10:39
Reue

Die Tugend will nicht immer passen,
Im ganzen läßt sie etwas kalt,
Und daß man eine unterlassen,
Vergißt man bald.

Doch schmerzlich denkt manch alter Knaster,
Der von vergangnen Zeiten träumt,
An die Gelegenheit zum Laster,
Die er versäumt.

the grip
13.11.2012, 10:07
Die beiden Esel

Ein finstrer Esel sprach einmal
zu seinem ehlichen Gemahl:

'Ich bin so dumm, du bist so dumm,
wir wollen sterben gehen, kumm!'

Doch wie es kommt so öfter eben:
Die beiden blieben fröhlich leben.

the grip
15.11.2012, 09:17
Über Kants Definition der Ehe
in der "Metaphysik der Sitten"

Den Pakt zu wechselseitigem Gebrauch
Von den Vermögen und Geschlechtsorganen
Den der die Ehe nennt, nun einzumahnen
Erscheint mir dringend und berechtigt auch.

Ich höre, einige Partner sind da säumig.
Sie haben - und ich halt's nicht für gelogen -
Geschlechtsorgane kürzlich hinterzogen:
Das Netz hat Maschen und sie sind geräumig.

Da bleibt nur: die Gerichte anzugehn
Und die Organe in Beschlag zu nehmen.
Vielleicht wird sich der Partner dann bequemen

Sich den Kontrakt genauer anzusehn.
Wenn er sich nicht bequemt - ich fürcht es sehr -
Muß eben der Gerichtsvollzieher her.

Teuto Boy
15.11.2012, 12:47
:bussi:

TriVet
16.11.2012, 17:58
Mal wieder Danke sagen....:Blumen:

the grip
18.11.2012, 10:46
Wie an dem Tag, der dich der Welt verliehen,
Die Sonne stand zum Gruße der Planeten,
Bist alsobald und fort und fort gediehen,
Nach dem Gesetz, wonach du angetreten.
So mußt du seyn, dir kannst du nicht entfliehen,
So sagten schon Sibyllen, so Propheten;
Und keine Zeit und keine Macht zerstückelt
Geprägte Form, die lebend sich entwickelt.

the grip
20.11.2012, 09:35
Eitelkeit

Ein Töpfchen stand im Dunkeln
An stillverborgener Stelle.
Ha, rief es, wie wollt ich funkeln,
Käm ich nur mal ins Helle.

Ihm geht es wie vielen Narren.
Säß einer auch hinten im Winkel,
So hat er doch seinen Sparren
Und seinen aparten Dünkel.

the grip
22.11.2012, 09:41
Die Weste

Es lebt in Süditalien eine Weste
an einer Kirche dämmrigem Altar.
Versteht mich recht: Noch dient sie Gott aufs beste.
Doch wie in Adam schon Herr Häckel war
(zum Beispiel bloß), so steckt in diesem Reste
Brokat voll Silberblümlein wunderbar
schon heut der krause Übergang verborgen
vom Geist von gestern auf den Wanst von morgen.

the grip
25.11.2012, 09:17
Herr im Herbst

Nun wirft der Herbst die Blätter auf den Markt.
Na ja, das mußte wohl so kommen.
Und Lehmanns Tochter hat man eingesargt.
Hat die ein Glück gehabt, genau genommen …

Das Jahr wird alt und zieht den Mantel an.
Der Bettler vis à vis hat keinen.
So ist das Leben. Es ist nicht viel dran.
Frau’n können lachen, denn sie dürfen weinen.

Wozu die Blätter bunt sind, wenn sie fallen?
Na ja, man muß nicht alles wissen wollen.
Mir gehts nicht gut. Und ähnlich geht es allen.
Sogar die Drüsen sind geschwollen!

Wer kommt denn dort aus meinem Haus?
Ach, das ist Paul. Ob ich ihn rufe?
Er sieht etwas wie seine Schwester aus.
Wahrscheinlich: Achtung Zwischenstufe!

Das ist ein Wetter. Um drin zu ersaufen.
Sowas von Regen war noch gar nicht da.
Paar neue Schuhe müßte ich mir kaufen …
Und Haareschneidenlassengehen muß ich auch. Na ja.

(Anmerkung: Über dieses Gedicht mußte Hildegard beinahe weinen.)

the grip
27.11.2012, 09:11
Kluge Sterne

Die Blumen erreicht der Fuß so leicht,
Auch werden zertreten die meisten;
Man geht vorbei und tritt entzwei
Die blöden wie die dreisten.

Die Perlen ruhn in Meerestruhn,
Doch weiß man sie aufzuspüren;
Man bohrt ein Loch und spannt sie ins Joch,
Ins Joch von seidenen Schnüren.

Die Sterne sind klug, sie halten mit Fug
Von unserer Erde sich ferne;
Am Himmelszelt, als Lichter der Welt,
Stehn ewig sicher die Sterne.

the grip
29.11.2012, 09:48
Gleißt auch des Lebens
grelle Glut,
tut auch sein Glanz den
Augen weh –
ich schreibe. Und die
Bilderflut
verströmt, verebbt im
Wörtersee.

the grip
01.12.2012, 20:38
Ich werd alt.
Und nur so aus alter Gewohnheit
dreh ich mich nach den Mädchen um.
Ich schau ihnen tief in die Augen.
Doch sie schaun um meine herum.

the grip
04.12.2012, 09:18
Wenn alles sitzen bliebe,
Was wir in Haß und Liebe
So voneinander schwatzen;
Wenn Lügen Haare wären,
Wir wären rauh wie Bären
Und hätten keine Glatzen.

the grip
06.12.2012, 09:38
Ein Weib

Sie hatten sich beide so herzlich lieb,
Spitzbübin war sie, er war ein Dieb.
Wenn er Schelmenstreiche machte,
Sie warf sich aufs Bett und lachte.

Der Tag verging in Freud und Lust,
Des Nachts lag sie an seiner Brust.
Als man ins Gefängnis ihn brachte,
Sie stand am Fenster und lachte.

Er ließ ihr sagen: O komm zu mir,
Ich sehne mich so sehr nach dir,
Ich rufe nach dir, ich schmachte -
Sie schüttelt' das Haupt und lachte.

Um sechse des Morgens ward er gehenkt,
Um sieben ward er ins Grab gesenkt;
Sie aber schon um achte
Trank roten Wein und lachte.

the grip
09.12.2012, 11:52
Stille Winterstraßen

Es heben sich vernebelt braun
Die Berge aus dem klaren Weiß,
Und aus dem Weiß ragt braun ein Zaun,
Steht eine Stange wie ein Steiß.

Ein Rabe fliegt, so schwarz und scharf,
Wie ihn kein Maler malen darf,
Wenn er’s nicht etwa kann.
Ich stapfe einsam durch den Schnee.
Vielleicht steht links im Busch ein Reh
Und denkt: Dort geht ein Mann.

the grip
11.12.2012, 09:17
Eine Spitzenleistung
oder L'éducation fatale

"Es war nicht leicht!"
sagte die Uhr
zu dem Interviewer.
"Und ich hab es nur
im zähen Kampf gegen meine Natur
schließlich erreicht:
Sie sehen in mir, wenn's beliebt,
die schnellste Uhr, die es gibt!"

the grip
13.12.2012, 08:59
Nur du

Ich bin ein Mann
und wär so gern als Frau
mit dir allein
Ich bin allein
und hätt' so gern 'ne Frau
fürs Einsamsein
Doch treff ich dich
Ich bin die Frau
du bist der Mann
Was fängst als Mann
du mit mir Frau
als Mann dann an?

the grip
16.12.2012, 11:57
Ach, ich fühl es! Keine Tugend
Ist so recht nach meinem Sinn;
Stets befind ich mich am wohlsten,
Wenn ich damit fertig bin.

Dahingegen so ein Laster,
Ja, das macht mir viel Pläsier;
Und ich hab die hübschen Sachen
Lieber vor als hinter mit.

DirectX
17.12.2012, 09:21
Das Leben ist ein Deja Vu,
wiederholt sich stets von Spät bis Früh
von Kindesalter bis zur Leiche
...es folgt doch oft nur noch das Gleiche


Und hier der Busch:

Ach, ich fuehl es! Keine Tugend
Ist so recht nach meinem Sinn;
Stets befind ich mich am wohlsten,
wenn ich damit fertig bin.

Dahingegen so ein Laster,
Ja, das macht mir viel Plaesier;
Und ich hab die huebschen Sachen
Lieber vor als hinter mir.

Wilhelm Busch.

the grip
17.12.2012, 09:57
Das Leben ist ein Deja Vu,
wiederholt sich stets von Spät bis Früh
von Kindesalter bis zur Leiche
...es folgt doch oft nur noch das Gleiche

Zum Glück gibt es auch hier die Forumspolizei ! Dankeschön, ich werde gleich 100 Liegestütze zur Strafe machen. :Cheese:

DirectX
17.12.2012, 10:13
Zum Glück gibt es auch hier die Forumspolizei ! Dankeschön, ich werde gleich 100 Liegestütze zur Strafe machen. :Cheese:Ich und Forumspolizei?
Mir ists eigentlich einerlei.

Zur Strafe 100 Liegestütz?
Sind unnötig und zu nichts nütz.

Mach lieber hier im Thread weiter,
stimmen einen viele Gedichte heiter.

:Cheese: :Cheese: :Cheese:

the grip
18.12.2012, 09:49
Robert Gernhardt:

Weils so schön war

Paulus schrieb an die Apatschen:
Ihr sollt nicht nach der Predigt klatschen.

Paulus schrieb an die Komantschen:
Erst kommt die Taufe, dann das Plantschen.

Paulus schrieb den Irokesen:
Euch schreib ich nichts, lernt erst mal lesen.

the grip
20.12.2012, 08:29
Das Fest des Wüstlings

Was stört so schrill die stille Nacht?
Was sprüht der Lichter Lüstrepracht?
Das ist das Fest des Wüstlings!

Was huscht und hascht und weint und lacht?
Was cymbelt gell? Was flüstert sacht?
Das ist das Fest des Wüstlings!

Die Pracht der Nacht ist jach entfacht!
Die Tugend stirbt, das Laster lacht!
Das ist das Fest des Wüstlings!
(zu flüstern)

the grip
21.12.2012, 16:11
Weihnachten

Liebeläutend zieht durch Kerzenhelle,
mild, wie Wälderduft, die Weihnachtszeit,
und ein schlichtes Glück streut auf die Schwelle
schöne Blumen der Vergangenheit.

Hand schmiegt sich an Hand im engen Kreise,
und das alte Lied von Gott und Christ
bebt durch Seelen und verkündet leise,
dass die kleinste Welt die größte ist.

the grip
23.12.2012, 10:14
So ward der Herr Jesus geboren
Im Stall bei der kalten Nacht.
Die Armen, die haben gefroren,
Den Reichen war’s warm gemacht.

the grip
25.12.2012, 09:16
Der Stern

Hätt einer auch fast mehr Verstand
Als wie die drei Weisen aus Morgenland
Und ließe sich dünken, er wäre wohl nie
Dem Sternlein nachgereist wie sie;
Dennoch, wenn nun das Weihnachtsfest
Seine Lichtlein wonniglich scheinen läßt,
Fällt auch auf sein verständig Gesicht,
Er mag es merken oder nicht,
Ein freundlicher Strahl
Des Wundersternes von dazumal.

the grip
27.12.2012, 09:04
Ein Schuft, wer mehr stirbt,
als er sterben muß!
Aber muß es sein, dann nicht schüchtern.
Ersaufen ist auch ein Genuß
und vielleicht wird man davon wieder nüchtern.

the grip
30.12.2012, 09:55
Adam jr.

Adam las die Bibel
Eva kaute Obst
Gott schlief die meiste Zeit
Es war so
Jeder kannte jeden
Die Schlange war der Chef im Garten Eden

Das Paradies war offensichtlich reine Nervensache
Ich weiß jetzt auch nicht so genau wie’s weitergehen soll

Gott träumte schlecht
Er sah die Schlange die es mit der Mutter trieb
Aus war die schöne Theorie
Vorbei der Traum
Die Affen paarten sich mit dem was übrigblieb

Das Paradies war offensichtlich reine Nervensache
Ich weiß jetzt auch nicht so genau wie’s weitergehen soll

Gott wachte auf
Ich kam im Ruhrgebiet zur Welt
Die Sache hat sich seitdem zugespitzt
Sonntags sitzt Gott im Irrenhaus
Teilt Würfelzucker aus
Und glaubt er sei ein Held

Das Paradies war offensichtlich reine Nervensache
Ich weiß jetzt auch nicht so genau wie’s weitergehen soll

the grip
01.01.2013, 10:55
Man soll das Jahr nicht mit Programmen
beladen wie ein krankes Pferd.
Wenn man es allzu sehr beschwert,
bricht es zu guter Letzt zusammen.

Je üppiger die Pläne blühen,
um so verzwickter wird die Tat.
Man nimmt sich vor, sich zu bemühen,
und schließlich hat man den Salat!

Es nützt nicht viel, sich rotzuschämen.
Es nützt nichts, und es schadet bloß,
sich tausend Dinge vorzunehmen.
Laßt das Programm! Und bessert euch drauflos!

the grip
03.01.2013, 09:38
Stoßseufzer

Unbequemer neuer Glauben!
Wenn sie uns den Herrgott rauben,
Hat das Fluchen auch ein End –
Himmel-Herrgott-Sakrament!

Wir entbehren leicht das Beten,
Doch das Fluchen ist von nöten,
Wenn man gegen Feinde rennt –
Himmel-Herrgott-Sakrament!

Nicht zum Lieben, nein zum Hassen
Sollt ihr uns den Herrgott lassen,
Weil man sonst nicht fluchen könnt –
Himmel-Herrgott-Sakrament!

bellamartha
03.01.2013, 09:47
Man soll das Jahr nicht mit Programmen
beladen wie ein krankes Pferd.
Wenn man es allzu sehr beschwert,
bricht es zu guter Letzt zusammen.

Je üppiger die Pläne blühen,
um so verzwickter wird die Tat.
Man nimmt sich vor, sich zu bemühen,
und schließlich hat man den Salat!

Es nützt nicht viel, sich rotzuschämen.
Es nützt nichts, und es schadet bloß,
sich tausend Dinge vorzunehmen.
Laßt das Programm! Und bessert euch drauflos!

Lieber grip,

ich freue mich, dass du uns auch im Jahr 2013 mit Gedichten versorgst! Danke dafür!
Das Neujahrs-Gedicht werde ich versuchen, mir heute Abend zu Herzen zu nehmen, wenn ich mit Inga meine Vorsätze und Pläne für das neue Jahr fasse...

Viele Grüße und dir alles Gute!
J.

the grip
06.01.2013, 10:03
Die drei Winkel

Drei Winkel klappen ihr Dreieck
zusammen wie ein Gestell
und wandern nach Hirschmareieck
zum Widiwondelquell.

Dort fahren sie auf der Gondel
hinein in den Quellenwald
und bitten die Widiwondel
um menschliche Gestalt.

Die Wondel – ihr Decorum
zu wahren – spricht Latein:
Vincula, vinculorum,
in vinculis Fleisch und Bein!

Drauf nimmt sie die lockern Braten
und wirft sie in den Teich: –
Drei Winkeladvokaten
entsteigen ihm sogleich.

Drei Advokaten stammen
aus dieses Weihers Schoß.
Doch zählst du die drei zusammen,
so sind es zwei rechte bloß.

the grip
08.01.2013, 13:31
Pfützen spiegeln das Himmelslicht.
Sie haben ein helles Gesicht.

Meide ihre Mulden!
Tritt nicht in Lachen.
Wenn sie dich dreckig machen,
Ist’s dein Verschulden.

Pfützen sind Schicksal für manches Getier,
Sind aber für Kinder Seligkeiten.

Häufig werden sich zwei oder vier
Menschen um Pfützen streiten.

the grip
10.01.2013, 09:19
Die Flut der Leidenschaft, sie stürmt vergebens
Ans unbezwungne feste Land. –
Sie wirft poetische Perlen an den Strand,
Und das ist schon Gewinn des Lebens.

the grip
12.01.2013, 18:18
Ein Pessimist ist, knapp ausgedrückt, ein Mann,
dem nichts recht ist.
Und insofern ist er verdrießlich.
Obwohl er sich, andrerseits, schließlich
(und wenn überhaupt) nur freuen kann,
gerade weil alles schlecht ist.

Einer von ihnen hat mir erklärt, wie das sei
und was ihn am meisten freute:
"Im schlimmsten Moment, der Geburt, sind die Leute"
(hat er gesagt) "schon dabei.
Doch gerade das schönste Erlebnis
erleben sie nie: ihr Begräbnis!"

the grip
15.01.2013, 11:10
Aus Cezannes Äpfeln hätte sie Apfelmus gemacht –
das alles beeindruckt sie nicht,
solange folgende Fragen ungeklärt sind:
wer kocht und wäscht und sorgt für mein Kind?
Das hat Vorrang vor aller Kunst.
"Wenn ich sterbe" schreibt sie, "was dann?"
Vom beigelegten Geld für ein gutes Essen
kaufe ich Zigaretten und Papier,
rauche und schreibe
und liebe sie.
Sie ist meine Bäuerin,
sie kennt die Absturzstellen
meiner Höhenflüge.
So müßte das Leben sein:
das Mißlungene vollenden
mit einem selbstgebackenen Kuchen.

the grip
17.01.2013, 11:19
Rechthaber

Seine Meinung ist die rechte,
Wenn er spricht, müßt ihr verstummen,
Sonst erklärt er euch für Schlechte
Oder nennt euch gar die Dummen.

Leider sind dergleichen Strolche
Keine seltene Erscheinung.
Wer nicht taub, der meidet solche
Ritter von der eignen Meinung.

the grip
20.01.2013, 11:29
Goldne Worte, nicht ganz nüchtern

Wenn es hochkommt – hupp! sagt der Psamlist,
wenn es hochkommt, wird man achtzig Jahre.
Ob das etwa eine Drohung ist?
Ach, man brauchte Geld und hat nur Ware.

Hupp! mein Magen stellt sich auf die Zehen …
Nein, mein Fräulein, ich hab keine Lust.
Macht das Spaß, so hin- und herzugehen?
Ist das, was Sie tragen, alles Brust?

Meine Frau hält sich für unverstanden.
Ich begriffe sie nicht mehr, sagt sie.
Ehrenschulden … Deckung nicht vorhanden …
Wenn es hochkommt – doch das tut es nie.

Grün, sagt Goethe, sei des Lebens Baum,
aber grau sei alle Diarrhoe.
Ob er recht gehabt hat, weiß man kaum.
Also Servus! Philosauf qui peut!

the grip
22.01.2013, 09:11
Das Tanzen gilt als ein Vergnügen,
Bei dem sich zwei zusammenfügen,
Und sich – statt gradeaus zu gehen –
Nach links und rechts im Kreise drehen.

Wenn wir sein Wesen recht erkennen,
Wird man das Tanzen Arbeit nennen,
Man hat den triftigsten Beweis
In dem dabei vergossnen Schweiß.

Hier untersucht nun der Gelehrte:
Zum ersten schafft sie keine Werte,
Zum zweiten aber hat davon
Der Arbeitnehmer keinen Lohn.

Er dreht von acht bis morgens fünfe
Und immer gratis eine Nymphe.
Dies bildet doch ein Unikum!
Und deshalb frage ich: warum?

Erfolgt es wirklich unentgeltlich?
Geschieht es nicht doch vorbehältlich?
Entledigt man sich seines Speckes
Ganz ohne Hinblick eines Zweckes?
Hier ist der Angelpunkt der Frage,
Und ihre Lösung tritt zutage:
Der Tänzer leistet nur so viel
In Hoffnung auf ein Nebenziel.

the grip
24.01.2013, 13:00
Durch Schaden wird man klug,
Sagen die klugen Leute.
Schaden litt ich genug,
Doch bin ich ein Tor noch heute.

the grip
27.01.2013, 10:53
Die Luft war einst dem Sterben nah.

"Hilf mir, mein himmlischer Papa",
so rief sie mit sehr trübem Blick,
"ich werde dumm, ich werde dick;
du weißt ja sonst für alles Rat –
schick mich auf Reisen, in ein Bad,
auch saure Milch wird gern empfohlen; –
wenn nicht – laß ich den Teufel holen!"

Der Herr, sich scheuend vor Blamage,
erfand für sie die – Tonmassage.

Es gibt seitdem die Welt, die – schreit.
Wobei die Luft famos gedeiht.

the grip
29.01.2013, 09:30
Mondgedicht

..,-
fertig ist das Mondgedicht

the grip
31.01.2013, 08:44
Hätt' ich gezaudert zu werden,
Bis man mir’s Leben gegönnt,
Ich wäre noch nicht auf Erden,
Wie ihr begreifen könnt,
Wenn ihr seht, wie sie sich geberden,
Die, um etwas zu scheinen,
Mich gerne möchten verneinen.

the grip
03.02.2013, 11:58
Er weiß nicht, ob er sie liebt

Soll man sein Herz bestürmen: "Herz, sprich lauter!"
da es auf einmal leise mit uns spricht?
Einst sprach es laut zu uns. Das klang vertrauter.
Nun flüstert's nur. Und man versteht es nicht.

Was will das Herz? Man denkt: wenn es das wüßte,
dann wär es laut, damit man es versteht.
Dann riefe es, bis man ihm folgen müßte!
Was will das Herz, daß es so leise geht?

Das Allerschönste, was sich Kinder wünschen,
das wagt sich kaum aus ihrem Mund hervor.
Das Allerschönste, was sich Kinder wünschen,
das flüstern sie der Mutter bloß ins Ohr ...

Ist so das Herz, daß es sich schämt zu rufen?
Will es das Schönste haben? Ruft es nein?
Man soll den Mächten, die das Herz erschufen,
nicht dankbar sein.

the grip
05.02.2013, 09:59
Lebensweisheit

Die Kultur verdirbt die Liebe,
Denn sie hemmt den stärksten Drang.
Und der mächtigste der Triebe
Wird ein schwaches Santimang.

Kater, die in Städten leben,
Sie verschwenden ihre Zeit,
Um sich angenehm zu geben,
Selten kommen sie soweit.

Wo Natur noch auf dem Lande
Die Begriffe nicht verschiebt,
Lehrt sie: Wer dazu imstande,
Nehme schleunig, was er liebt.

Rasch gestillte Wünsche reißen
Nicht an unserm Nervenstrang,
Und man darf sich glücklich heißen,
Und man lebt vergnügt und lang.

the grip
07.02.2013, 10:10
Usw. usf.

Viele Sommersprossen sind
auf dem Kinde, doch das Kind
sieht sie nicht. Es sieht stattdessen
einen Amtmann Suppe essen.
Dieser wiederum beschaut
grad ein Foto seiner Braut,
die auf einen Seemann blickt,
der sich nach dem Anker bückt,
da der Anker was verdeckt,
das in einer Tüte steckt
und sich, falls der Maat nicht irrt,
gleich das Bild entpuppen wird.
In der Tat – es ist ein Bild,
es zeigt ein Reklameschild
worauf sich zwei Frauen räkeln,
die an einem Lappen häkeln,
der zum Teil ein Kind verbirgt,
das recht ungewöhnlich wirkt:
Viele Sommersprossen sind
auf dem Kinde, doch das Kind ...

the grip
10.02.2013, 11:01
Schiff „Erde“.

Ich will den Kapitän sehn, schrie
die Frau, den Kapitän, verstehn Sie?
Das ist unmöglich, hieß es. Gehn Sie!
So gehn Sie doch! Sie sehn ihn nie!

Das Weib, mit rasender Gebärde:
So bringen Sie ihm das und das.
(Sie spie die ganze Reling naß.)
Das Schiff, auf dem sie fuhr, hieß „Erde“.

the grip
12.02.2013, 11:36
So möcht ich werden:
unwichtig wie die Südsee,
genügsam wie die Pinguine im Packeis,
gleichgültig wie einer,
der auf Sieg setzt.

the grip
14.02.2013, 09:25
Widmung für M.

Mehr als Gedichte wiegt, wie wir zusammen leben,
vereint in einem Dasein Tag und Nacht:
So brennt ein Licht, von Schatten rings umgeben,
die es doch heller durch sein Leuchten macht.

Wohl sind wir Tiere, die sich selbst dressieren,
kurzfristiger Bestand aus Fleisch und Bein,
und doch: das eine Leben, das wir beide führen,
für tausend reichte es zum Glücklichsein.

the grip
16.02.2013, 19:10
Definition des Ruhms
(Aus dem Französischen)

Worin besteht der Ruhm auf Erden,
der die Wenigen von den Vielen trennt?
Von lauter Leuten gekannt zu werden,
die man selber gar nicht kennt.

the grip
19.02.2013, 10:10
Im Vatikan

Durch die langgestreckten Gänge,
Durch die hochgewölbten Säle
Schlürfen leise, Ohren raunend,
Scheuen Blicks die Kardinäle.

Nachtgewohnte Fledermäuse,
Die sonst gern im Dunkel blieben,
Huschen hin und her bei Tage.
Was hat sie ans Licht getrieben?

Wie sie horchen! Wie sie lauern!
Wie die klugen Äuglein blitzen,
Während sich verkniffne Lippen
Frömmelnd zum Gebete spitzen!

Seiner Heiligkeit dem Papste
Nahet sich das bittre Sterben,
Und durch alle Schlüssellöcher
Spähen wartend seine Erben.

the grip
21.02.2013, 09:15
Geburtsakt der Philosophie

Erschrocken schaut der Heide Schaf mich an,
als säh's in mir den ersten Menschenmann.
Sein Blick steckt an; wir stehen wie im Schlaf;
mir ist, ich säh zum ersten Mal ein Schaf.

the grip
24.02.2013, 14:02
Der Werwolf

Ein Werwolf eines Nachts entwich
von Weib und Kind, und sich begab
an eines Dorfschullehrers Grab
und bat ihn: Bitte, beuge mich!

Der Dorfschulmeister stieg hinauf
auf seines Blechschilds Messingknauf
und sprach zum Wolf, der seine Pfoten
geduldig kreuzte vor dem Toten:

"Der Werwolf", – sprach der gute Mann,
"des Weswolfs, Genitiv sodann,
"dem Wemwolf, Dativ, wie man's nennt,
"den Wenwolf, – damit hat's ein End'."

Dem Werwolf schmeichelten die Fälle,
er rollte seine Augenbälle.
Indessen, bat er, füge doch
zur Einzahl auch die Mehrzahl noch!

Der Dorfschulmeister aber mußte
gestehn, daß er von ihr nichts wußte.
Zwar Wölfe gäb's in großer Schar,
doch "Wer" gäb's nur im Singular.

Der Wolf erhob sich tränenblind –
er hatte ja doch Weib und Kind!!
Doch da er kein Gelehrter eben,
so schied er dankend und ergeben.

the grip
26.02.2013, 09:15
Kritik des Herzens

Er stellt sich vor sein Spiegelglas
Und arrangiert noch dies und das.
Er dreht hinaus des Bartes Spitzen,
Sieht zu, wie seine Ringe blitzen,
Probiert auch mal, wie sich das macht,
Wenn er so herzgewinnend lacht,
Übt seines Auges Zauberkraft,
Legt die Krawatte musterhaft,
Wirft einen süßen Scheideblick
Auf sein geliebtes Bild zurück,
Geht dann hinaus zur Promenade,
Umschwebt vom Dufte der Pomade,
Und ärgert sich als wie ein Stint,
Daß andre Leute eitel sind.

the grip
28.02.2013, 10:15
Wie oft, o meine Muse! wenn dein Finger
Aus dem beglückten Holz Musik entspann
Und jenen Wohllaut, meines Ohrs Bezwinger,
Mit süßem Griff den Saiten abgewann,
Beneidet' ich die Tasten, wie zu nippen
Sie deinen zarten Händen eilig nah'n,
Indes errötend meine armen Lippen
An kühnes Holz ihr Recht verschwendet sah'n.
Wie möchten sie um solch Berühren tauschen
Mit jedem Spänlein, das sich tanzend bückt,
Wenn deiner Wanderfinger leises Rauschen
Mehr totes Holz als roten Mund beglückt!
Wenn kecke Tasten denn so schwelgen müssen,
Laß sie die Hand, laß mich die Lippen küssen.

bellamartha
28.02.2013, 10:40
Schön!

the grip
03.03.2013, 10:04
Geleert hab ich nach Herzenswunsch
Der Liebe Kelch, ganz ausgeleert;
Das ist ein Trank, der uns verzehrt
Wie flammenheißer Kognakpunsch.

Da lob ich mir die laue Wärme
Der Freundschaft; jedes Seelenweh
Stillt sie, erquickend die Gedärme
Wie eine fromme Tasse Tee.

the grip
05.03.2013, 09:30
An den Mann im Spiegel

Du bist ein krummer, dummer Hund!
Und hast es doch gut gehabt,
Bist gar nicht reich und bist gesund,
Auch großenteils nicht unbegabt.

Du altes Schwein im Trüffelbeet,
Weißt du auch stets, wie gut’s dir geht?

Du, spring nicht über Schranken,
Du höher, als du selber bist, sind.
Vergiß nie, täglich wie ein Kind
Für alles tief zu danken.

the grip
07.03.2013, 09:17
An F…

Geliebte! In dem Ungemach,
Das sich in meinen Pfad gedrängt,
(Ein rauher Pfad, steinicht und brach,
Von allen Seiten eingeengt), –
Kennt meine Seele einen Ort,
Dessen sie freudevoll gedenkt,
Ein unberührter Zauberhort
In einem weiten Meer versenkt.

Ja, dein geliebtes Bildnis ruht
In meiner Brust als süßer Trost,
Ein Eiland in bewegter Flut,
Von frostigem Gewog umtost,
Und doch so wundersam gefeit,
Daß mitten in dem Wellenfrost
Und Sturmesbrausen jederzeit
Die liebe Sonne mit ihm kost.

Mandarine
07.03.2013, 12:07
In jedem Frühjahr ein Genuss von Goethe !


Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
Durch des Frühlings holden, belebenden Blick,
Im Tale grünet Hoffnungsglück;
Der alte Winter, in seiner Schwäche,
Zog sich in rauhe Berge zurück.
Von dort her sendet er, fliehend, nur
Ohnmächtige Schauer körnigen Eises
In Streifen über die grünende Flur.
Aber die Sonne duldet kein Weißes,
Überall regt sich Bildung und Streben,
Alles will sie mit Farben beleben;
Doch an Blumen fehlts im Revier,
Sie nimmt geputzte Menschen dafür.
Kehre dich um, von diesen Höhen
Nach der Stadt zurück zu sehen!
Aus dem hohlen finstern Tor
Dringt ein buntes Gewimmel hervor.
Jeder sonnt sich heute so gern.
Sie feiern die Auferstehung des Herrn,
Denn sie sind selber auferstanden:
Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
Aus Handwerks- und Gewerbesbanden,
Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
Aus der Straßen quetschender Enge,
Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
Sind sie alle ans Licht gebracht.
Sieh nur, sieh! wie behend sich die Menge
Durch die Gärten und Felder zerschlägt,
Wie der Fluß in Breit und Länge
So manchen lustigen Nachen bewegt,
Und, bis zum Sinken überladen,
Entfernt sich dieser letzte Kahn.
Selbst von des Berges fernen Pfaden
Blinken uns farbige Kleider an.
Ich höre schon des Dorfs Getümmel,
Hier ist des Volkes wahrer Himmel,
Zufrieden jauchzet groß und klein:
Hier bin ich Mensch, hier darf ichs sein!

the grip
10.03.2013, 13:46
Die Stärke des Weins

Wein ist stärker als das Wasser:
Dies gestehn auch seine Hasser.
Wasser reißt wohl Eichen um,
Und hat Häuser umgerissen:
Und ihr wundert euch darum,
Daß der Wein mich umgerissen?

the grip
12.03.2013, 17:35
Such

Der Hund springt aufs Bett und robbt
über mich.
"Weißt du das Wort?" frage ich ihn.
Er gibt keine Antwort.
"Weißt du das Wort? Ich such das
richtige Wort."
Er sieht mich mit seinen ernsten
Braunen Augen an.
"Ich warte auf das richtige Wort"
erkläre ich ihm. "Ich komme mir vor
als würde ich durch eine große heiße
Bratpfanne schnalzen."
Er wedelt und versucht, mein
Gesicht zu lecken.

"Hör mal", ruft sie aus dem Bade-
zimmer, "kommst du jetzt endlich
aus den Federn und hörst auf,
mit dem Hund zu reden?!"

Meine Eltern haben mich auch
nie verstanden.

the grip
14.03.2013, 09:33
Mag draußen Schnee sich türmen,
Mag es hageln, mag es stürmen,
Klirrend mir ans Fenster schlagen,
Nimmer will ich mich beklagen,
Denn ich trage in der Brust
Liebchens Bild und Frühlingslust.

bellamartha
14.03.2013, 09:51
Danke für die Gedichte vom 7.3. und von heute!

the grip
17.03.2013, 10:33
Wer möchte diesen Erdenball
Noch fernerhin betreten,
Wenn wir Bewohner überall
Die Wahrheit sagen täten.

Ihr hießet uns, wir hießen euch
Spitzbuben und Halunken,
Wir sagten uns fatales Zeug
Noch eh wir uns betrunken.

Und überall im weiten Land,
Als langbewährtes Mittel,
Entsproßte aus der Menschenhand
Der treue Knotenknittel.

Da lob ich mir die Höflichkeit,
Das zierliche Betrügen.
Du weißt Bescheid, ich weiß Bescheid;
Und allen macht’s Vergnügen.

the grip
19.03.2013, 09:56
Seltsam, das literarische Leben!
Bei jedem Band die Furcht vor etwas Unangenehmen;
jede Veröffentlichung eine Gefahr.
Die Furcht, nicht genug Erfolg zu haben,
oder, wenn er zu groß ist,
die wie es weitergehen soll.

the grip
21.03.2013, 09:33
Der Gotteserde lichten Saal
Verdüstern sie zum Jammertal.
Daran entdecken wir geschwind,
Wie jämmerlich sie selber sind.

the grip
24.03.2013, 14:22
Für Einen

Die Andern sind das weite Meer.
Du aber bist der Hafen.
So glaube mir: kannst ruhig schlafen,
Ich steure immer wieder her.

Denn all die Stürme, die mich trafen,
Sie ließen meine Segel leer.
Die Andern sind das bunte Meer,
Du aber bist der Hafen.

Du bist der Leuchtturm. Letztes Ziel.
Kannst, Liebster, ruhig schlafen.
Die Andern … das ist Wellen-Spiel,

Du aber bist der Hafen.

the grip
26.03.2013, 09:11
"Ins Innre der Natur –"
(O du Philister!)
"dringt kein erschaffner Geist" –
Mich und Geschwister
mögt ihr an solches Wort
nur nicht erinnern:
Wir denken: Ort für Ort
sind wir im Innern.
"Glückselig, wem sie nur die äußre Schale weist!"
Das hör' ich sechzig Jahre wiederholen,
Ich fluche drauf, aber verstohlen;
sage mir tausend, tausend Male:
Alles gibt sie reichlich und gern;
Natur hat weder Kern
noch Schale,
alles ist sie mit einem Male.
Dich prüfe du nur allermeist,
Ob du Kern oder Schale seist.

the grip
28.03.2013, 09:52
Selbstaussage

Ich mach mir nichts aus Marschmusik,
ich mach mir nichts aus Schach.
Die Marschmusik macht mir zuviel,
das Schach zu wenig Krach.

the grip
07.04.2013, 13:37
Im dunklen Erdteil Afrika
Starb eine Ziehharmonika.
Sie wurde mit Musik begraben.
Am Grabe saßen zwanzig Raben.
Der Rabe Num’ro einundzwanzig
Fuhr mit dem Segelschiff nach Danzig
Und gründete dort etwas später
Ein Heim für kinderlose Väter.
Und die Moral von der Geschicht? –
Die weiß ich leider selber nicht.

the grip
07.04.2013, 13:38
In den Küssen welche Lüge!
Welche Wonne in dem Schein!
Ach, wie süß ist das Betrügen,
Süßer das Betrogensein!

Liebchen, wie du dich auch wehrest,
Weiß ich doch, was du erlaubst:
Glauben will ich, was du schwörest,
Schwören will ich, was du glaubst.

the grip
07.04.2013, 13:39
Der Schnupfen

Ein Schnupfen hockt auf der Terrasse,
auf daß er sich ein Opfer fasse

- und stürzt alsbald mit großem Grimm
auf einen Menschen namens Schrimm.

Paul Schrimm erwidert prompt: Pitschü!
und hat ihn drauf bis Montag früh.

the grip
07.04.2013, 13:49
Heinz Erhardt:

Feste

Der Karpfen kocht, der Truthahn brät,
man sitzt im engsten Kreise
und singt vereint den ersten Vers
manch wohlvertrauter Weise.
Zum Beispiel "O du fröhliche",
vom "Baum mit grünen Blättern" –
und aus so manchem Augenpaar
sieht man die Träne klettern.
Die Traurigkeit am Weihnachtsbaum
ist völlig unverständlich:
Man sollte lachen, fröhlich sein,
denn ER erschien doch endlich!

Zu Ostern – da wird jubiliert,
manch buntes Ei erworben!
Da lacht man gern – dabei ist ER
erst vorgestern gestorben …

the grip
09.04.2013, 11:31
Es wird Frühling – alles schimmert
Nur die Kiefer quietscht und wimmert
Jammert über Winterschäden
Muß zum Kieferorthopäden

the grip
11.04.2013, 10:19
Das ist die Stunde kurz nach Mitternacht,
die Katze, die dich anschaut
und nicht lacht.
Es ist nichts mehr zu tun.
Du öffnest die Finger,
siehst die Morgenröte
und den Engel, der geht
um sich auszuruhn.

the grip
14.04.2013, 11:01
Wärst du ein Bächlein, ich ein Bach.
So eilt ich dir geschwinde nach.
Und wenn ich dich gefunden hätt
In deinem Blumenuferbett:
Wie wollt ich mich in dich ergießen
Und ganz mit dir zusammenfließen,
Du vielgeliebtes Mädchen du!
Dann strömten wir bei Nacht und Tage
Vereint in süßem Wellenschlage
Dem Meere zu.

the grip
16.04.2013, 09:28
Wenn ich mir in stiller Seele
Singe leise Lieder vor:
Wie ich fühle, daß sie fehle,
Die ich einzig mir erkor –
Möcht ich hoffen, daß sie sänge,
Was ich ihr so gern vertraut;
Ach, aus dieser Brust und Enge
Drängen frühe Lieder laut.

the grip
18.04.2013, 09:17
Nichts schafft Ungeduld,
Noch weniger Reue;
Diese vermehrt die Schuld
Jene schafft neue.

the grip
21.04.2013, 09:25
Die Hühner fühlten sich plötzlich verpflichtet,
statt Eiern Apfeltörtchen zu legen.
Die Sache zerschlug sich. Und zwar weswegen?
Das Huhn ist auf Eier eingerichtet.
(So wurde schon manche Idee vernichtet.)

the grip
23.04.2013, 09:28
Frühlingsahnen

Wohlig merken unsre Sinne
Nun den Frühling allgemach,
Denn es trauft aus jeder Rinne,
Und es tropft von jedem Dach.

Leise regt sich im Theater
Dieser Welt ein Liebeston;
Nächstens schreien viele Kater,
Und der Hase rammelt schon.

So auch uns ergreift die Glieder
Wundersame Lebenskraft;
Selbst solide Seifensieder
Fühlen ihren Knospensaft.

Treibet das Geschäft der Paarung!
Lasset der Natur den Lauf!
Denn ihr wisset aus Erfahrung,
Einmal hört es leider auf.

the grip
25.04.2013, 08:52
Künstlers Apotheose

So wirkt mit Macht der edle Mann
Jahrhunderte auf seinesgleichen:
Denn was ein guter Mensch erreichen kann,
Ist nicht im engen Raum des Lebens zu erreichen.

Drum lebt er auch nach seinem Tode fort
Und ist so wirksam, als er lebte;
Die gute Tat, das schöne Wort,
Es strebt unsterblich, wie er sterblich strebte.

So lebst auch du (der Künstler) durch ungemeßne Zeit;
Genieße der Unsterblichkeit.

Flow
25.04.2013, 20:41
XXIX

Caminante, son tus huellas
el camino, y nada más;
caminante, no hay camino:
se hace camino al andar.
Al andar se hace camino,
y al volver la vista atrás
se ve la senda que nunca
se ha de volver a pisar.
Caminante, no hay camino,
sino estelas en la mar.



Wem's spanisch vorkommt :

Wanderer, es sind deine Spuren
der Weg, und nichts mehr;
Wanderer, es gibt keinen Weg:
es macht sich der Weg beim Gehen.
Beim Gehen macht sich der Weg,
und beim Wenden des Blickes zurück
sieht man den Pfad, den niemals
man wieder zu betreten hat.
Wanderer, es gibt keinen Weg,
sondern Spuren auf dem Meer.


****************************************


XLIV

Todo pasa y todo queda;
pero lo nuestro es pasar,
pasar haciendo caminos,
caminos sobre la mar.



Alles geht vorüber und alles bleibt;
aber das Unsere ist Vorübergehen,
vorüberzugehen, Wege machend,
Wege auf dem Meer.

the grip
28.04.2013, 09:57
Es bildete sich ein Gemisch
Von Stachelschwein und Tintenfisch.
Die Wissenschaft, die teilt es ein
In Stachelfisch und Tintenschwein.
Der Fisch bewohnt den Ozean.
Gefährlich ist es, ihm zu nahn.
Das Tintenschwein trifft man in Büchern,
An Fingerspitzen, Taschentüchern.
Es ist – das liegt ja auf der Hand –
Dem Igelschwein noch sehr verwandt.

the grip
30.04.2013, 10:20
Sie stritten sich beim Wein herum,
was das nun wieder wäre;
Das mit dem Darwin wär gar zu dumm
Und wider die menschliche Ehre.

Sie tranken manchen Humpen aus,
Sie stolperten aus den Türen,
Sie grunzten vernehmlich und kamen zu Haus
Gekrochen auf allen vieren.

pumuggel
01.05.2013, 16:21
Die Freude flieht auf allen Wegen - der Ärger kommt uns gern entgegen.

Im Durchschnitt ist man kummervoll - und weiß nicht, was man machen soll.

Wie wohl ist dem, der dann und wann - sich etwas Schönes dichten kann!

the grip
02.05.2013, 11:15
Liebe mich,
damit es aufhört,
dieses Nachdenken,
wenn du nicht da bist.

the grip
05.05.2013, 09:45
Erster Mai.
Alle Wiesen keimen,
Alle Vögel reimen,
Kleine Blumen scheinen,
Mädchen im lachenden Schwarm,
Tausend Sonnen warm.

Mai, du machst mich arm,
Ich muß niederknien,
In meine Hände weinen.

the grip
07.05.2013, 09:35
Dringliche Anfrage

Wer hat ein Alibi für mich?
Ich brauche eins für morgen,
da soll ich es um 12 Uhr 10
der Königin besorgen.

Die Königin ist klein und rund,
der König groß und eckig.
Dem, den sein Misstraun auch nur streift,
geht es entsetzlich dreckig.
Um 12 Uhr 10 bin ich bestellt.
Ich trau mich gar nicht, hinzugehn.
Es sei, ich hätt' ein Alibi.
Wer sah mich morgen, 12 Uhr 10?

the grip
09.05.2013, 13:12
Spielball

Es weint ein Kind.
Ein Luftballon mit dünnem Zopf
Und kleiner als des Kindes Kopf
Entflieht im Wind.

Und reist und steigt verwegen.
Ein Nebel wallt.
Ein Fehlschuß knallt.
Dann fällt ein sanfter Regen.

Rundrote Riesenbeere
Rollt müde und verschrumpft
In einem Wipfelmeere,
Hat austriumpht.

Witziger Kräherich
Bringt seinem Bräutchen
Ein hohles Häutchen,
Die aber ärgert sich.

the grip
12.05.2013, 11:02
Lieder eines Lumpen

Als ich ein kleiner Bube war,
War ich ein kleiner Lump;
Zigarren raucht? ich heimlich schon,
Trank auch schon Bier auf Pump.

Zur Hose hing das Hemd heraus,
Die Stiefel lief ich krumm,
Und statt zur Schule hinzugehn,
Strich ich im Wald herum.

Wie hab ich?s doch seit jener Zeit
So herrlich weit gebracht! -
Die Zeit hat aus dem kleinen Lump
?nen großen Lump gemacht.

the grip
14.05.2013, 09:12
Durch Anschlag mach ich euch bekannt:
Heut ist kein Fest im deutschen Land.
Drum sei der Tag für alle Zeit
zum Nichtfest-Feiertag geweiht.

the grip
16.05.2013, 09:24
Es kommt der Lenz mit dem Hochzeitsgeschenk,
Mit Jubel und Musizieren,
Das Bräutchen und den Bräutigam
Kommt er zu gratulieren.

Er bringt Jasmin und Röselein,
Und Veilchen und duftige Kräutchen,
Und Sellerie für den Bräutigam,
Und Spargel für das Bräutchen.

the grip
18.05.2013, 21:47
Heimliche Stunde

Ein kleiner Spuk durch die Dampfheizung ging,
Keine Uhr war aufgezogen.
Ein zu früh geborener Schmetterling
Kam auf das Schachbrett geflogen.

Es ging ein Blumenvasenblau
Mit der Sonne wie eine Schnecke.
Ich liebe Gott und meine Frau,
Meine Wohnung und meine Decke.

the grip
21.05.2013, 09:24
Die Schändliche

Sie ist ein reizendes Geschöpfchen,
Mit allen Wassern wohl gewaschen;
Sie kennt die süßen Sündentöpfchen
Und liebt es, häufig draus zu naschen.

Da bleibt den sittlich Hochgestellten
Nichts weiter übrig, als mit Freuden
Auf diese Schandperson zu schelten
Und sie mit Schmerzen zu beneiden.

the grip
23.05.2013, 09:26
Jesuitendebatte

Der Fuchs stand vor dem Hühnerstalle
Und merkte in der Winternacht,
Die Einschlupflöcher waren alle
Just seinetwegen zugemacht.

Da fing er jämmerlich zu klagen
Und bitterlich zu weinen an:
Warum wollt ihr nur mich verjagen,
Der euch doch nie ein Leids getan?

Ihr guten Hühner, hört die Bitte!
Ihr seid so viele, ich allein, –
Der kleinste Platz in eurer Mitte
Genügt, und ich will glücklich sein!

Das Federvieh hat lang beraten
Und manches wohlerfahrne Huhn
Vermeinte, was sie früher taten,
Das würden Füchse immer tun.

Doch gab es viele ganz Gerechte,
Die waren aus Prinzip dafür,
Daß keinem aus dem Tiergeschlechte
Verschlossen bleibe ihre Tür.

Kaum war die weise Tat geschehen,
War von dem ganzen Hühnerhof
Nichts mehr als das Prinzip zu sehen
Und Krallen und ein Federschwof.

the grip
26.05.2013, 10:28
Der kleine Unterschied

Es sprach zu Mister Goodwill
ein deutscher Emigrant:
"Gewiß, es bleibt dasselbe,
sag ich nun ‚land‘ statt Land,
sag ich für Heimat ‚homeland‘
und ‚poem‘ für Gedicht.
Gewiß, ich bin sehr ‚happy‘:
Doch glücklich bin ich nicht."

the grip
28.05.2013, 09:20
Selbstfindung

Ich weiß, was ich bin.
Ich schreibe das gleich hin.
Da hab’n wir den Salat:
Ich bin ein Literat.

the grip
30.05.2013, 09:58
So schalt ich früher Veilchen Übermut:
Wo stahlt ihr süßen Diebe euern Hauch,
Wenn nicht von deinem Mund? Die Purpurglut
Auf euern samtnen Wänglein habt ihr auch
Nur schwach gefärbt in seiner Adern Blut!
Den Lilien warf ich deine Hände vor;
Daß er dein Haar bestahl, dem Majoran.
Furchtsam auf Dornen stand der Rosen Chor,
Teils vor Verzweiflung weiß, teils rot vor Scham:
Und eine, weder rot noch weiß, vermaß
Von beidem sich, und stahl noch deinen Atem:
Allein zur Strafe kam ein Wurm und fraß
Im vollsten Prangen sie für ihre Taten. -
Nicht eine war von aller Blumen Zahl,
Die nicht dir Farben oder Düfte stahl.

the grip
02.06.2013, 19:10
Für einen Porträtmaler

Die gnädige Frau, die alte,
Die hab’ ich konterfeit.
Sie hatte manche Falte,
Drob war sie nicht erfreut.

Die Falten und die Runzeln,
Die malt ich nimmermehr,
Drob tät sie gnädig schmunzeln,
Das freut die Alte sehr.

Sie hatte viele Pocken -
Ich fand den Teint so klar;
Sie hatte falsche Locken -
Ich lobt ihr schönes Haar.

An ihrer roten Nase
Pries ich den feinen Ton;
Denn jede schöne Phrase,
Die findet ihren Lohn.

Die Alte fand geraten
Ihr gnädig Konterfei.
Sie zahlt mir zehn Dukaten,
Weil’s gar’ so ähnlich sei.

the grip
04.06.2013, 09:10
Zauberschwestern

Zwiefach sind die Phantasien,
Sind ein Zauberschwesternpaar,
Sie erscheinen, singen, fliehen
Wesenlos und wunderbar.

Eine ist die himmelblaue,
Die uns froh entgegenlacht,
Doch die andre ist die graue,
Welche angst und bange macht.

Jene singt von lauter Rosen,
Singt von Liebe und Genuß;
Diese stürzt den Hoffnungslosen
Von der Brücke in den Fluß.

bellamartha
04.06.2013, 09:25
Danke für das schöne Gedicht von heute! Es passt für mich gut.

Gruß, J.

the grip
06.06.2013, 09:25
Die Kelche, oft im Traum erschaut,
Wo Singvögel sich wiegen,
Sind deine Lippen – und der Laut
Melodisch draus entstiegen –

Dein Augenstrahl, mir sanft erglüht,
Fällt mitten in dem Dunkel
Auf mein umdüstertes Gemüt
Wie eines Sterns Gefunkel.

Dein Herz – dein Herz, seufz‘ ich gepreßt
Und träume bis zum Tage
Vom Glück, das sich nicht greifen läßt,
Doch will, daß man es wage.

the grip
09.06.2013, 17:28
Laß die Moleküle rasen,
was sie auch zusammenknobeln!
Laß das Tüfteln, laß das Hobeln,
heilig halte die Ekstasen!

the grip
11.06.2013, 09:22
Wechsel

Immer, wenn es Frühling ist,
Fühlt man schöne Triebe,
Und man spricht so manchen Mist,
Meistenteils von Liebe.
Unser Mädchen glaubt es wohl;
Die Natur der Frauen
Zwingt sie ja, dem größten Kohl
Blindlings zu vertrauen.

Wenn das Korn am höchsten steht,
In den Sommerszeiten,
Findet, wer zu Zweien geht,
Leicht Gelegenheiten.
Lockrer wird das süße Band,
Wenn die Früchte reifen,
Will sie es auch vorderhand
Noch nicht recht begreifen.

Liebste, füge dich darein!
Was ist auch dahinter?
Ich will wieder ledig sein
Für den nächsten Winter.

the grip
13.06.2013, 14:27
Wenn die Opern dich umbrausen
mit Getön,
dann genieße auch die Pausen:
sie sind schön.

the grip
16.06.2013, 13:18
Schaudervoll: Es zog die reine,
Weiße, ehrbar keusche Clara
Aus dem Sittlichkeitsvereine
Eines Abends nach Ferrara.

Schaudervoll: Dort, irgendwo,
Floß der Po.

Schaudervoll, doch es geschah
In Ferrara, daß die Clara
Aus dem Sittlichkeitsvereine
Nachts den Po doppelt sah.

the grip
18.06.2013, 11:59
In ein Exemplar von Goethes „Faust“

Dieses Buch sei dir empfohlen,
Lese nur, wenn du auch irrst:
Doch wenn du’s verstehen wirst,
Wird dich auch der Teufel holen.

the grip
20.06.2013, 09:20
Die Lehre von der Wiederkehr
Ist zweifelhaften Sinns.
Es fragt sich sehr, ob man nachher
Noch sagen kann: Ich bin’s.

Allein was tut’s, wenn mit der Zeit
Sich ändert die Gestalt?
Die Fähigkeit zu Lust und Leid
Vergeht wohl nicht so bald.

the grip
23.06.2013, 16:26
Bescheidene Frage

Ist der Mensch nicht eine Plage?
Und erst recht, wenn man ihn liebt?
Gott, verzeih mir diese Frage!
Tu’s auch, wenn es Dich nicht gibt.

the grip
25.06.2013, 09:32
Tapferkeit

Zu Haus leb ich recht selbstbezogen
und brauche deshalb keine Drogen,
doch geh ich aus und muß charmant sein,
dann faß ich Mut und etwas Brandwein

the grip
27.06.2013, 09:46
Nach meiner zweiten Scheidung

Du fragst, was ich von den Frauen halte?
Als Antwort geb' ich dir darauf:
Ich bleibe unentwegt der alte.
Ich geb' die Hoffnung niemals auf.

the grip
30.06.2013, 15:41
Köpfe abschlagen ist nicht sehr klug.
Die Stecknadel, der man den Kopf abschlug,
fand, der Kopf sei völlig entbehrlich,
und war nun vorn und hinten entbehrlich.

the grip
02.07.2013, 09:22
Kaum hab ich die Welt zu schaffen begonnen.
In einer Woche war’s abgetan.
Doch hatt ich vorher tief ausgesonnen
Jahrtausendelang den Schöpfungsplan.

Das Schaffen selbst ist eitel Bewegung,
Das stümpert sich leicht in kurzer Frist;
Jedoch der Plan, die Überlegung,
Das zeigt erst, wer ein Künstler ist.

Ich hab allein dreihundert Jahre
Tagtäglich drüber nachgedacht,
Wie man am besten Doctores Juris
Und gar die kleinen Flöhe macht.

the grip
04.07.2013, 09:13
Trabe, kleines Pferdchen,
du trägst mich in die Wüste,
alle Städte versinken,
die Dörfer und lieblichen Flüsse.
Ehrwürdig die Schulen,
leichtfertig die Kneipen,
Mädchengesichter versinken,
verschleppt vom Sturm des Ostens.

the grip
07.07.2013, 09:36
Gingo Biloba

Dieses Baums Blatt, der von Osten
Meinem Garten anvertraut,
Gibt geheimen Sinn zu kosten,
Wie's den Wissenden erbaut,

Ist es Ein lebendig Wesen,
Das sich in sich selbst getrennt?
Sind es zwei? die sich erlesen,
Daß man sie als Eines kennt?

Solche Frage zu erwidern,
Fand ich wohl den rechten Sinn:
Fühlst du nicht an meinen Liedern,
Daß ich Eins und doppelt bin?

the grip
09.07.2013, 11:40
Ewige Liebe

Er hat gesagt,
diese Nacht dauert ein Leben.
Da hat sie sich hingegeben.
So haben sie eine Nacht
Verbracht.

the grip
11.07.2013, 09:16
Ich mochte ihn

Ich mochte D.H. Lawrence,
er konnte so schön wütend
werden, er blaffte und
fetzte mit wundervoll
energischen Sätzen, er
konnte das Wort zu Papier
bringen, leuchtend und
zuckend, der Gestank
von Blut und Mord und
Opfer umwehte ihn, die
einzige Zärtlichkeit,
die er sich erlaubte, war
wenn er seine füllige
deutsche Frau zu Bett
brachte. Ich mochte
D.H. Lawrence. Er konnte
über Jesus reden, als wärs
der Mann von nebenan, und
er konnte australische
Taxifahrer so gut beschreiben,
daß man sie haßte. Ich
mochte D.H. Lawrence, aber
ich bin froh, daß ich ihn
nie kennenlernte in irgend-
einem Bistro, wo er mit
gespreizten Fingern ein
winziges Täßchen Tee hebt
und mich ansieht mit seinen
wurmstichigen Augen.

the grip
14.07.2013, 16:17
So nicht

Ums Paradies ging eine Mauer
Hübsch hoch vom besten Marmelstein.
Der Kain, als ein Bub, ein schlauer,
Denkt sich: Ich komme doch hinein.

Er stieg hinauf zu diesem Zwecke
An einer Leiter mäusschenstumm.
Da schlich der Teufel um die Ecke
Und stieß ihn samt der Leiter um.

Der Vater Adam, der’s gesehen,
Sprach, während er ihn liegen ließ:
„Du Schlingel! Dir ist recht geschehen.
So kommt man nicht ins Paradies.“

the grip
16.07.2013, 09:36
Mondnacht

Es war, als hätt der Himmel
die Erde still geküßt,
daß sie im Blütenschimmer
von ihm nun träumen müßt.

Die Luft ging durch die Felder,
die Ähren wogten sacht,
es rauschen leis die Wälder,
so sternklar war die Nacht.

Und meine Seele spannte
weit ihre Flügel aus,
flog durch die stillen Lande,
als flöge sie nach Haus.

the grip
18.07.2013, 09:49
Gib du dem Tag, was aus dir will.
Die Nacht ist still.
Auch wenn in einem Nachtlokal
Du welche Leute, die Skandal
Begeistert, siehst.
Nicht, daß du fliehst!
Auch wenn ein Raufbold dich berennt,
Oder ein blöder Korps-Student
Mit Gott – dem's einfiel, dort zu wandeln –
Will anbandeln.

TriVet
18.07.2013, 10:11
Immer wieder erstaunlich, wie weit Deine Auswahl der Gedichte reicht, freu mich immer neu, an den gehabten und den kommenden!

Vielen Dank.:Huhu:

the grip
21.07.2013, 16:13
Mythologie

Ja, Europa ist erlegen –
Wer kann Ochsen widerstehen?
Wir verzeihen auch Danäen –
Sie erlag dem goldnen Regen!

Semele ließ sich verführen –
Denn sie dachte: eine Wolke,
Ideale Himmelswolke,
Kann uns nicht kompromittieren.

Aber tief muss uns empören
Was wir von der Leda lesen –
Welche Gans bist du gewesen,
Dass ein Schwan dich konnt betören!

the grip
23.07.2013, 09:25
Das Nichts und das Sein

Hochverehrtes Publikum!
Soeben fiel ein Eimer um,
ein Eimer sondergleichen:
Im Eimer war das blanke Nichts,
das freut sich nun des Tageslichts
und kreischt zum Steinerweichen.

the grip
25.07.2013, 09:46
Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust,
Die eine will sich von der andern trennen;
Die eine hält, in derber Liebeslust,
Sich an die Welt mit klammernden Organen;
Die andre hebt gewaltsam sich vom Dust
Zu den Gefilden hoher Ahnen.

the grip
29.07.2013, 07:50
Das Paradies

Sein Glück für einen Apfel geben.
O Adam, welche Lüsternheit!
Statt deiner hätt' ich sollen leben,
so wär' das Paradies noch heut. –

Wie aber, wenn alsdann die Traube
Die Probefrucht gewesen wär'?
Wie da, mein Freund? – Ei nun, ich glaube –
Das Paradies wär' auch nicht mehr.

the grip
30.07.2013, 19:09
Ich bin das Riesenkrokodil.
Meine Großmutter war ein Drachen.
Ich verschlucke, wenn ich will,
Einen Esel und noch größere Sachen.

Ich liege oft tausende Jahre still
Und klappere dann mit den Zähnen.
Ich bin das Riesenkrokodil.
Ich kann entsetzlich gähnen.

Klapp klapp
Schnapp schnapp
Uohahhh …

the grip
02.08.2013, 23:34
Unter Zeiten

Das Perfekt und das Imperfekt
tranken Sekt.
Sie stießen aufs Futurum an
(was man wohl gelten lassen kann).

Plusquamper und Exaktfutur
blinzten nur.

the grip
04.08.2013, 17:36
Mir träumt‘: ich bin der liebe Gott,
Und sitz im Himmel droben,
Und Englein sitzen um mich her,
Die meine Verse loben.

Und Kuchen ess ich und Konfekt
Für manchen lieben Gulden,
Und Kardinal trink ich dabei,
Und habe keinen Schulden.

Doch Langeweile plagt mich sehr,
Ich wollt, ich wär auf Erden,
Und wär ich nicht der liebe Gott,
Ich könnt des Teufels werden.

the grip
06.08.2013, 08:50
Ich liebe Frauen –

Ich liebe Frauen, die vor tausend Jahren
Geliebt von Dichtern und besungen waren.

Ich liebe Städte, deren leere Mauern
Königsgeschlechter alter Zeiten betrauern.

Ich liebe Städte, die erstehen werden,
Wenn niemand mehr von heute lebt auf Erden.

Ich liebe Frauen – schlanke, wunderbare,
Die ungehorsam ruhn im Schoß der Jahre.
Sie werden einst mit ihrer sternenbleichen
Schönheit der Schönheit meiner Träume gleichen

the grip
08.08.2013, 08:38
Poesie ist Erinnerung
An all die Liebenden, die sich
Nach dem Tode sehnten und weiterlebten.

Und wenn sie endlich sterben,
wird es zu spät sein
für jeden von uns.

the grip
10.08.2013, 21:03
Auf dem Faulbett

Auf mein Faulbett hingestreckt
Überdenk ich so meine Tage,
Forschend, was wohl dahintersteckt,
Dass ich nur immer klage.

Ich habe zu essen, ich habe Tabak,
Ich lebe in jeder Sphäre,
Ich liebe je nach meinem Geschmack
Blaustrumpf oder Hetäre.

Die sexuelle Psychopathie,
Ich habe sie längst überwunden -
Und dennoch, ich vergess es nie,
Es waren doch schöne Stunden.

the grip
13.08.2013, 08:58
Lebenslauf

Mein Lebenslauf ist bald erzählt. –
In stiller Ewigkeit verloren
Schlief ich, und nichts hat mir gefehlt,
Bis daß ich sichtbar ward geboren.

Was aber nur? – Auf schwachen Krücken,
Ein leichtes Bündel auf dem Rücken,
Bin ich getrost dahingeholpert,
Bin über manchen Stein gestolpert,
Mitunter grad, mitunter krumm,
Und schließlich mußt ich mich verschnaufen.

Bedenklich rieb ich meine Glatze
Und sah mich in der Gegend um.

Oweh! Ich war im Kreis gelaufen,
Stand wiederum am alten Platze,
Und vor mir dehnt sich lang und breit,
Wie ehedem, die Ewigkeit.

the grip
15.08.2013, 09:59
Als er sich mit vierzig im Spiegel sah

Seht mich an: der Fuß der Zeit
trat mir meine Wangen breit.
Schaut mein Ohr! Die vielen Jahre
drehten es in’s Sonderbare!
Ach des Kinns! Es scheint zu fliehn,
will die Lippen nach sich ziehn!
Ach der Stirn! Die vielen Falten
drohen mir den Kopf zu spalten!
Die Nase! O, wie vorgezogen!
Der Mund! So seltsam eingebogen!
Der Hals! So krumm! Die Haut! So rot!
Das Haar! So stumpf! Das Fleisch! So tot!
Nur die Augen lidumrändert
strahlen blau und unverändert,
schauen forschend, klar und mild
auf’s und aus dem Spiegelbild,
leuchten wie zwei Edelsteine –
sind das überhaupt noch meine?

the grip
18.08.2013, 19:24
Der Aesthet

Wenn ich sitze, will ich nicht
sitzen, wie mein Sitz-Fleisch möchte,
sondern wie mein Sitz-Geist sich,
säße er, den Stuhl sich flöchte.

Der jedoch bedarf nicht viel,
schätzt am Stuhl allein den Stil,
überläßt den Zweck des Möbels
ohne Grimm der Gier des Pöbels.

the grip
20.08.2013, 09:13
Die Haushaltung

Zankst du schon wieder? Sprach Hans Lau
Zu seiner lieben Ehefrau.
„Versoffener, unverschämter Mann“ -- -- --
Geduld, mein Kind, ich zieh‘ mich an – --
„Wo nun schon wieder hin?“
Zu Weine. Zank‘ du alleine.

„Du gehst? -- -- Verdammtes Kaffeehaus!
Ja! Bleib‘ er nur die Nacht nicht aus.
Gott! Ich soll so verlassen sein? –
Wer pocht? -- -- Herr Nachbar? -- -- nur herein!
Mein böser Teufel ist zu Weine:
Wir sind alleine.“

the grip
22.08.2013, 09:18
Nichts, wenn man es überlegt, kann dazu verlocken, in einem Wettrennen der erste sein zu wollen.

the grip
22.08.2013, 09:18
Du willst, daß man dich liebt, so weiche
Nie davon, was dein Wesen ist.
Bleibe nur immerdar die Gleiche,
Sei nichts, was du nicht wirklich bist.
Dann wird auch deine sanfte Weise,
Die mehr als Schönheit noch besticht,
Verleiten alle Welt zum Preise
Und Liebe werden – eine Pflicht.

the grip
25.08.2013, 10:38
Die feine Familie.

Papa ist geheimer Kommerzienrat,
Mit vielen Orden für das, was er hat.

Mama trägt ein Diamantenkollür,
Um den Fetthals zwei Meter Perlenschnür.

Die Tochter hat jetzt schon ein Doppelkinn,
Ist nebenbei Wagnerianerin.

Der Sohn war bei den Dentzer Kürassür,
Und kommt sich drum als der Vornehmste für.

Zum Glück hat die Bande ziemlich viel Geld,
Sonst wär’s für sie eine traurige Welt.

Hätt’ ‘s Vermögen nicht für alle gekleckt,
Dann wären sie in drei Tagen verreckt,

Weil keines zur Arbeit die Hände hätt’;
Sie rühren sie nur am Wasserklosett.

the grip
27.08.2013, 09:08
Wir fuhren allein im dunkeln
Postwagen die ganze Nacht;
Wir ruhten einander am Herzen,
Wir haben gescherzt und gelacht.

Doch als es morgens tagte,
mein Kind, wie staunten wir!
Denn zwischen uns saß Amor,
Der blinde Passagier.